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  • vor 1 Woche
Wie kann man die seelischen Wunden, die der Krieg hinterlassen hat, heilen? Ehemalige ukrainische Kriegsgefangene wagen einen besonderen Schritt.

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Transkript
00:00Von Kriegsgefangenen zu Bergsteigern.
00:08Die Reise dieser ukrainischen Soldaten ist mehr als nur eine Wanderung in den Alpen.
00:14Diese Männer waren in russischer Gefangenschaft, von drei Monaten bis zu drei Jahre lang.
00:20Sie alle sind Ehemänner und Väter.
00:23Gemeinsam mit Veteranen und Freiwilligen aus aller Welt lernen sie, wie man Berge bezwingt,
00:28wie man seelische Narben heilt und wie man Familienbeziehungen repariert, die durch den Krieg kaputt gingen.
00:46Kapron in den österreichischen Alpen.
00:49Hier lernen 14 ukrainische Veteranen eine Woche lang Bergsteigen mit therapeutischer Begleitung.
00:55Einige waren Berufssoldaten. Für sie begann der Krieg bereits früher.
01:01Viktor Ischenko aus der Region Charkiv aber war Zivilist und meldete sich 2022 freiwillig,
01:08um sein Land nach dem russischen Überfall zu verteidigen.
01:12Als der Krieg begann, habe ich erstmal meine Familie in Sicherheit gebracht.
01:16Bevor ich gegen den Feind kämpfen wollte, war es mir wichtig, dass meine Familie nicht in Gefahr ist.
01:21Ich wurde im April eingezogen. Anfang Mai war ich an der Front bei Luhansk.
01:35Ende Juni wurde ich gefangen genommen.
01:36Während eines Gefechts war ich am Unterschenkel verletzt worden.
01:50Es passierte bei einem Artillerieangriff. Wir waren vom Feind eingekesselt.
01:54Viele wurden schwer verletzt. Wir versuchten uns zurückzuziehen, aber ich konnte wegen meiner Verletzung nur kriechen
02:09und schaffte es nicht raus aus dem Kessel. So wurde ich schließlich gefangen genommen.
02:14Sie drohten mich zu töten, richteten ständig Waffen auf mich, luden und entluden sie, schossen neben meinen Kopf oder in die Luft.
02:34Sie drohten mir, aber ließen mich am Leben.
02:37Ich hatte immer den tiefen Glauben, dass ich nach Hause zurückkehren würde.
02:45Ich war mir sicher, dass meine Liebsten in Sicherheit waren.
02:51Dieser Glaube hat mich getragen.
02:53Ich wusste in meinem Herzen, dass ich dann freikommen würde, wenn ich es am wenigsten erwarten würde.
02:58Ich schlief gerade, da kamen sie in die Baracke, riefen meinen Namen und sagten, ich solle meine Sachen packen.
03:11Viele von uns glaubten, dass wir in ein anderes Gefängnis verlegt würden, tiefer nach Russland, vielleicht auf die Krim.
03:22Auf dem Transport schlugen sie uns und drohten mit ihren Waffen. Immer wieder haben sie durchgeladen.
03:27Sie machten uns Angst.
03:31Wir waren fast 24 Stunden unterwegs.
03:36Meine Frau hatte in den Nachrichten davon gehört, dass ein Gefangenenaustausch bevorstand.
03:43Ich hatte ihre Telefonnummer die ganze Zeit im Kopf.
03:48Ich hatte solche Angst, dass meine Tochter mich nicht mehr erkennen würde.
03:52Sie war ja erst zwei Jahre alt gewesen, als ich ging.
03:57Aber es war so ein glücklicher Moment, als ich sie wieder sah.
04:00Ich werde ihn nie vergessen, mein Leben lang nicht.
04:02Das Programm für ehemalige Kriegsgefangene wurde von der Mountain Seed Foundation ins Leben gerufen.
04:15Eine gemeinnützige Organisation.
04:17Veteranen aus den USA und Europa leiten sie.
04:20Die Organisatoren fühlen eine tiefe Verbundenheit mit der Ukraine.
04:25Viele von ihnen sind selbst durch Kriegserfahrungen traumatisiert.
04:29Wir alle fühlen uns auf irgendeine Weise zu den Bergen hingezogen.
04:36Sie waren schon immer ein Ort der Heilung, aber auch eine Herausforderung.
04:40Man schaut einen Berg an und man fragt sich, wie es wäre, ihn zu besteigen.
04:44Ich denke, das steckt in uns allen.
04:46Es ist wichtig für die ukrainischen Veteranen, dass andere Kämpfer ihre Erfahrungen teilen.
04:56Aber ihre Geschichten wiegen schwer.
04:59Ich habe Zweifel, dass wir in den westlichen Ländern die Grausamkeit des Aggressors wirklich verstehen.
05:11Veteranen, die andere Veteranen unterstützen.
05:13Damit geben wir etwas zurück.
05:15Wir erkennen damit an, dass ihr Kampf ein gerechter ist.
05:18Es ist auch ein Weg, unsere eigenen seelischen Wunden zu heilen.
05:22Die haben viele von uns, denn wir haben in Kriegen gekämpft, die nicht hätten geführt werden sollen.
05:29Nathan hat es sehr viel gebracht, in den Bergen zu sein.
05:34Sie bedeuten ihm sehr viel.
05:37Ich persönlich liebe das Klettern.
05:41Aber therapeutisch gesehen ist es ein Aufmerksamkeitstraining.
05:45Alles andere tritt in den Hintergrund.
05:50Man blendet Probleme aus oder das, was zu Hause passiert.
05:54Man ist nur damit beschäftigt, sein eigenes Leben zu retten.
05:58Es hilft, achtsam zu sein, wirklich präsent zu sein, geerdet durch das, was man berührt.
06:08Es hat also einen großen therapeutischen Wert, den andere Sportarten vielleicht nicht in gleicher Weise bieten.
06:13Nicht nur die Ex-Soldaten sind nach Österreich gereist, wegen der heilsamen Wirkung des Bergsteigens.
06:22Das Programm richtet sich an ganze Familien.
06:25Alle 14 ehemaligen Kriegsgefangenen werden von ihren Ehefrauen und Kindern begleitet.
06:30Auch sie haben sehr unter dem Krieg gelitten.
06:33Diese Männer haben kaum über ihre Erfahrungen gesprochen.
06:41Sie kehren zurück zu Familien, die sehnsüchtig gewartet, gebetet und auf ihre Freilassung hingearbeitet haben.
06:48Aber sie kommen als Fremde zurück.
06:54Die klinische Psychologin Dr. Amit Oren hat das Therapieprogramm entwickelt für die traumatisierten Soldaten und ihre Familien.
07:04Es sind die Ehefrauen, die die Hauptlast tragen. Und meistens schweigen sie.
07:12Sie denken, sie müssten glücklich und dankbar sein, den Ehemann endlich wiederzuhaben.
07:18Aber die Soldaten kommen als Menschen zurück, die man nicht wiedererkennt.
07:27Die Frauen schämen sich. Sie trauen sich nicht, über diese Belastungen zu sprechen oder sich gar zu beklagen, weil sie doch einfach nur froh sein sollten.
07:35Ein Großteil unserer Arbeit besteht darin, einen Weg zu finden, diesen Fremden wieder in die Familie aufzunehmen.
07:52Eine der Frauen, die diese Herausforderung gerade durchmacht, ist Natalia.
07:57Ihr Mann war mehrere Jahre an der Front und einige Monate in Gefangenschaft.
08:02Er hat nicht mehr gelächelt. In der Gefangenschaft hat er sein Lächeln verloren und all seine Gefühle.
08:122022. Nach verzweifelten Wochen im Kessel im Azov-Stahlwerk von Mariupol, bekommen Bohdan und seine Kameraden den Befehl aus Kiew, sich zu ergeben.
08:25Alle Kriegsgefangene haben unterschiedliche Erfahrungen aus der Gefangenschaft, denn es gibt verschiedene Gefängnisse.
08:36Aber sie sind alle unmenschlich.
08:42Also sie halten uns nicht für Menschen. Wir sind nicht Menschen für sie.
08:47Meine Gefühle haben nicht sofort zurückgekehrt.
08:56Das geschieht kontinuierlich, dass ehemalige Gefühle zurückkehren.
09:04Vielleicht Monate und sogar Jahre dauert es, um wirklich zurückzukehren.
09:09Nicht nur körperlich, sondern auch geistlich.
09:12Ich versuche es immer noch zurückzukehren.
09:17Vielleicht hat es mir auf 90 Prozent gelangt.
09:21Ich glaube, hier hat er wieder zu sich selbst gefunden.
09:28Die Leute haben gesagt, dass er gelächelt hat. Tag für Tag hat er gelächelt.
09:33Eine Woche reicht allerdings nicht aus, um tiefsitzende Traumata aufzuarbeiten.
09:41Stattdessen hoffen die Therapeuten, positive psychologische Gewohnheiten zu fördern.
09:46Sie ermutigen ihre ukrainischen Gäste, ihre Stärken wahrzunehmen und zu pflegen.
09:52Und sich auf Freudiges zu besinnen und auf ihren Stolz.
09:56All das wird durch ihre Leistungen als Bergsteiger unterstützt.
09:59Manche Herausforderungen werden dann etwas ganz Besonderes, wenn Familien sie gemeinsam meistern.
10:07Etwa der Versuch, einen 100 Meter hohen Staudamm zu erklimmen.
10:11Ich möchte eine Geschichte von Sofia erzählen.
10:22Es war 2022, bevor ich zur Armee ging, bevor ich mich entschied, an die Front zu gehen und unser Land zu verteidigen.
10:34Ich wollte ins Auto steigen und hatte es sehr eilig. Sofia war damals zwei Jahre alt.
10:46Als ich losfahren wollte, sagte Sofia zu mir, Papa, sei vorsichtig.
10:53Diese Worte waren mein Rettungsanker.
11:01Immer wenn ich mich verloren fühlte oder in Gefahr geriet, erinnerte ich mich an diese Worte.
11:07Ich bin allen sehr dankbar, die sie unterstützt haben. Sie ist mein kleiner Schutzengel.
11:19Dieses kleine Mädchen, sie ist jetzt fünf Jahre alt, hat sich freiwillig gemeldet und dann erzählte sie vor all den Menschen.
11:40Sie sagte, Papa, heute ist mir dasselbe passiert.
11:47Als ich Angst hatte zu klettern, da hast du zu mir gesagt, sei vorsichtig.
11:54Wir wollen dich bei uns haben.
11:56Wir helfen dir, das zu schaffen.
12:02Und, sie sagte zu ihrem Vater, diese Worte hatte ich im Kopf und die haben mir geholfen, den Aufstieg zu schaffen.
12:10Der Vater, der die Hölle durchlebt hatte, nahm seine Tochter in die Arme, lehnte sich an seine Frau und für einen Moment waren sie einfach nur eins.
12:19Und sie waren whole.
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