Liberalala: Archipel Gulag - Notwehr

Partei der Vernunft - PdV

vorgestern

Ausschnitt aus dem Buch: Alexander Solschenizyn (1973), Der Archipel Gulag.

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00:00Im September 1955 hat die Literarische Zeitung, die mutig über alles Mögliche ihre Meinung geäußert hat,

00:08nur nicht über die Literatur, in einem langen Artikel Krokodilstränen über folgende Ereignisse vergossen.

00:17Auf einer Straße in Moskau vor den Fenstern zweier Familienhäuser wurde mit viel Lärm ein Mann ermordet.

00:24Später hat man festgestellt, beide Familien, unsere, sowjetische, wurden geweckt.

00:31Sie schauten aus den Fenstern, sind aber nicht zur Hilfe gekommen.

00:37Die Ehefrauen haben ihre Ehemänner nicht herausgelassen.

00:41Einer ihrer Nachbarn, möglicherweise wurde er auch geweckt, aber darüber schweigt die Presse.

00:47Mitglied der Partei seit 1916, ehemaliger Oberst, vermutlich vor Faulheit schmachtend,

00:55hat die Bürde auf sich genommen, die Öffentlichkeit bloßzustellen.

01:00Er sucht die Redaktionen und Gerichte auf, mit der Forderung, beide Familien als Mittäter anzuklagen.

01:06Der Journalist donnert ihm entgegen.

01:10Das ist zwar nicht strafbar, aber Schande. Schande. Ja, Schande. Aber für wen?

01:18Wie immer in unserer parteiischen Presse wird über alles berichtet, nur nicht über das Wichtigste.

01:23Im Strafgesetzbuch vom 1926 gibt es das absurde Artikel 139.

01:53Über den Maß der Notwehr.

01:56Du darfst das Messer nicht ziehen, bevor dein Gegner seinen Messer gegen dich gerichtet hat.

02:02Und auf ihn einstechen nicht, bevor er auf dich eingestochen hat.

02:06Sonst wirst du vor Gericht gestellt.

02:09Aber einen Artikel darüber, dass der größte Verbrecher derjenige ist, der einen Schwächeren angreift, gibt es nicht.

02:17Diese Angst, die Notwehr zu überschreiten, führt zur vollständigen Entspannung auf der nationalen Ebene.

02:25Ein Hooligan fing vor einem Club, einen Rotarmisten Alexander Sakharov zu schlagen.

02:32Sakharov hat einen Taschenmesser gezogen und den Angreifer getötet.

02:36Die Strafe dafür war, zehn Jahre, wie für einen gemeinen Mord.

02:41Was hätte ich denn tun sollen?

02:44Fragte er verwundet.

02:46Der Staatsanwalt antwortet, weglaufen.

02:50Wer züchtet denn hier die Hooligans?

02:53Laut dem Strafgesetzbuch verbietet der Staat es den Bürgern, Feuer oder Stichwaffen zu besitzen.

02:58Der Staat überlässt eigene Bürger den Banditen und besitzt noch die Frechheit, sie über die Presse zum öffentlichen Widerstand gegen diese Banditen aufzurufen.

03:13Widerstand womit?

03:15Den Regenschirm?

03:16Den Nudelhölzern?

03:18Erst haben sie die Banditen erschaffen, dann fingen sie an, die Bürgerwehr gegen sie zu organisieren,

03:24die wiederum außerhalb des Gesetzes handelnd, manchmal selbst zum Banditen mutiert.

03:31Dabei wäre es doch so einfach, von Anfang an sie zu zwingen, ihre Köpfe an der dem Joch des Gesetzes zu beugen.

03:38So die einzig richtige Lehre.

03:41Was würde denn passieren, wenn diese Ehefrauen ihre Ehemänner gelassen hätten und diese mit den Stöcken hinausgerannt wären?

03:49Entweder hätten die Banditen sie getötet, was am wahrscheinlichsten wäre,

03:54oder sie hätten die Banditen getötet und wären ins Gefängnis gewandert, wegen der Überschreitung der Notwehr.

04:02Der Oberst bei seinem morgendlichen Gassigehen mit dem Hund hätte dieses Ereignis in beiden Fällen genossen.

04:09Die Eigeninitiative dagegen, wie im französischen Film Monsieur Dupont,