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  • vor 5 Tagen
In Hamburg wird 2010 ein brutaler Mord an einem Taxifahrer
begangen. Mit drei Schüssen im Hinterkopf wird er tot
aufgefunden. Wir haben rekonstruiert, wie die Polizei mit
innovativen Methoden ermittelte.

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Transkript
00:00Die letzte Fahrt von Peter L. dauert nur sieben Minuten. Der Mörder sitzt auf der Rückbank.
00:10Wir sind uns alle im ganzen Team sehr schnell einig gewesen, dass wir hier eine tickende Zeitbombe suchen.
00:17Die Kommissare jagen einen Mörder, der jederzeit wieder zuschlagen kann.
00:22Es geht um den Mord an einem Taxifahrer.
00:24Es ist ein Hamburger Taxifahrer von hinten erschossen worden.
00:27Die Polizei verhandelt fieberhaft nach allen Verdächtigen.
00:40Hamburg-Nienstedten, 15. Januar 2010. In einem Taxi wird eine Leiche gefunden.
00:47Das Taxameter läuft noch. Es zeigt 296 Euro. Vor wenigen Minuten hat die Mordkommission den Tatort übernommen.
00:55So, wollen wir mal kurz eben. Wir haben also hier ein Taxi-Steam mit eingeschalteter Wärmlinganlage.
01:06Auf dem Fahrersitz nach rechts rüber gekippt der Fahrer, Ex, in der Windschutzscheibe, etwa im Gesichtsfeld eines Fahrers, einen mutmaßlichen Ausschuss, ein Schussdefekt.
01:17Den Ermittlern fällt zunächst auf, dass der Schnee unter dem Auspuff großflächig weggetaut ist. Ein schlechtes Zeichen.
01:26Schnee hinterm Fahrzeug geschmolzen, das spricht eigentlich dafür, dass der Wagen schon lange dort steht, dass der Wagen lange hinten Zeit hat, mit seinen Auspuffgasen den Schnee ein bisschen zum Schmelzen zu bringen.
01:35Das heißt, wir haben also hier einen Täter, der nicht nur vor uns gestartet ist, sondern auch schon lange vor uns gestartet ist.
01:41Grundsätzlich, sag ich mal, ein sehr grummliges Bauchgefühl gehabt an dem Morgen, weil eben der Vorsprung sehr groß war.
01:47Die jahrelange Mörderjagd hat Sven und seine Kollegen vorsichtig gemacht. Deshalb möchten sie ihre Nachnamen nicht nennen.
01:53Wir haben dann noch, dort hinten, und zwar knapp außerhalb der Flatterleine, einen Handschuh.
01:57Auf dem Fußboden, ein rechter Fingerhandschuh. Das wäre dann die letzte Spurentafel.
02:05Im Schnee finden die Ermittler Reifenspuren. Das Taxi ist von der Straße auf den Gehweg gerollt und dort gegen den Zaun geprallt.
02:13Dort fanden wir dann zwei, drei Fahrzeugteile, eine Radkappe, ein bisschen weiter ein Karosserieteil.
02:18An einem Zaunpfosten war eine Beschädigung festzustellen, sodass wir also eigentlich für das, was hier geschah, ein recht gutes Bild uns bauen konnten.
02:26Das Taxi muss bei geringer Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen und gegen den Zaun geprallt sein.
02:33Die Fahrt endet an einem parkenden Auto, das durch den Zusammenprall einen halben Meter nach vorne geschoben wird.
02:40In den ersten Stunden geht es für die Ermittler darum, so viele Spuren wie möglich zu sichern.
02:45Auch wenn einige mit der Tat nichts zu tun haben dürften. Und sie müssen ein Gefühl für den Tatort entwickeln.
02:51Der liegt im Hamburger Westen, direkt an der Elbe. Die kleine Straße führt durch eine ruhige Villengegend.
02:58Hier gibt es keine Kneipen und Restaurants. Das schränkt die Zahl der möglichen Zeugen ein.
03:03Auf der einen Straßenseite sind eine Schule und ein Verwaltungsgebäude.
03:07Die Häuser auf der anderen Seite stehen in großen Gärten weit zurückgesetzt.
03:11Hier sitzt niemand am Fenster und beobachtet das Leben auf der Straße, weil es dort in der Regel wenig zu beobachten gibt.
03:18Die Anwohner fühlen sich hier in einer friedlichen, heilen Welt. Bis zu diesem 15. Januar 2010.
03:26Ich bin an dem Abend spät nach Hause gekommen, das war so gegen halb elf, und sah hier ein Taxi mit Warnblinkanlage stehen.
03:37Und dachte noch, okay, ist vielleicht eine Veranstaltung hier, hab mir nichts dabei gedacht.
03:42Und am nächsten Morgen, als ich mit dem Hund rausging, stand das Taxi immer noch mit der Warnblinkanlage da.
03:46Es war unheimlich, dass, wenn man hier abends nach Hause geht, hier ein Toter im Taxi sitzt, beziehungsweise der Täter noch frei rumläuft.
03:54Die Ermittler haben gerade den Zeugen befragt, der den toten Taxifahrer gefunden hat.
03:58Er ist Allgemeinmediziner, und er sagt, die Leichenstarre hat er schon eingesetzt.
04:04Und danach hat er auch nichts weiter gemacht und hat seinen vierjährigen Sohn erstmal mitgebracht.
04:08Neben dem Taxi finden sie frisches Blut im Schnee.
04:11Hat sich der Täter verletzt? Und welche Spuren gibt es noch?
04:17Ich sag mal, der Tatort ist für uns immens wichtig. Es ist das einzige Verbindungsteil, was wir vom Täter zu uns haben.
04:24Und wir versuchen, den Tatort mit seinen Informationen auszulesen, alles, was am Tatort zur Verfügung steht, für uns zu sichern.
04:34Dabei kommt auch ein 3D-Laser zum Einsatz, den die Hamburger Kriminaltechnik gerade neu angeschafft hat.
04:42Er friert den Tatort als Computermodell ein.
04:47Wir können im Tatort uns bewegen. Wir können theoretisch, was die Christianer-Fansen-Straße anbelangt, uns unter das Fahrzeug legen und schauen.
04:55Wir können über das Fahrzeug gehen, wir können aus der Sicht von Hausbewohnern auf den Schauplatz gucken.
04:59Das sind alles so Dinge, die wir hier auch gemacht haben.
05:02Doch die meisten Untersuchungen lassen sich vor Ort nicht durchführen.
05:06So, dann kann eigentlich jetzt der Abschweber, da ist er schon.
05:09Deshalb wollen die Ermittler den Wagen in die Kriminaltechnik bringen lassen.
05:13Inklusive Leiche und aller Spuren, die noch im Taxi sind.
05:17Ein Kamerateam ist damals vor Ort und darf die Mordermittler begleiten.
05:22Wichtig ist, dass das Auto möglichst waagerecht transportiert wird, damit im Fahrzeug alles so bleibt, wie es war.
05:27Sven und seine Kollegen versuchen, sich in die Situation im Taxi hinein zu versetzen.
05:33Ging es um Geld? Bislang steht nur fest, der Täter hat seinem Opfer von hinten in den Kopf geschossen.
05:38Man muss nicht unbedingt töten, wenn man rauben will. Das sind zwei verschiedene Komponenten.
05:44Das ist etwas, was eigentlich nicht passt. Und dann noch in dieser massiven Form.
05:48Wir haben jetzt im Moment draußen jemanden rumlaufen, der hat eine Schusswaffe, der ist zum Töten bereit, das hat er gezeigt.
05:54Und das Schlimme ist, wir haben ihn im Moment nicht unter Steuerung.
05:57Und wir haben eine Großstadt.
05:59Ja, und das gilt für uns, denen sowas von schnell von der Straße zu nehmen, das ist unglaublich.
06:05In der Mordkommission arbeitet mittlerweile ein gutes Dutzend Ermittler an dem Fall.
06:12Svens Kollege Martin beschäftigt sich mit dem sozialen Umfeld des Opfers.
06:17Denn die meisten Morde sind Beziehungstaten.
06:19Uns hat sich relativ schnell gezeigt, dass das Opfer in dem Fall in seiner Lebensführung offensichtlich den, einen recht isolierten Lebensstil sich gesucht hat.
06:33Wir haben nach unseren ersten Erkenntnissen keinen großen Freundeskreis zu erwarten gehabt.
06:38Im Zuge der Ermittlungen finden sie Spuren aus glücklicheren Tagen.
06:42Peter L. in den 80er Jahren. Er ist verheiratet und hat vier Söhne.
06:46Doch die Ehe geht irgendwann kaputt.
06:49Er zieht sich zurück und lebt sehr sparsam in einer kleinen Wohnung vor den Tyronen Hamburgs.
06:55Peter L. war ein gutmütiger Sonderling ohne Feinde oder ernste Konflikte.
07:00Und das hat uns nur mehr daran bekräftigt, dass wir hier einen Täter suchen, der keinen direkten Bezug zum Opfer gehabt hat.
07:08Die Halle der Kriminaltechnik.
07:11Moin, moin. Hallo. Moin, moin.
07:13Alle Anwesenden müssen weiße Schutzanzüge anlegen.
07:18Denn jeder Mensch verliert pro Stunde rund 40.000 Hautschuppen.
07:22Ohne die Anzüge würden die Beamten überall ihre eigene DNA hinterlassen.
07:26Zunächst suchen die Techniker nach Fingerabdrücken.
07:30Und werden fündig.
07:32Sie werden auf Klebestreifen gesichert, später gescannt und zum Abgleich ans Bundeskriminalamt geschickt.
07:39Ein Taxi ist der Albtraum eines jeden Kriminaltechnikers.
07:42Es gibt hunderte Spuren.
07:44Die meisten von unbescholtenen Fahrgästen.
07:47Dann machen die Ermittler eine erstaunliche Entdeckung.
07:49In der Fahrradtür steckt das Portemonnaie des Opfers mit dem Wechselgeld.
07:53Das spricht gegen einen Raubmord.
07:55Oder wurde der Täter gestört, bevor er ans Portemonnaie kam?
08:00Als nächstes sichern die Techniker Faserspuren.
08:03Wenn der Täter im Taxi Fasern verloren hat, werden die sich auf den Klebestreifen wiederfinden und ihn später möglicherweise überführen.
08:10Das betrifft besonders Spuren am Opfer.
08:13So wie der Tote liegt, muss er nach dem Mord an der Jacke gepackt und auf den Beifahrersatz gezogen worden sein.
08:23Die Leiche wird dicht an dicht mit durchnummerierten Streifen abgeklebt.
08:31Dann richten sie den Toten auf.
08:36Ein bisschen mehr noch, Martin. Er fällt.
08:38Jetzt brauchen wir ein Foto, auch von dieser Seite.
08:46In dieser Position muss der Taxifahrer erschossen worden sein.
08:50Der Täter saß direkt hinter ihm.
08:53Auf dem Beifahrersitz und auf der Rückbank finden die Ermittler etwas Glänzendes.
09:01Wir hatten überlegt, ob das da hinten noch eine Hülse ist.
09:04In der mittleren Pfalz hinten.
09:05Ja, da hinten ist das da.
09:10Ich glaube nicht.
09:14Wie will das? Nee, das ist ein Projektil.
09:15Ein Projektil.
09:17Eine Hülse, zwei Hülsen.
09:18Ein Projektil und ein Projektil durch die Scheibe.
09:21Und ein Steck dann, ne?
09:22Und ein Steck, das heißt, uns fehlt noch eine Hülse.
09:24Und das wäre dann vielleicht die.
09:28Möglich. Werden wir sehen.
09:30Eine Kugel hat die Scheibe von innen nach außen durchschlagen.
09:33Ein Projektil landete im Armaturenbrett.
09:37Langsam ergibt sich ein Bild des Geschehens im Innenraum des Taxis.
09:41Der erste Schuss traf den Fahrer völlig unvorbereitet in den Hinterkopf.
09:46Das Projektil prallte dann gegen die Scheibe und blieb im Auto liegen.
09:51Das zweite Geschoss traf nur zwei Zentimeter daneben und flog durch die kaputte Scheibe.
09:55Dann muss der Täter noch einmal geschossen haben, obwohl der Taxifahrer schon tot war.
10:01Doch warum diese Grausamkeit?
10:05Sven, Martin und die Kollegen suchen jetzt einen Fachmann, der sich mit Taxametern auskennt.
10:12Kannst du ihn fragen, wie man so einen Taxameter ausbaut?
10:15Ob das schnell geht?
10:16Und dann würden wir das, wenn das nicht eine Riesenoperation am offenen Herzen ist, würden wir das dann machen.
10:21Der Taxameter-Spezialist soll herausfinden, wie der Betrag von 296 Euro zustande kommt.
10:28Und vor allem, wie weit das Taxi gefahren ist.
10:31Wir haben uns bei der KTU getroffen und dann haben wir gebadet, bis wir drankamen.
10:39Das dauerte auch Stunden, fast einen halben Tag.
10:44Die Leiche lag vor dem Auto und im Auto konnte man schon sehen, wie das Blut da rumgespritzt hat.
10:52Also ganz schön extrem.
10:54Dann haben wir die Uhr ausgebaut, mitgenommen und in der Werkstatt dann ausgelesen.
10:58Gefahren ist Peter L. tatsächlich nur 3,6 Kilometer. Er brauchte sieben Minuten.
11:06Als das Auto zum Stehen gekommen war, sprang das Taxameter automatisch in den Wartemodus.
11:11Er hat die Uhr nicht mehr bedient. Die Uhr lief eigentlich weiter bis zum Stand des Autos.
11:18Und er konnte nicht mehr auf Kasse drücken, um den Kunden zur Kasse zu bitten.
11:23Also lief die Uhr weiter in dem Moment, wo er gestorben ist, wo er erschossen wurde.
11:28Mit den Daten aus dem Taxameter haben die Ermittler neue Ansätze.
11:34Sie prüfen mögliche Fahrtstrecken in der Umgebung des Tatortes.
11:38Die S-Bahn-Station Ottmarschen ist nicht schnell genug zu erreichen.
11:42Ein Strandlokal an der Elbe ist etwas zu weit weg.
11:45In der anderen Richtung gibt es ein Kino, das aber ebenfalls zu weit entfernt ist.
11:49Doch da ist noch der S-Bahnhof Blankenese.
11:52Hier passen sowohl Fahrzeit als auch Entfernung exakt.
11:56Deshalb konzentrieren sich Sven und seine Kollegen jetzt auf den Taxiposten am S-Bahnhof.
12:06Sie erfahren, dass Peter L. seine Touren oft von Blankenese aus begann.
12:10Er war vor mir um 21.30 Uhr circa.
12:16Der stande genauso wie jetzt, also vor mir.
12:20Ich stande hinter ihm.
12:21Da ist er ausgestiegen und hat eine Zigarette geraucht.
12:25Und haben jetzt zu beruhigt.
12:26Also wir haben uns alle da irgendwie so ein bisschen Gedanken gemacht, dass es für uns jeden treffen könnte.
12:32Gerade die Nachtschichtfahrer. Ich war damals auch ein Nachtschichtfahrer.
12:35Wir haben ihn natürlich alle gekannt, aber wenig mit ihm Kontakt gehabt und wenig mit ihm gesprochen, weil er einfach sehr zurückhaltend war.
12:44Peter L. fuhr auf eigene Rechnung.
12:46Er war keiner Taxizentrale angeschlossen.
12:48Deshalb hat ihn in der Tatnacht auch niemand vermisst.
12:52Wir hatten an dem Abend hier in der Nähe eine Veranstaltung, wo viele Taxen erforderlich waren, wo Taxen hinbestellt wurden.
12:59Und von daher war unser Geschädigter zu dem Zeitpunkt, als der Täter aus dem Bahnhof kam, das einzige Taxi hier.
13:07Wir hatten hier eigentlich fast gar keine Ansätze.
13:09Wenn der Täter tatsächlich um kurz nach zehn mit der Bahn ankam, wurde er von den Überwachungskameras gefilmt.
13:17Die Polizei sichert die Aufnahmen.
13:19Doch wonach soll sie suchen? Wie sieht ein Mörder aus?
13:23Stattdessen sucht sie nach Zeugen, die diese Strecke öfter fahren.
13:29Wir gehen davon aus, dass der Fahrgast, der ihm zugestiegen ist, auch der Täter ist.
13:34So, und wir interessieren uns für Leute, die dieses Einsteigen des Fahrgastes in das Taxi gesehen haben.
13:40Und was bietet sich da mehr an, als eine Woche den genau gleichen Zug abzufrühstücken, plus, minus zwei Züge davor, dahinter.
13:48Na, wenn darf ich Sie kurz was fragen?
13:49Polizei Hamburg. Kommen Sie aus der Hamburger Endstadt mit der Bahn oder aus Richtung Wedel?
13:54Schönen guten Abend.
13:55Die freundliche Hamburger Kriminalpolizei.
13:57Wir haben hier, Sie wissen, deswegen wir hier mitteln im Bereich Blangenese und so, ganz genauso.
14:02Da vorne stehen und ich vermiede Kollegen, die haben zwei, drei Fragen. Dauert nicht lange.
14:07Dankeschön. Tschüss.
14:11Verbrechen, denke ich, wird dort aufgeklärt, wo es begangen wird. Das ist nicht am Schreibtisch.
14:15Es gibt Stimmungen, die kann man nur dort nachvollziehen und kennenlernen als Ermittler, wo sie entstanden sind.
14:22Doch die nächtlichen Zeugenbefragungen bringen keinen Fortschritt.
14:25Immer wieder suchen Sven und seine Kollegen den Tatort und die nähere Umgebung auf.
14:38Hallo, schönen guten Tag. Kein Schreckling.
14:39Polizei. Wir sind nochmal in der Taxigeschichte unterwegs.
14:43Wir haben die Hoffnung, dass möglicherweise vielleicht ein Aufzeichnende Kamera ist.
14:46Viele der Villen haben Videoüberwachung.
14:48Hallo. Guten Tag. Hallo.
14:52Schönen guten Tag.
14:52Es tut mir leid, dass Sie sich überfallen.
14:54Ja, ich komme einfach um.
14:56Das ist jetzt der Raffi, ja?
14:58Geschickt.
15:01Diese Kamera lehre, die uns wirklich interessieren.
15:05Aber ich weiß es nicht, ob Sie wirklich aufnehmen können. Das ist nur ein kurzer Moment Aufnahmen.
15:09Die Kameras in Tatortnähe zeichnen alle nicht auf.
15:12Sie sind nichts weiter als elektronische Türspione.
15:16Auch dieser Ermittlungsansatz führt ins Leere.
15:19Doch es gibt eine Ausnahme.
15:21Die Überwachungskamera einer Reederei.
15:24Sie steht am Ende einer langen Einfahrt, von der aus man die Straße gar nicht sehen kann.
15:28Doch es existieren noch Aufnahmen aus der Nacht, in der der Mord geschah.
15:33Auf dem Video erscheint zur Tatzeit um 22.14 Uhr ganz rechts am Bildrand der Lichtreflex von Scheinwerfern.
15:40Man erkennt nicht einmal ein Auto.
15:43Doch selbst daraus können die Ermittler noch Rückschlüsse ziehen.
15:48Wir haben natürlich durch diese Videoaufnahme den Eindruck bekommen können, was ist hier eigentlich abends los.
15:53So, ich sag mal, gegen 10 Uhr, 22 Uhr, 30 vielleicht, herrscht hier eine starke Fluktuation.
15:59Gibt es hier eine starke Frequenz von Fahrzeugen? Es war also hier im Endeffekt sehr still.
16:03Es spielt eine Rolle im Hinblick auf mögliche Zeugen.
16:05Wir waren ja ganz am Anfang der Ermittlungen, haben überhaupt keine Ahnung gehabt, haben wir es mit einem Täter zu tun, haben wir mehrere Täter, wie auch immer.
16:12Das alles hilft, das Bild ein kleines bisschen abzurunden.
16:15Es ist nicht verlässlich, es ist ein Hinweis, aber für den Hinweis wir dann auch schon manchmal dankbar.
16:21Viel ist es nicht.
16:22Die Ermittler wissen jetzt, dass der Täter sich eine sehr ruhige Zeit ausgesucht hat.
16:27Doch warum gerade hier, im noblen Nienstedden?
16:30Welche Beziehung hat er zu diesem Ort?
16:32Oder ist es reiner Zufall?
16:34Sie konzentrieren sich nun auf den Fluchtweg.
16:39Der Mörder muss sich zu Fuß vom Tatort entfernt haben.
16:43Nur 600 Meter entfernt verläuft die Elbschaussee.
16:47Dort fährt ein Bus Richtung Innenstadt.
16:51Vielleicht hatte er auch einen Fluchtwagen in der Nähe geparkt.
16:55Noch weiter im Norden liegt die S-Bahn-Haltestelle Klein-Flottbeck.
16:59Der Weg ist viel weiter als die Alternativen.
17:02Dennoch überprüfen sie auch diese Variante.
17:04Es ist ja so, dass wir natürlich versuchen, uns in den Täter hinein zu versetzen.
17:12Das heißt, ich möchte unerkannt wegkommen.
17:14Der eine mag es unten am Elbufer versuchen, Richtung Teufelsbrück oder Richtung Hamburg-Innenstadt nach vorne zu gehen.
17:20Der andere macht es ganz anders.
17:21Und insofern gibt es keine verlässliche Aussage, wo man zuerst suchen soll.
17:25Interessant ist der Fluchtweg für uns vor allem deswegen, weil der Täter ja auf dieser Fährte sich von Dingen trennen kann.
17:33Zum Beispiel in diesem Fall von einer Waffe, von einer Schusswaffe.
17:36Das heißt, der Fluchtweg wird für uns interessant, weil wir nach Spuren suchen.
17:39Wir haben hier, ich sag mal, alles von unten nach oben gekehrt.
17:42Neben mir steht ein Papierkorb, an denen kann ich mich persönlich auch noch erinnern.
17:44Also, wir haben hier überall gesucht.
17:48Aber sie finden nichts.
17:49Wenn der Täter tatsächlich den langen Weg durch den Park genommen hat, hat er dabei keine erkennbaren Spuren hinterlassen.
17:57Dafür gibt es die ersten Ergebnisse aus der Kriminaltechnik.
18:01Die Fachleute haben die Fingerabdrücke vom Auto gescannt und mit der Datenbank des Bundeskriminalamts abgeglichen.
18:08Leider ohne Treffer.
18:10Auch der Handschuh erweist sich als Fehlschlag.
18:13Er bringt keine verwertbaren DNA-Spuren.
18:15Und das Blut im Schnee stammt laut Labor von einem Tier.
18:24Was bleibt, sind die Projektile aus der Tatwaffe.
18:28Zwei konnten die Techniker sicherstellen.
18:30Sie sind vom Aufprall stark verformt.
18:33Dennoch lässt sich anhand der charakteristischen Rillen, die der Lauf einer Waffe verursacht, das Modell identifizieren.
18:39Eine polnische Armeepistole der 30er Jahre, zu Hunderttausenden hergestellt.
18:45Trotzdem lassen sich die Projektile zweifelsfrei einer bestimmten Waffe zuordnen, wenn die Polizei sie erst einmal gefunden hat.
18:53Die Kriminaltechniker schießen dann in ein Wasserbecken, um die Projektile nicht zu beschädigen.
18:58Anschließend werden die feinen Kratzer, die der Lauf hinterlässt, unter dem Mikroskop untersucht.
19:03Dieses unverwechselbare Muster wird zudem mit der Datenbank des BKA abgeglichen.
19:08So zeigt sich, ob mit der Waffe schon vorher ein Verbrechen verübt worden ist.
19:13Ist das Muster mit den Projektilen von anderen Tatorten deckungsgleich, hat die Polizei neue Ermittlungsansätze.
19:20Doch in diesem Fall gibt es keinen Treffer.
19:23Sie wissen viel und haben doch wenig.
19:29Der Taxifahrer hatte keine Feinde.
19:31Drei Kopfschütze sprechen für einen ungewöhnlich brutalen Täter.
19:35Das Taxameter führt sie zum S-Bahnhof Blankenese.
19:38Doch dort finden sie keine Zeugen.
19:41Ebenso wenig wie unter den Taxifahrern.
19:43Denn das Opfer war ein Einzelgänger und fuhr auf eigene Rechnung.
19:47Die Blutspur im Schnee stammt von einem Tier, der Handschuh bringt keine verwertbaren DNA-Spuren und die Tatwaffe bleibt verschwunden.
19:57Das Muster auf den Projektilen liefert keinen Treffer.
20:00Die Waffe wurde also vermutlich bislang nicht für weitere Verbrechen benutzt.
20:05Die Fahnder haben kaum noch Ermittlungsansätze.
20:08Doch dann kommt der Mordbereitschaftsleiter auf eine Idee, die eigentlich abwegig ist.
20:12Vielleicht war der Mörder dreist genug, nach der Tat wieder mit der S-Bahn nach Hause zu fahren.
20:18Obwohl er weiß, dass auf jedem Bahnhof Überwachungskameras stehen und er dabei gefilmt wird.
20:23Die Kollegen sind skeptisch.
20:26Agiert so ein Täter, der gerade einen Mord begangen hat und unerkannt flüchten will?
20:31Ich persönlich zum Beispiel, ich würde versuchen, im Schutz der Dunkelheit in Richtung Großstadt zu flüchten.
20:37Unten bestenfalls an der Elbchaussee kommt ein Fahrzeug von vorne, nachts leuchtet mich ein, bin ich schon im Gebüsch.
20:42Das ist aber halt eben meine Meinung.
20:44Und in dem Moment, als der Kollege Hoffmann bei einer Frühübersprechung sagte,
20:47guck mal, wir haben hier eine Zeugenaussage,
20:50eine verdächtige Person läuft in Richtung Bahnhof Kleinflottbeek,
20:54lass uns mal die Videoaufnahmen sichten von dort.
20:56Und, sag ich mal, ist das ein super Vorschlag gewesen.
20:59Ich persönlich habe in dem Moment gedacht, oh Gott, da wird nichts drauf sein.
21:02Aber natürlich versuchen wir das.
21:05Sie suchen einen Doppeltreffer.
21:07Eine Person, die sowohl am Startpunkt der Taxifahrt, dem S-Bahnhof Blankenese,
21:12als auch im Tatort näher am Bahnhof Kleinflottbeek auf den Überwachungsvideos auftaucht.
21:20Doch es ist Winter.
21:22Die meisten Fahrgäste sind dunkel gekleidet und aufgrund der Kälte vermummt.
21:26Das Material umfasst 49 DVDs.
21:32Eine junge Kollegin, die gerade frisch in der Mordkommission angefangen hat, muss es auswerten.
21:38Ich habe von jeder Person ein Bild gemacht, in diesem Fall mit einem Screenshot.
21:43Es waren knapp 60 Personen in diesem Fall.
21:46Ich hatte ein Bild vom Bahnhof in Kleinflottbeek.
21:48Da war das eben von vorne, die Person kommt in der blauen Jacke und der weißen Hose.
21:54Am Bahnhof in Blankenese, da kam eine größere Personengruppe durch die Bahnhofshalle.
21:59Und dadurch waren da ganz viele Personen drauf.
22:01Und da habe ich dann wieder erkannt, dass es sich wieder um diese blaue Jacke und die weiße Hose handelt.
22:06Ein Mann mit blauer Kapuzen, Jacke und weißer Hose.
22:12Die Überwachungskamera in Blankenese erfasst ihn um 21.55 Uhr.
22:18Der Mord geschieht kurze Zeit später in Nienstetten um 22.14 Uhr.
22:22Die zweite Kamera filmt denselben Mann um 22.23 Uhr auf dem S-Bahnhof in Kleinflottbeek.
22:32Ist er der Mörder? Oder einfach nur jemand, der gerne Bus und Bahn fährt?
22:37Die Ermittler schauen sich die Fahrpläne der Tatnacht an.
22:41Zwischen den Haltestellen Blankenese und Kleinflottbeek verkehrt auch ein Bus.
22:45Wir ermitteln nicht nur, ich sag mal, gegen jemanden, sondern auch für jemanden.
22:51Es kann natürlich auch andere Gründe geben, um von Blankenese nach Flottbeek zu gelangen.
22:56Haben wir geprüft, ob das auch möglich ist in der Zeit von wenigen Minuten, haben wir auch geprüft.
23:01Das ergab im Ergebnis eine Busverbindung, die hier startet und in Kleinflottbeek ankommt.
23:08Doch der passende Bus verlässt die Haltestelle zwei Minuten, bevor die S-Bahn mit dem Kapuzenmann eintrifft.
23:13Diesen Bus kann er also nicht genommen haben.
23:17Kurze Zeit später startete Taxifahrer Peter L. zu seiner letzten Fahrt.
23:23Die Ermittler sind sich sicher, dass der Mann mit der blauen Jacke und der weißen Hose der Taximörder ist.
23:28Er hat sein ahnungsloses Opfer in die dunkle kleine Seitenstraße gelotst, um es dort vom Rücksitz aus zu erschießen.
23:34Man hat jetzt übergangslos eine neue Aufgabe. Das heißt, wir müssen jetzt dieses Gesicht finden.
23:44Wir müssen wissen, wem gehört das Gesicht. Wie heißt derjenige? Wo wohnt er? Wo ist er jetzt?
23:48Was hat er in der Zwischenzeit gemacht? Ist er bewaffnet? Hat er sich getrennt von der Bewaffnung?
23:53All diese Geschichten. Das heißt, man hat nicht so diese Verweildauer zu sagen, oh, guck mal, wir haben ihn jetzt.
23:58Das ist alles nicht der Fall. Es geht sofort weiter.
24:01Da der Verdächtige weiße Schuhe und eine weiße Hose trägt, vermuten die Ermittler, dass er möglicherweise Kranken- oder Altenpfleger ist und irgendwo in der Gegend arbeitet.
24:11Nächtelang fahren sie mit der S-Bahn, um ihn aufzuspüren.
24:14Mit der inneren Anspannung und gerade auch mit dem Bewusstsein, dass man hier eine durchaus gefährliche Person jetzt gerade sucht,
24:22die Waggons teilweise wechselt, die Augen offen hält. Immer das Ganze mit diesem Moment, gleich habe ich ihn, gleich habe ich ihn.
24:31Und eben dieser eigentlich erwartete Erfolg stellte sich leider aufgrund dieser Maßnahme nicht ein.
24:37Die letzte Möglichkeit ist eine Öffentlichkeitsfahndung. Doch die birgt erhebliche Risiken.
24:43Wie wird der Täter reagieren, wenn sein Bild in allen Zeitungen steht?
24:49Es ist natürlich völlig klar, dass in dem Moment, wo man das tut, auch ein potenzieller Täter aufgeschreckt wird und nicht nur Beweismittel vernichten kann,
24:57sondern je nachdem, wie er so gestrickt ist, auch zu Verhaltensweisen animiert werden kann, die das Ganze vielleicht noch schlimmer machen.
25:07Doch sie entscheiden sich zu diesem Schritt. Knapp zwei Wochen nach dem Mord erscheint das Bild in den Zeitungen. Mit Erfolg.
25:17Die Polizei erhält einen Tipp von einem Jugendbetreuer. Er nutzt die Beamten zu einer Wohnung im Hamburger Osten.
25:23Der Mann auf dem Foto sei Rilvan C. Er sei in diversen Betreuungseinrichtungen gewesen und schon früher durch sehr aggressives Verhalten aufgefallen.
25:34Als Sven ankommt, hat das Einsatzkommando die Wohnung bereits gestürmt und den Verdächtigen gefesselt.
25:40Vor dem Haus warten schon die Kamerateams.
25:42Die Mordermittler teilen sich auf. Sven übernimmt den Tatverdächtigen.
25:55Gestern haben sie sein Foto in allen Zeitungen veröffentlicht.
25:58Jetzt, da sie ihn haben, schützen sie seine Persönlichkeitsrechte und geben ihm ein Handtuch, um sein Gesicht zu verbergen.
26:05Noch ist er nicht verurteilt.
26:08Währenddessen durchsucht Martin mit einigen Kollegen die Wohnung.
26:12Als sie das Sofa umdrehen, rumpelt es im inneren Dumpf.
26:15Sie finden eine schwarze Tasche mit 83 Schussmunition und einem Schnellfeuergewehr aus Schweizer Armeebeständen.
26:24Die Pistole, mit der der Taxifahrer ermordet wurde, bleibt allerdings verschwunden.
26:34Auf jeden Fall ist man ein ganzes Stück erleichtert, dass man die Gefahr, von der man am Anfang wusste,
26:40die man am Tatort in der Christian-F-Hansen-Straße plötzlich sah,
26:44dass diese Gefahr offenbar jetzt schon mal zu einem ganz, ganz großen Teil von Hamburgs Straßen weg ist.
26:50Vor Gericht behauptet der Mörder, Allah habe ihm befohlen, abzudrücken.
26:54Nach der Tat hatte er dem Taxifahrer aber auch noch das private Portemonnaie aus der hinteren Hosentasche gezogen.
27:00Den Hartort in Innenstädten wählte er, weil er dort zur Schule gegangen war.
27:05Rilvan C. wird schuldunfähig gesprochen und in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen.
27:11Von daher muss man natürlich ganz klar sagen, dass es schon befriedigend ist,
27:16wenn ein solches Verfahren dann noch einen solchen Ausgang nimmt.
27:20Und nicht, wie es ja auch immer wieder vorkommt, ungeklärt oder, wenn man so will, ungesühnt bleibt.
27:25Ein Gutachter stellt bei Rilvan C. eine paranoide Schizophrenie und einen sehr geringen Intelligenzquotienten fest.
27:34Er sitzt in der geschlossenen Psychiatrie. Einmal im Jahr prüfen die Ärzte, ob er noch gefährlich ist.
27:39Seine Krankheit gilt derzeit allerdings als schwer bis gar nicht heilbar.
27:44Ich habe mich immer als Ermittler gesehen und das, was einen Richterspruch ausmacht,
27:48Es gibt ja auch andere Fälle, wo jemand zum Beispiel sehr gering verurteilt wird oder vielleicht freigesprochen wird.
27:57Das ist nicht meine Baustelle. Das habe ich zu akzeptieren und ich kann in diesem Fall mit dem Richterspruch gut leben. Sehr gut.
28:07Die Familie von Peter L. leidet bis heute unter dem Mord.
28:12Einer seiner Söhne fährt manchmal nachts zum Tatort und stellt sich an die Stelle, wo das Taxi stand.
28:18Und zwar immer um 22.14 Uhr. Der Zeitpunkt, an dem sein Vater starb.
28:25Die Familie von Peter L. leidet bis heute unter dem Mord.

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