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In dieser Folge von "Österreich, erklärt" sprechen wir über Burschenschaften – von den Ursprüngen der schlagenden Verbindungen bis zu ihrem Einfluss auf die heutige Politik. Wir schauen uns an, welche Rituale sie hinter verschlossenen Türen pflegen, welche Ideologien sie prägen – und wie viel Macht Korporierte inzwischen in Österreichs Institutionen haben.
Thumbnail-Credit: APA; Herbert Pfarrhofer/APA/Picturedesk.com; Roland Schlager/APA/Picturedesk.com
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NewsTranskript
00:00Man muss sich schon bewusst sein, dass mit dem Aufstieg der FPÖ gerade in den letzten Jahren
00:04auch ein Aufstieg der Burschenschaften einhergegangen ist.
00:07Und das sind Vereine mit einer Ideologie, die stramm rechts ist, völkisch, rassistisch und sehr oft auch antisemitisch.
00:16Und Menschen, die diese Ideologie vertreten, sitzen jetzt in wichtigen Schaltstellen der Republik.
00:30Mein Name ist Colette Schmidt. Ich bin Redakteurin im Ressort Innenpolitik und Chronik im Standard,
00:37wo ich mich intensiv mit Rechtsextremismus beschäftige.
00:44Die erste Burschenschaft wurde am 12. Juni 1815 im Deutschen Jena gegründet.
00:51Die gilt auch als Ur-Burschenschaft.
00:53So richtigen Aufschwung bekamen die deutschen Burschenschaften aber eigentlich erst während der Bürgerlichen Revolution 1815.
01:001848. Und auch die heutigen Verbindungen in Österreich berufen sich gerne auf diese bürgerliche Revolution.
01:06Vielleicht auch, um von ihrer Rolle in der NS-Zeit abzulenken.
01:10Tatsache ist aber, dass gerade die österreichischen Burschenschaften sich Jahre und viele Jahrzehnte teilweise nach 1848 überhaupt erst gegründet haben.
01:18Gemeinsam mit den deutschen Burschenschaften, aber auch Chors und Sängerschaften, Landsmannschaften,
01:24ist sicherlich dieser deutschnationale Gedanke.
01:27Das heißt, dass sich auch die österreichischen Bundesbrüder, wie sie sich nennen,
01:31eigentlich zugehörig zu einer großen deutschen Kulturnation oder deutschen Nation fühlen.
01:37Ein weiteres Merkmal von Geschichtsklitterung, wenn Burschenschaften ihre eigene Historie erzählen,
01:43ist, dass sie dann darauf verweisen, dass es sie ja schon vor der NS-Zeit gab und sie ja mit Nazitum gar nichts zu tun haben.
01:51Aber schon vor dem Anschluss sind viele als Hakenkreuzler und Nationalsozialisten unterwegs gewesen.
01:57Und gerade auf den Unis waren die Burschenschaften auch an Übergriffen beteiligt gegen jüdische Hörerinnen und Hörer.
02:05Die wurden, da gibt es Augenzeugenberichte, niedergeschriebene Dokumentierte aus dem Hörsaal gezerrt und es wurde Judah-Verrecke gebrüllt.
02:12Das war alles noch vor 1938.
02:15Und als dann Österreich annektiert wurde 1938, da haben dann diese Männer, die da zum Teil vorher schon Burschenschaftler waren,
02:23auch sofort als Belohnung hohe Ämter bekommen.
02:26Wenn man jetzt natürlich hergeht und sagt, ja, Burschenschaften waren ja verboten in der NS-Zeit,
02:31dann hat das eigentlich mit dem Vereinen und dem Umgang mit Vereinen allgemein zu tun.
02:36Also Nationalsozialisten wollten einfach überall die Hand drauf haben, wenn sich Leute treffen und versammeln.
02:40Und das war auch bei den Burschenschaften so.
02:43Aber das heißt nicht, dass sie jetzt irgendwie diese Ideologie abgelehnt hätten.
02:46Dass diese Ideologie der Nationalsozialisten eigentlich den Studentenverbindungen,
02:51den deutschnationalen Schlagenden, sehr eigentlich gelegen kam, sieht man auch daran, dass sie Karriere gemacht haben.
02:58Es wurden wichtige Stellen in der Republik oder in der Diktatur dann besetzt,
03:02zum Beispiel Medien oder die Akademie der Wissenschaften oder auch die Uni Wien, der Rektor.
03:10Das waren Burschenschafter und Nazis.
03:13Und ein sehr prominentes Beispiel ist sicher auch Ernst Kaltenbrunner,
03:18der in der SS-Karriere gemacht hat zunächst und dann sogar die letzten Jahre der Diktaturchef vom Geheimdienst war.
03:26Er ist 1946 in Nürnberg hingerichtet worden als Kriegsverbrecher und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
03:31Burschenschaften haben auch gemeinsam, dass sie Traditionen sehr hoch halten.
03:39Und deswegen wirken sie auch auf viele Außenstehende, aus ihrem Universum Außenstehende, sehr anachronistisch und seltsam.
03:46Das fängt bei ihrer Kleidung an, die sie selber als Wix bezeichnen.
03:51Man tragt das Band mit den Farben der Verbindung.
03:55Man hat eine Kappe auf, die sie Deckel nennen.
03:57Und dann haben sie natürlich ihre Fechtwaffen, mit denen sie, und das ist eine ganz wichtige Tradition,
04:03deswegen heißen sie ja schlagende Burschenschaften, Mensuren, Fechten.
04:07Ganz wichtig ist auch eine strenge Hierarchie innerhalb der Burschenschaften.
04:10Das heißt, die Älteren, die oft gar nicht so alt in Lebensjahren sind, bezeichnet man als alte Herren.
04:15Und die frischen, vielleicht Studienanfänger, die dazukommen, sind die Füchse.
04:20Füchse müssen sich erst einmal beweisen.
04:23Und da gehört ein ganz wichtiges Ritual, nämlich die Mensur dazu, die sie fechten müssen.
04:27Meistens findet das im Keller der sogenannten Bude, das ist das Verbindungshaus, statt.
04:32Und da gibt es dann zum Beispiel einen Arzt, der das Ganze überwacht, damit sich die jungen Männer nicht totschlagen.
04:38Es ist aber auch so, dass die Älteren bestimmen, wann ein Fechtduell zu Ende ist und nicht die Jungen.
04:45Sie sollen damit lernen, hart zu bleiben, unter schwierigen Situationen und Haltung zu bewahren.
04:50Man sieht natürlich sehr oft den sogenannten Schmiss.
04:53Das ist also die Narbe, die solche Duelle hinterlassen.
04:56Manche haben das auch unter ihren Haaren, auf den Köpfen, manche auch wirklich im Gesicht.
05:00Abseits von diesen Kämpfen in irgendwelchen Kellern von Buden gibt es, muss man sagen, Alkohol als ganz wichtiges verbindendes Element.
05:09Bei der sogenannten Kneipe auf der Bude wird regelmäßig getrunken.
05:13Man hört sehr viel getrunken und dann werden auch Lieder gesungen.
05:17Wenn wir zufällig erfahren, welche Liederbücher da so herumliegen, sind das auch nicht immer Lieder,
05:23die in die Zweite Republik und unsere Demokratie oder Verfassung passen.
05:26Ein Termin, wo man das einmal im Jahr alles sehen kann, die von mir beschriebene Bekleidung, diese eigentümliche,
05:33das ist der Akademikerball in der Wiener Hofburg.
05:36Es gibt seit vielen Jahren immer wieder Diskussionen und auch Gegendemonstrationen,
05:40denn was die Burschenschaften dort als hübschen Ball, wie man ihn halt feiert in Wien mit Tanz und Champagner darstellen,
05:48ist in Wahrheit, so sagen viele, viele Experten, ein Vernetzungstreffen der internationalen extremen Rechten.
05:54Wenn man unter den regelmäßigen Gästen oder auch sogar Rednern auf diesem Ball immer wieder sieht,
06:01sind sehr viele FPÖ-Politiker.
06:03Der Ballorganisator selber ist ein FPÖ-Politiker,
06:06aber man sieht auch junge, bekannte Gesichter aus der rechtsextremen Szene wie Martin Sellner,
06:12der ja selbst wie viele von den identitären Burschenschafter ist.
06:14Die FPÖ war schon seit ihrer Gründung in den 50er Jahren immer die Partei der Burschenschafter,
06:23also vor allem dieser schlagenden, deutschnationalen Burschenschafter.
06:27Und das hat sich hinaufgezogen bis in die heutige Zeit.
06:30Und der Jörg Haider, der selber auch zu einer Burschenschaft gehört hat,
06:33war es zwar so, dass er um sich herum auch Männer versammelt hat,
06:36die nicht schlagenden Verbindungen angehört haben.
06:39Und als er dann 2005 sich mit seinem BZÖ abgespalten hat von der FPÖ,
06:44hat er viele von denen auch mitgenommen.
06:46Die verbliebenen Burschenschafter wurden umso stärker in der Partei
06:50und die haben sich dann voll hinter HC Strache versammelt
06:53und ihn auch befördert, damit er der neue Parteichef wird.
06:59Wenn wir uns den heutigen Nationalratsklub der FPÖ ansehen,
07:02sind hier die Burschenschafter abermals sehr stark vertreten.
07:06Über 20 Prozent der Abgeordneten sind Kooperierte
07:09und ein bisschen weniger sind Frauen, nur zum Vergleich.
07:14In der Bevölkerung sind im Bereich von einem Promille Menschen kooperiert.
07:19Und viele von den Skandalen, die wir in den letzten Jahren in Burschenschaften gesehen haben,
07:24hatten auch eine Involvierung von FPÖ-Politikern aus diesem Grund,
07:28dass da so viele dabei sind.
07:29Wir erinnern uns an drei, mindestens drei Liederbruchskandale in Österreich,
07:33wo man ein Lied gut gefunden hat, das antisemitisch und eigentlich sich lustig machend
07:37über den Holocaust ist.
07:39Man hat immer wieder auf Buden erfahren, dass dort Holocaust-Leugner als Redner eingeladen waren
07:44oder Neonazi-Liedermacher.
07:46Und sehr oft waren in diese Veranstaltungen auch FPÖ-Politiker involviert.
07:51Im letzten Jahr hatten wir ein Begräbnis eines alten Herren, der auch FPÖler war,
07:55auf dem waren mehrere Abgeordnete der FPÖ.
07:59Und auf diesem Begräbnis wurde auf besonderen Wunsch des Verstorbenen das Treue-Lied gesungen,
08:06das die SS als ihre Hymne verwendet hat.
08:11Ein FPÖ-Politiker, der gerade auch wegen seiner Zugehörigkeit zu einer Burschenschaft
08:16in den letzten Monaten für sehr viel Aufregung gesorgt hat, ist Walter Rosenkranz.
08:21Er ist ein Mitglied der Libertas und das war schon lange bevor er das zweitmächtigste Amt
08:27im Staat übernommen hat, nämlich den Nationalratspräsidenten, wohl bekannt.
08:31Es war auch bekannt durch ein Interview mit der Journalistin Corinna Milborn,
08:36dass er in einer Schrift, für eine Festschrift für seine Burschenschaft,
08:42verstorbene Bundesbrüder als Leistungsträger bezeichnet hat.
08:46Und darunter waren welche, die eigentlich wirklich bekannte und belastete Nationalsozialisten waren.
08:53Zum Beispiel Johann Karl Stich.
08:57Ja, er war also Mitglied da in der Serbien.
08:59Es wundert mich nur, dass Sie so jemanden als Leistungsträger auf die Liste nehmen.
09:02Er hat 1930 bis 1938 war er Leistungsträger in Österreich.
09:06Die Libertas war auch die erste Burschenschaft, die die Mitgliedschaft von Juden verboten hat
09:11in ihrer Geschichte. Natürlich lange bevor Walter Rosenkranz dort Mitglied war.
09:16Aber das hat man alles gewusst, als man ihn dann 2024 zum Nationalratspräsidenten gewählt hat.
09:22Und da hat er gleich ziemlich am Anfang mit einem Versuch, einen Kranz niederzulegen,
09:27im Gedenken an Schoahopfer am Judenplatz in Wien für Aufregung gesorgt.
09:31Die jüdisch-österreichischen HochschülerInnen haben mit einer friedlichen Menschenkette
09:36dieses Vorhaben von ihm verunmöglicht.
09:38Bitte respektieren Sie das Gedenken an unsere Vorfahren.
09:42Wir wollen nicht mit ihm in Gedenken.
09:44Wir wollen nicht, dass Sie uns unter unseren Vorfahren ins Gesicht spucken.
09:47Walter Rosenkranz ist dann schließlich abgezogen, hat den Versuch aufgegeben,
09:50einen Kranz dort niederzulegen mit den unvergesslichen Worten
09:54Ich weiche ihrer Gewalt.
09:56Ich weiche ihrer Gewalt aus.
09:58Ich weiche ihrer Gewalt aus.
10:00Zum gleichen Zeitpunkt eigentlich hatte er einen Büroleiter als Nationalratspräsident,
10:04René Schimaneck, von dem wenig später bekannt wurde, dass er in E-Mail-Korrespondenzen war
10:11mit Neonazis und Rechtsextremisten.
10:15Für Aufregung sorgte auch ein nicht erteilter Ordnungsruf von Rosenkranz im Parlament,
10:19als ein FPÖ-Abgeordneter das Wort Umvolkung, das schwer Belastete, verwendete in einer Migrationsdebatte.
10:25Es ist alles eingetreten von der Kriminalität, von der Umvolkung, aber auch vom Kollaps des Sozialsystems.
10:33Ich würde Sie ersuchen, hier einen Ordnungsruf zu geben, dass wir derartige Ideologien hier im Haus nicht haben wollen.
10:39Vielen Dank.
10:40Es ist natürlich teilweise auch so konnotiert, wie Sie es gesagt haben, auch anders.
10:44Und daher teile ich Ihre Auffassung nicht.
10:46Der Abgeordnete Wurm, der diesen Begriff verwendet hat, hat ihn aber dann zumindest später zurückgenommen.
10:56Nun ist es ohnehin schon so, dass der politische Diskurs immer mehr gespickt wird
11:01mit wirklich belasteten Worten aus dem rechtsextremen Milieu oder eben sogar aus der NS-Zeit.
11:09Ich erinnere nur an die Re-Immigration.
11:11Wenn jetzt aber sogar im Hohen Haus unserer Republik solche Worte einfach gesagt werden können,
11:17dann merkt man, was das für einen Unterschied macht, wer Nationalratspräsident ist.
11:24Was bedeutet das für unsere Demokratie, wenn eine Partei, die viele, viele Männer als Mitglieder hat,
11:30die in einer sehr demokratiefeindlichen Ideologie, einer sehr autoritären Anhängen an die Macht kommt?
11:35Erstens hat die FPÖ so viel Geld in ihren Parteikassen wie noch nie in ihrer Geschichte durch die vielen Wahlsiege.
11:41Und zweitens kommen solche Männer jetzt auch in wichtige Positionen, wo sie nicht nur den Diskurs,
11:46sondern unsere ganze Ausrichtung in den nächsten Jahren mitbestimmen.
11:51Und diese Richtung, die zeigt nach stramm rechts.
11:54Und das hat eigentlich noch nie eine Gesellschaft als Ganze vorangebracht.
12:05Und das hat eigentlich noch nie eine Gesellschaft als Ganze vorangebracht.
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