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  • vor 2 Tagen
Wie Frauen im Donbass unter Sirenen und ohne medizinische Versorgung entbinden.

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Transkript
00:00Die Bedrohung ist allgegenwärtig.
00:10Nur wenige Kilometer von der Front entfernt, auch hier beginnt neues Leben.
00:16Die letzte Geburtsklinik im Donbass.
00:19Bettende Mütter aus der Region kommen hierher, trotz Drohnenangriffen, Stromausfällen und Luftalarmen.
00:25Nach fast vier Jahren Krieg ist das für sie Routine.
00:30Gestern gab es, ich glaube, dreimal Luftalarm.
00:35Wenn die Sirenen heulen, werden die Keller zu Schutzräumen.
00:39Weggehen? Für viele keine Option. Nicht jetzt.
00:45Wir arbeiten einfach weiter. Wir können nichts daran ändern, dass es ständig Angriffe gibt.
00:51Mitten im Krieg bleiben Familien und Kinder werden geboren.
01:00Ein neues Leben beginnt.
01:10Anastasias Baby ist eines von 40, die hier jeden Monat geboren werden.
01:15Nur wenige Kilometer von der Front entfernt, in der Ostukraine.
01:18Es ist ihr erstes Kind.
01:22Sie wünschten sich ein Baby und der Krieg sollte sie nicht davon abhalten, Eltern zu werden.
01:27Es ist ein Mädchen.
01:29Arisha, es ist so ein Glück, ein Kind zu bekommen. So ein kleines Baby.
01:34Mein Mann und ich haben lange gewartet.
01:36Wir wollten unbedingt ein Mädchen.
01:37Und jetzt ist sie da.
01:38Sie leben noch näher an der Front. Für die Geburt sind sie hierher gekommen.
01:46Ihre Stadt hatte früher ein eigenes Entbindungskrankenhaus.
01:49Aber das wurde wegen der vielen Angriffe und schwerer Schäden geschlossen.
01:57Wladimir Ivanenko ist der Direktor des Krankenhauses.
02:00Ich will von ihm wissen, wie groß das Gebiet ist, das dieses Krankenhaus jetzt abdecken muss.
02:07Es ist der gesamte Donbass.
02:09Die heftig umkämpfte Region entlang der Frontlinie.
02:13Strategisch wichtig, es gibt hier viel Industrie und eine Menge Bodenschätze.
02:17Die Sicherheitslage hat sich verschlechtert.
02:26Es gibt fast täglich Beschuss.
02:28Meistens wird das Industriegebiet angegriffen.
02:31Es ist klar, das ist das Ziel, aber auch private Gebäude werden getroffen.
02:36Die Menschen verlassen die Region.
02:38Es ist kein Geheimnis, dass auch Ärzte gehen.
02:41Dieses Krankenhaus ist jetzt die letzte Zuflucht für werdende Mütter.
02:50Obwohl auch diese Stadt täglich angegriffen wird.
02:53Mit Raketen, Gleitbomben und verschiedenen Drohnenarten.
02:58Aus Sicherheitsgründen können wir den genauen Standort des Krankenhauses nicht nennen.
03:02Wir dürfen das Gebäude auch nicht von außen filmen.
03:05Wir befinden uns etwa 20 Kilometer von der sogenannten Linie Null, der Frontlinie entfernt.
03:12Früher gab es wenigstens vier Entbindungskrankenhäuser in der Region.
03:15Sie mussten schließen.
03:17Die Region Donbass ist seit 2014 umkämpft und seither ein zentraler Kriegsschauplatz.
03:24Viele Städte sind heute militärische Knotenpunkte und damit häufige Ziele.
03:29Die Folge Zerstörung, Trümmer, verlassene Häuser.
03:36Viele Menschen sind hier ums Leben gekommen.
03:39Eine Nation in Trauer.
03:41Nach wie vor fliehen Menschen von hier, aber nicht alle können sich teure Mieten in der Westukraine oder im Ausland leisten.
03:50Also halten sie durch und leben ihr Leben weiter, bis es nicht mehr geht.
03:55Aber mit einem Baby?
04:00Wir bleiben so lange wie möglich zu Hause.
04:05Wenn es für mich, meinen Mann oder das Baby nicht mehr geht, dann gehen wir.
04:10Aber um zu gehen, müssen wir wissen, wohin.
04:13Mit einem kleinen Kind.
04:16Eine Wohnung in der Ukraine ist sehr teuer.
04:18Sie betreiben eines der wenigen Cafés, das noch geöffnet ist in ihrer Stadt, nur 15 Kilometer von der Front entfernt.
04:32Im Moment sind sie entschlossen, sie werden nicht gehen.
04:36So wie sie sich auch nicht davon abhalten ließen, ein Kind zu bekommen.
04:39Die Zeiten sind hart, aber wir dürfen den Kinderwunsch nicht aufgeben.
04:46Olga ist Gynäkologin.
04:52Als die russische Invasion 2022 begann, ging sie zum Militär und arbeitete über drei Jahre auf einem Stützpunkt.
05:00Erst vor wenigen Tagen ist sie zurückgekehrt.
05:08Sie fragten mich, willst du wirklich ins Kriegsgebiet als Gynäkologin?
05:12Ich sagte ja.
05:14Natürlich ist das ein anderes Leben, aber ich wollte meinem Land auf jede erdenkliche Weise helfen.
05:19Meine Hauptaufgabe war in einer Evakuierungseinheit.
05:22Wir stabilisierten die Verletzten und evakuierten sie in andere Teile der Ukraine.
05:26Kugeln, Splitter, eine Granate, die in der Hand eines Soldaten explodiert.
05:33Die Bilder, die sie mir zeigt, sind schwer zu ertragen.
05:36Den Tod aufhalten und jetzt neues Leben schenken.
05:40Ein harter Kontrast.
05:42Olga arbeitete auch während des Angriffs 2022 in diesem Krankenhaus.
05:47Die Stadt hielt stand und wurde nicht noch einmal besetzt, wie schon 2014.
05:52Viele sagen, das war der Beginn des Donbass-Krieges.
05:56Doch jetzt gibt es neue Herausforderungen.
06:03Es arbeiten viel weniger Menschen hier als vor dem Krieg.
06:06Wir sind die einzige Geburtsklinik in der Region und es gibt nicht genug Personal.
06:13Gynäkologinnen werden hier dringend gebraucht.
06:16Deshalb ist Olga zurückgekommen, um zu helfen.
06:19Einige ihrer früheren Kolleginnen sind ebenfalls noch hier, wie Olena, die Oberschwester, die seit fast 40 Jahren in diesem Krankenhaus arbeitet.
06:28Wir haben zwar nicht mehr so viele Geburten wie früher, aber das ist jetzt unser Leben und wir müssen weitermachen.
06:37Wenn Frauen aufhören würden, Kinder zu bekommen, gäbe es kein neues Leben.
06:44Olga, Olena und ihr Team bringen fast jeden Tag Babys zur Welt.
06:48Sie können spontane Geburten durchführen und sogar Notkaiserschnitte, selbst unter schwerem Beschuss.
06:57Hier herrschen die richtigen Bedingungen.
07:03Es gibt einen voll ausgestatteten Luftschutzkeller.
07:06Es gibt einen Operationstisch, einen Kreissaal, Betten für Mütter und Babys.
07:10Wir können auch Notoperationen durchführen.
07:12Es gibt Medikamente, medizinische Instrumente, Vorräte an Essen und Wasser.
07:17Alles, was wir brauchen.
07:18Wir arbeiten weiter.
07:19Wir können nicht ändern, dass es dauernd Explosionen gibt.
07:22Man geht die Straße entlang und vielleicht explodiert etwas ganz in der Nähe.
07:26Aber man achtet nicht mehr drauf.
07:28Es ist wie ein ständiges Hintergrundrauschen.
07:35Wir dürfen den Schutzraum nicht betreten.
07:38Diese Bilder stammen von Anastasia, der jungen Mutter.
07:44Vor einigen Wochen wurde das Krankenhaus schwer angegriffen.
07:48Raketen schlugen nur wenige Meter entfernt ein.
07:50Schwankere Frauen und das Personal rannten in den Schutzraum.
07:54Stunden später zerbrochene Fenster, überall Glasscherben.
07:58Ein alltägliches Risiko.
08:00Und jeder hier kennt es.
08:03Einen Tag nach unseren Dreharbeiten wird das Krankenhaus erneut angegriffen.
08:12Tanjas Baby wurde heute Morgen geboren.
08:14Es ist nur wenige Stunden alt.
08:16Ein Junge.
08:22Er heißt Alexander und ist ihr viertes Kind.
08:26Auch dort, wo sie leben, sind Angriffe nichts Neues.
08:29Bei den Nachbarn über uns sind die Fensterscheiben zersplittert.
08:33Darum haben wir unsere mit Sperrholz abgedeckt.
08:36Manchmal hören wir die Explosion gar nicht mehr.
08:38Aber nachts wird es oft sehr laut.
08:40Dann gehen wir mit den Kindern in den Flur, weit weg von den Fenstern.
08:42Für sie gibt es auch einen patriotischen Grund.
08:47Gerade jetzt sei es wichtig, in der Ukraine Kinder zu bekommen.
08:51Meine ganze Familie, mein Vater und meine Mutter sind Ukrainer.
08:54Auch ich bin Ukrainerin.
08:55Und alle meine Kinder sind ebenfalls Ukrainer.
08:59Ein neuer ukrainischer Junge.
09:02Geboren in Zeiten des Krieges.
09:03Trotz Krieg sagt Katharina, sie habe Glück.
09:08Das Krankenhaus ist in der Nähe.
09:10Sie kommen regelmäßig zur Kontrolle.
09:13Heute, um den Herzschlag des Babys zu hören.
09:16Es ist ihr siebtes Kind.
09:17Das sei Glück, sagt sie.
09:20Unser Termin ist im November.
09:22Wir wissen nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird.
09:25Es soll eine Überraschung sein.
09:26Wir treffen die ganze Familie auf dem Spielplatz.
09:43Bomben krollen im Hintergrund.
09:46Aber sogar die Kinder reagieren kaum.
09:48Es ist unmöglich, sich zu verstecken.
09:54Wenn die Kinder Online-Unterricht haben
09:56und wir hören die Einschläge oder Drohnen,
09:58die über unser Haus fliegen,
10:00dann gehen wir offline
10:01und bleiben in unserem kleinen Flur ohne Fenster.
10:04Das ist unser Schutzraum.
10:06Verstecken ist unmöglich.
10:09Ja, wir haben Angst.
10:11Aber wir müssen mutig sein.
10:18In der gesamten Ostukraine lernen Kinder online von zu Hause aus.
10:22Die Schulen wurden zu Beginn der Invasion geschlossen
10:25und bleiben es bis zum Ende des Krieges
10:27oder zumindest bis zu einem Waffenstillstand.
10:33Bei Angriffen gehen die Lehrer in den Schutzraum.
10:36Sie tun so, als wäre nichts.
10:37Aber ich glaube, sie haben genauso Angst wie wir.
10:41Als der Krieg begann, ist die Familie nach Dänemark geflohen.
10:45Aber sie hatten Schwierigkeiten, sich anzupassen,
10:47wurden nicht akzeptiert.
10:52Es ist schwer wegzuziehen.
10:54Innerhalb der Ukraine oder ins Ausland.
10:57Am Ende ist es doch so, zu Hause ist zu Hause.
11:00Auch wenn zu Hause bedeutet, in einem Kriegsgebiet zu leben.
11:05Sascha muss als Vater von mehr als drei Kindern
11:07keinen Wehrdienst leisten.
11:10Er sagt, inzwischen sei jeder in der Ukraine ein Militärexperte.
11:13Die Kinder sind an die Geräusche gewöhnt.
11:21Sie können sogar erkennen, ob es nah oder weit weg ist.
11:26Das Leben geht weiter.
11:28Zwischen Luftalarm, Angriffen und Verteidigung.
11:34Eine Normalität, die viele hier akzeptieren müssen.
11:38Zurück im Krankenhaus.
11:47Anastasia wird entlassen.
11:49Mit der kleinen Alicia darf sie nach Hause.
11:52Alle vier Großeltern kommen,
11:54um das neue Familienmitglied willkommen zu heißen.
11:57In einer Welt geprägt von Bomben und unterirdischen Schutzräumen.
12:01Später erzählt uns Anastasia, sie hoffe, der Krieg werde bald enden.
12:08Und dass er nur eines von vielen Kapiteln in den Geschichtsbüchern sein werde.
12:13Dann, wenn ihre kleine Tochter in die Schule kommt.
12:16Dann, wir sehen uns aufpassen.
12:29Damit war's.
12:35Hier bin ich.
12:38Über two.
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