Zum Player springenZum Hauptinhalt springen
  • vor 10 Minuten
Zehntausende Menschen wurden im ehemaligen Stasi-Gefängnis eingesperrt, eingeschüchtert und sogar gefoltert. Euromaxx-Reporterin Meggin Leigh hat den Ort besucht.

Kategorie

🗞
News
Transkript
00:00Für mich ist es nach wie vor ein Gefühl des Ausgeliefertseins, wenn ich in so eine Zelle
00:08komme. Die Einsamkeit, die Zeit wollte nicht vergehen und je weiter die Zeit weg ist, desto
00:14mehr Abstand bekomme ich vor diesem Ort, vor den Tätern und natürlich eben halt auch vor der
00:21Einsamkeit, vor diesen negativen Gefühlen. Ich bin hier im ehemaligen Stasi-Gefängnis in
00:29Hohenschönhausen in Berlin. Heute ist dieses Gefängnis ein Museum und eine Gedenkstätte.
00:36Einst war es ein wichtiger Teil der Stasi, des Geheimdienstes der DDR. Während des Kalten
00:41Krieges war die Stasi berüchtigt für ihre totalitäre Kontrolle der DDR-Bürger und hielt
00:46tausende von politischen Gefangenen fest. Könnten diese Mauern reden, würden sie schreckliche
00:53Geschichten von Unterdrückung und Isolation erzählen. Mario Röhrlich war 1987 drei Monate
01:00lang hier inhaftiert. Seine Haft war zwar nur relativ kurz, aber sie hat bis heute Spuren
01:05hinterlassen.
01:06Ich wurde am 3. Juli 1987 an einem heißen Sommertag hier in diese Zelle geschubst und der erste
01:14Schock war nicht wirklich ein Fenster. Ich konnte nicht rausgucken. Ich war isoliert. Ich habe
01:18nie erfahren, wo ich bin. Erst viele Jahre später, 1997, mit der Einsicht in die Akten
01:25des Staatssicherheitsdienstes der DDR, wusste ich, ich war in Hohenschönhausen.
01:29Mario hatte versucht, über Ungarn aus der DDR in das ehemalige Jugoslawien zu fliehen.
01:34Er wurde von der ungarischen Grenzpolizei festgenommen und nach Ost-Berlin zurückgeschickt,
01:38wo sein Fluchtversuch als kriminelle Tat eingestuft wurde.
01:41Von 1951 bis 1989 waren in diesem Gefängnis rund 11.000 Menschen inhaftiert, die als Feinde
01:50der DDR angesehen wurden, darunter auch West-Berliner, noch vor dem Bau der Berliner Mauer.
01:55Wir gehen durch die Verhörräume. Es gibt Dutzende davon. Wie war es, hier verhört zu werden?
02:01Die Verhöre, die waren montags bis freitags immer so fünf bis acht Stunden. Mal wurde ich gar nicht
02:11geholt, mal nur eine Stunde. Und dann gab es einen Offizier, der nur schrie, der nur beleidigte
02:18und einer, der sehr freundlich war, der psychologisch ausgewählt war für die Verhöre, der sah so aus
02:24wie mein Freund aus dem Westen. Und das war der viel Schlimmere, weil mit dem wäre ich lieber ein Bier
02:28drin gegangen, als von dem verhört zu werden. Das Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen wandte
02:34verschiedene Methoden an, um die Gefangenen voneinander getrennt und isoliert zu halten.
02:39Kleine, schalldichte Zellen und Verhörräume machten es den Gefangenen schwer, sich zu sehen
02:43oder miteinander zu kommunizieren. Die Wärter befolgten strenge Vorschriften, um sicherzustellen,
02:50dass die Gefangenen keinen Kontakt miteinander hatten. So wurden die Gefangenen beispielsweise oft
02:55einzeln durch das Gebäude geführt, wobei rote und grüne Lichter anzeigten, wann der Flur frei war.
03:01Mario wurde im September 1987 dank einer westdeutschen Initiative, die 90.000 Deutsche Mark für seine
03:08Freiheit zahlte, aus dem Gefängnis entlassen. Jahre später, lange nach dem Fall der Berliner Mauer,
03:14begegnete er einem ehemaligen Stasi-Offizier in einem Berliner Kaufhaus. Dieses bittere Erlebnis
03:19veranlasste ihn schließlich dazu, Führungen zu geben, öffentlich über seine Vergangenheit
03:24und die Tatsache zu sprechen, dass viele ehemalige Stasi-Beamtinnen nie belangt wurden
03:29und bis heute wenig Reue für ihre früheren Taten zeigen.
03:34Für junge Menschen ist die DDR so weit weg wie das Römische Reich geschichtlich.
03:39Und je länger die DDR weg ist, die zweite deutsche Diktatur, desto positiver wird sie manchmal
03:45im Denken. Und ich kann dir zeigen, was Diktatur anrichtet, was sie mit Menschen macht, wie sie
03:52sie foltert und was sie für Leid hinterlässt. Niemand, der hier inhaftiert war, in diesem
03:58Gefängnis kam als gleicher Mensch wieder raus.
04:01Ich war schon in anderen Gefängnismuseen, wie zum Beispiel Alcatraz in San Francisco.
04:06Aber ich muss sagen, dass ich nirgendwo dieses Gefühl der Unterdrückung so nachempfinden
04:10konnte, wie in diesem Stasi-Gefängnis.
Schreibe den ersten Kommentar
Kommentar hinzufügen

Empfohlen

0:36
Als nächstes auf Sendung