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Zoonosen: Könnte eine neue Pandemie aus dem Hinterhof kommen?
DW (Deutsch)
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vor 2 Tagen
Forscher warnen: Zoonosen könnten die nächste Pandemie auslösen. Warum Haustiere ein Risiko bergen und warum in Greifswald Zwergseidenhühner auf dem Labortisch landen.
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00:00
Dieses Zwergseidenhuhn muss eine gründliche Untersuchung über sich ergehen lassen.
00:08
Wieso sich die Wissenschaft für Haustiere wie eben dieses Huhn interessiert
00:12
und was das mit möglichen Pandemien zu tun hat, das erzählen wir in diesem Film.
00:17
Los geht's!
00:22
Ich würde gern im Rahmen der Untersuchung auch Proben nehmen bei Ihren Hühnern.
00:27
Am Anfang der Prozedur Aufklärung.
00:30
Huhnbesitzer Marcel Tschollek muss den Untersuchungen nämlich zustimmen.
00:34
Und alles schauen wir immer so, wie es passt und geht.
00:36
Es sind Tiere, wir machen nichts auf Zwang.
00:39
Manchmal bekommt man auch keine Probe, aber wenn es generell in Ordnung ist, dann bitte ja und kreuzen.
00:46
Dann geht's zum Hühnerstall.
00:49
Alle Daten aus der Untersuchung der insgesamt drei Zwergseidenhühner von Marcel Tschollek
00:53
gehen in die sogenannte SHIP-Studie ein.
00:56
SHIP, das steht für Study of Health in Pomerania.
01:01
Zu dieser spannenden Gesundheitsstudie später noch mehr.
01:05
Erstmal die Frage an Marcel, warum er mitmacht.
01:07
Wir haben jetzt auch immer die Situation, wir leben so halbwegs in der Natur, viele Bäume,
01:12
letztendlich auch viele Vögel.
01:14
Das heißt auch fremde Vögel picken sozusagen die Körner der Hühner weg.
01:18
Deswegen ist immer relativ viel Fluktuation, viele Wildtiere, Wildvögel sind hier aktiv.
01:26
Und das ist natürlich auch mal ganz interessant im Rahmen der Studie mal zu erfahren,
01:29
haben die Tiere vielleicht irgendwelche, die Haustiere, irgendwelche Krankheiten von Wildtieren bekommen.
01:35
Marcel muss seine Hühner nicht in die Praxis bringen, das Labor kommt zu ihm.
01:39
Die Tierärztin kann so auch sehen, wie die Haltungsbedingungen sind.
01:45
Ist der Stall sauber, gibt es genügend Licht und so weiter.
01:50
Und das ist die Tierärztin Astrid Puppe.
01:53
Sie untersucht die Haustiere der Studienteilnehmer.
01:55
In der SHIP One Health Studie untersuchen wir die komplexe Beziehung zwischen der Gesundheit von Haustieren und Menschen
02:06
und welchen Einfluss die Umwelt hat.
02:10
Es geht zum Beispiel um Infektionserreger, die zwischen Tier und Mensch übertragen werden können, sogenannte Zoonosen.
02:19
In der SHIP One Health Studie testen wir auch auf Vogelgrippeviren.
02:23
Das ist etwas knifflig, denn das Virus kann mutieren und Artengrenzen überwinden, was wir am meisten befürchten.
02:30
Es gab Fälle in Großbritannien, in denen ein Schaf infiziert war.
02:34
Und ich glaube, in den USA oder sogar auch hier zeigten Milchkühe keine klinischen Symptome,
02:39
aber man fand das Virus in der Milch.
02:42
Daher ist es gut, im Auge zu behalten, wo sich das Virus befindet und was passiert.
02:49
Wir sind in Greifswald.
02:50
Das ist eine alte Hansestadt in Mecklenburg-Vorpommern im Nordosten Deutschlands und eine Universitätsstadt.
02:59
Seit 1997 werden hier Erwachsene regelmäßig untersucht, für die bereits erwähnte SHIP-Studie.
03:06
Die ist in Forscherkreisen international bekannt und die weltweit umfangreichste Langzeitstudie,
03:11
sagt Henry Völzke, Leiter der Studie und Mediziner.
03:19
Wir haben das umfassendste Untersuchungsprogramm, das jemals in einem bevölkerungsbezogenen Projekt durchgeführt wurde.
03:26
Die Menschen verbringen 25 Stunden in unseren Gesundheitszentren.
03:31
Es gibt viele Untersuchungen, allesamt nicht-invasiv. Und unser Fokus liegt auf subklinischen Erkrankungen.
03:40
Subklinisch bedeutet, es gibt nur milde Krankheitszeichen.
03:43
Oder Störungen, die eigentlich keine Krankheiten sind, sondern Vorläufer.
03:48
Wir möchten die Entwicklung von subklinischen Störungen zu Krankheiten beobachten.
03:53
Eine Besonderheit von SHIP ist, dass es sich nicht auf bestimmte Krankheiten konzentriert,
03:58
wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes.
04:01
Wir versuchten, alle häufigen Krankheiten in eine Studie einzubeziehen.
04:05
Daher ist es ein sehr komplexes Projekt.
04:10
In dieser Runde sind erstmals Haustiere Teil der Untersuchung.
04:15
Das muss ich dicht machen, der ja. Richtig dicht, warte.
04:18
Wenn sie sich denn einfangen lassen.
04:23
Die Forscher wollen herausfinden, wie es sich auf die Gesundheit des Menschen auswirkt,
04:30
wenn er ein Haustier hält.
04:33
Oder wie Haltung und Fütterung aussehen sollten,
04:37
damit das Übertragungsrisiko von Krankheitserregern verringert werden kann.
04:40
Neben Abstrichen und Kotproben wird das Zwergseidenhuhn äußerlich untersucht.
04:58
Wie sehen die Flügel aus, wie das Gefieder, sind Schnabel und Hals gesund und die Augen.
05:09
Die Augen sehen gesund aus, dann kommen die Ohren dran.
05:15
Die Ohren sind eher von Federn verdeckte Öffnungen.
05:21
Die werden als Ohrscheiben bezeichnet.
05:27
Welche Krankheitserreger stehen im Fokus?
05:32
Wir suchen vor allem nach dem Erreger Campylobacter jejuni.
05:37
Es kann beim Menschen zu Fieber und Durchfall führen.
05:41
Das Bakterium wird durch ungenügend erhitztes Geflügelfleisch übertragen.
05:46
Die Tiere zeigen in der Regel keine Symptome.
05:50
Manchmal haben sie Durchfall, aber nicht in allen Fällen.
05:53
Wenn Menschen sich damit anstecken,
05:55
können sie wirklich schlimmen Durchfall bekommen und müssen ins Krankenhaus.
05:59
In den meisten Fällen ist nicht klar, woran Menschen leiden.
06:01
Und auch darauf möchten wir aufmerksam machen.
06:08
Vielleicht könnten wir eine bessere Zusammenarbeit
06:11
zwischen Humanärzten und Tierärzten anstreben,
06:14
um uns über auftretende Krankheiten auszutauschen.
06:17
Ich hatte kürzlich einen Patienten,
06:19
der ins Krankenhaus eingeliefert wurde und nicht wusste, was los war.
06:23
Nach drei Wochen wurde ein Test auf den Erreger durchgeführt
06:25
und später stellte sich heraus, dass dieser ebenfalls von einem Huhn stammte.
06:29
Noch eine Blutprobe, dann ist dieses Zwergseidenhuhn erlöst.
06:39
Neben Hühnern landeten auch Enten, Gänse, Tauben, Katzen und Hunde
06:44
auf dem Untersuchungstisch.
06:46
Die Proben gehen u.a. an das Friedrich-Loeffler-Institut.
06:50
Es liegt abgeschieden auf der Insel Riems,
06:53
wurde vor über 100 Jahren gegründet
06:55
und dient der Erforschung der Tiergesundheit.
06:57
Bevor die Proben analysiert werden können,
07:02
müssen sie aufbereitet werden.
07:05
Das ist nun nicht immer ekelfrei,
07:09
wie bei dieser Probe Hundekot.
07:11
Aber Wissensdrang muss so was wie Ekel überwinden.
07:18
Unter dem Mikroskop eine andere Probe,
07:20
die mit Parasiten belastet ist.
07:22
Die Probe stammt von einer Katze.
07:30
So süß unsere Haustiere sind,
07:32
sie können eben auch Krankheitserreger übertragen.
07:35
Eine Katze scheidet in den 10 bis 14 Tagen
07:38
ihrer Infektion Millionen von Erregern aus.
07:43
Die Forscher haben den Erreger der Infektionskrankheit
07:45
Toxoplasmose unterm Mikroskop entdeckt.
07:48
Toxiplasma gondii.
07:50
Ein Parasit, der meist durch Katzen übertragen wird.
07:54
Laut WHO ist ein Drittel der Weltbevölkerung infiziert.
07:58
Beim Menschen verläuft die Infektion oft asymptomatisch.
08:03
Das heißt, wir sehen eigentlich keine Auswirkungen der Infektion.
08:06
Die eigentliche Sorge besteht jedoch darin,
08:08
dass eine Infektion bei schwangeren Frauen,
08:10
je nach Schwangerschaftsstadium,
08:12
schwerwiegende Folgen für den Fötus haben kann.
08:16
Daher rührt unsere eigentliche Sorge
08:18
in Bezug auf Toxoplasma gondii.
08:22
Das ist Johanna Dubs-Bergmann.
08:24
Sie ist Epidemiologin und auf Parasiten spezialisiert.
08:28
Wie lässt sich eine Infektion mit Erregern
08:32
wie Toxoplasma gondii vermeiden?
08:35
Die Forscher publizieren ihre Erkenntnisse
08:37
nicht nur für die Wissenschaft.
08:39
Sie informieren auch die Haustierbesitzer, geben Tipps.
08:44
Das Ziel, Zoonosen verhindern.
08:48
Von allen neu auftretenden Infektionskrankheiten
08:51
stammen etwa 75% aus einem tierischen Reservoir.
08:55
Es handelt sich um zoonotische Krankheiten.
08:58
Rein zahlenmäßig ist die Wahrscheinlichkeit groß,
09:00
dass die nächste Pandemie aus einem tierischen Reservoir
09:03
oder einer Infektion oder Krankheit stammt,
09:05
die derzeit Tiere tötet
09:07
und in der Lage ist,
09:08
die Artengrenze zum Menschen zu überschreiten.
09:10
Hier kommt das Konzept One Health ins Spiel,
09:14
das besagt, dass wir diese Infektionskrankheiten
09:17
nicht mehr isoliert betrachten können.
09:19
Wir müssen sie ganzheitlicher betrachten.
09:21
Die Gesundheit der Menschen
09:23
können wir nur über die Gesundheit der Tiere
09:26
und der Umwelt schützen.
09:28
Denn all diese Elemente wirken zusammen,
09:31
sodass etwas die Artengrenze überschreiten
09:33
und zu einer weiteren Pandemie oder Ähnlichem werden kann.
09:42
Zurück zu unseren Zwergseidenhühnern.
09:45
Gut eine Stunde hat die Untersuchung gedauert.
09:49
Insgesamt wurden für die Studie 1100 Haustiere untersucht.
09:53
Es macht viel Arbeit, möglichen Krankheitsausbrüchen vorzubeugen.
09:58
Gelingt es, bleibt der Erfolg unbemerkt.
10:02
Astrid Puppe sind zwei Dinge besonders aufgefallen.
10:05
Erstens, der Bedarf an Aufklärung bei den Haustierhaltern ist groß.
10:09
Über Impfungen, Parasitenbefall oder auch die Entwurmung der Tiere.
10:13
Und zweitens ...
10:14
Wir haben viele Hühnerhalter in der Stadt,
10:20
die ihre Hühner einfach im Hinterhof halten.
10:22
Im Hinblick auf einen Ausbruch ist das wirklich interessant,
10:25
denn man würde eigentlich nie mit einem Ausbruch der Vogelgrippe
10:28
in einer Stadt rechnen,
10:29
eher auf dem Land.
10:33
Und das war für mich in dieser Studie wirklich interessant,
10:36
zu sehen, wo Hühner gehalten und untergebracht werden.
10:39
Wir geben auch Feedback an die Veterinärbehörde.
10:45
Und aus meiner Sicht könnte es eine Verbesserung geben,
10:48
diese Hühnerhalter, die in der Stadt leben, stärker zu begleiten.
10:55
Mit der Untersuchung der Zwergseidenhühner
10:58
ist die Tierärztin zufrieden.
10:59
Zum Schluss der Untersuchung gibt es noch eine erste Auswertung.
11:12
Die Hühner von Marcel Tschollek sind äußerlich gesund.
11:16
Nun müssen nur noch die Proben im Labor untersucht werden.
11:19
Wenn ich etwas Spezielles finde, rufe ich den Besitzer an.
11:25
Wenn nicht, dann bekommt er die Ergebnisse in ein paar Wochen per Post.
11:29
Im Hühnerstall gibt es wieder andere Dinge zu tun.
11:42
Ist gut, wir sind ja schon weg.
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