Im sächsischen Görlitz demonstrierten hunderte Menschen für queere Rechte, während Rechtsextreme zeitgleich zum Gegenprotest mobilisierten. Der STANDARD war vor Ort dabei.
00:06Im ostdeutschen Görlitz gingen letztes Jahr rund 460 Neonazis gegen 700 Teilnehmende der Pride Parade auf die Straße.
00:13Uns interessiert, wie ist es hier für queere Rechte auf die Straße zu gehen,
00:16wo die rechtsextreme AfD deutschlandweit die größten Wahlerfolge einfährt und wo hunderte Neonazis Hass verbreiten.
00:22Und dann hört ihr jetzt dieses, wir kriegen euch alle hinter uns.
00:25Es ist schon zum Teil gruselig und ängstigend. Aber wir müssen trotzdem stark bleiben zusammen.
00:31Wir schaffen hier einfach mehr als die anderen da hinten.
00:34Könntest du mir sagen, wieso du heute hier bist?
00:36Äh... Menno, Mann!
00:39Wir können das auch im Gehen machen, während du weggetragen wirst.
00:42Ich werd nicht weggetragen.
00:43Ja, und wieso bist du heute da?
00:45Ich hab Bock auf diesen Propagandascheißer.
00:47Ist das deine erste Anti-CSD-Demo?
00:49Nee.
00:50Bei wie vielen warst du schon?
00:51Ziemlich viel, also quasi allen.
00:53Und Propaganda, was meinst du genau?
00:54Ich bin für Normalen.
00:56Cedric.
00:57Für normale Hunde.
00:58Was heißt normal?
01:03Kommt einfach weiter und lass uns Wolfgang schlafen.
01:06Hier der CSD politisch und eine Demonstration auch in Berlin.
01:10Aber natürlich, hier ist es sichtbarer, dass wir kämpfen, dass wir kämpfen müssen.
01:14Wir sind in Sachsen, in der östlichsten Ecke der Bundesrepublik.
01:19Das heißt schon was.
01:20Es ist so, dass man hier leider Angst haben muss, wenn man sich so zeigt, wie man ist.
01:23Da gibt's halt die Sorge, dass einem was passiert, dass andere hier angegriffen werden.
01:27Wie viel Polizeischutz letztendlich auch nötig ist.
01:30Was für uns da sein muss.
01:31Es macht Angst.
01:32Aber trotzdem fühlt man sich in so einer großen Menge, regt sich aus.
01:36Viele Sachen wie zum Beispiel sich mit Hitlerbrust begrüßen, ist tatsächlich in sehr, sehr
01:40vielen Dörfern sehr normal.
01:42Bei einem Dorf zum Beispiel, wenn ich dort reinfahre, hängen das erste Mal eine große
01:45Reichsflagge.
01:46Danach kommen die nächsten.
01:47Wenn ich in die Schule gehe, werde ich angepöbelt von Nazis.
01:49Wenn ich zum Bahnhof gehe, um nach Hause zu fahren, werde ich angepöbelt.
01:51Ich färbe alle drei Monate meine Haare um, um irgendwie Ruhe zu haben.
01:54Ich bin der Hauptpunkt, dass die Bilder auf ihren Webseiten nicht aktualisieren.
01:57War nicht so schnell.
01:58Mir geht's komisch, dort vorbei zu laufen, ganz alleine.
02:00Die können dann gerne ihre Sachen sagen, aber viel wird bei uns nicht angekommen.
02:13Für mich gibt's halt nur zwei Geschlechter und das ist gut so.
02:15Aber zum Beispiel schwule Männer lieben eh schwule Männer.
02:17Ist das für dich okay?
02:18Eigentlich nicht, also mir ist es halt egal.
02:20Die nehmen hier ihre Babys, die Babys werden doch schon darauf getrimmt, dass die Welt nur
02:25nur noch aus Mann, Mann, Frau, Frau.
02:28Ich bin mit meinen Kindern da.
02:30Wir sind noch relativ klein, also so acht bis zehn Jahre alt, um den Kindern zu zeigen,
02:35Mensch, es gibt viele verschiedene Menschen und jeder hat das Recht so zu sein, wie er sein möchte.
02:40Wie er sich gut fühlt.
02:41Wir versauen ungegangen zum Kinder.
02:43Ich finde, die wahren Deutschen laufen hier.
02:45Entschuldigung, wir können vielleicht nicht hier noch ein Teil hier setzen.
02:48Verpiss dich.
02:50Gehst du zur Demo rüber?
02:57Fresse.
02:58Ja, aber ich darf nichts sagen.
03:00Ich halte nichts von Politiker eigentlich.
03:01Aber du gehst doch mehr durch die Demo, das ist ja politisch, oder?
03:03Na, eigentlich schon.
03:04Bei uns ist es so, dass viele Schüler tatsächlich mitlaufen, weil sie das von ihrer Familie kennen.
03:08Mein Vater ist rechts. Ich hab halt rechts im Blut, ne?
03:11Die Schüler haben gar kein Problem mit mir und meiner Identität.
03:14Aber wir stehen dann trotzdem drüben und wir versuchen denen dann immer zu erklären.
03:18Ja, aber wenn du mich doch magst, warum sind dann alle anderen dann komisch?
03:21Wenn sie doch genau die gleiche Einstellung haben wie ich.
03:23Sind noch viele so deiner Freunde aus der Schule und so motiviert und auch dabei?
03:27Also trefft ihr euch ein paar zusammen hin?
03:28Ja, auf jeden Fall die ganze Klasse, ne? Bei uns sind alle eh rechts.
03:31Deswegen musste ich auf einmal in der Sekundarschule in der Schulzeit die Schule wechseln, weil es nicht aushaltbar war.
03:36Aber in der neuen Schule war es dann noch schlimmer.
03:38Ich glaube, bin ich dann mit jeden Tag neun blauen Flecken nach Hause gekommen.
03:41Es hat sich krass radikalisiert. Wir sind von, es kleben hier Nazi-Sticker und es wird ein bisschen begümmelt.
03:46Es werden aktiv Leute zusammengeschlagen, verfolgt, vor der Ausführung aufgelauert.
03:49Es sind nicht alle, die da laufen, Neos-Nazis. Und die Neonazis sind in meinen Augen auf Deutsche.
03:55Und wie nicht jeder Neonazi wugelt.
03:58Ja, klar sollte man auf sein Land stolz sein. Ich bin auf mein Land als Burin auch stolz.
04:01Obwohl da auch gerade sehr viel leider abgeht.
04:04Ob viele Faschisten gerade in der Politik sind.
04:06Über 6 Millionen Menschen gekötet sind.
04:08Darum kann man nicht stolz sein. Darum sollte man nicht stolz sein. Ganz einfach.
04:11Neonazis, man kann die Meinung sein, aber dann soll man etwas früher das machen.
04:17Würden Sie sagen, Neonazis können schon eine legitime Meinung haben, die unter die Meinungsfreiheit fällt, auch wenn sie Neonazis sind?
04:23Ja. Aber man soll dann das für sich und soll es untereinander ausmachen. Und die so öffentlich und die anderen, die nicht der Meinung sind, diskriminieren.
04:35Es ist natürlich ein tolles Gefühl, wenn man sieht, okay, die anderen denken wie ich oder man hat irgendwas, was einen verbindet.
04:41Und ich denke, das ist hauptsächlich der Grund, warum so viele junge Menschen sich entscheiden, sich so zu geben, wie sie es tun.
04:47Ich bin ganz weit weg von jedem Neonazi. Aber zu sagen, irgendwo gibt es etwas, was wir gemeinsam haben.
04:53Zum Beispiel, wir wollen unseren Kindern eine gute Zukunft gestalten, ist ja etwas, was wir zusammentun können.
04:59Muss nie zwingend sein. Also ich möchte jetzt ungern darüber gehen und mich in die Mitte stellen.
05:04Aber irgendwie ins Gespräch kommen miteinander. Was machen? Weil es kann nie die Lösung sein, anderen ums Maul zu hauen.
05:09Die Hoffnung bei denen ist verloren, weil die AfD ihnen zu viel im Gehirn geschissen hat, muss ich auch ehrlich sagen.
05:15Weil die Alice Weidel, die verleugnet ja auch ihre Sexualität.
05:18Alice Weidel ist halt Beste, ne?
05:20Aber die ist ja lesbisch.
05:21Die ist ja gar nicht lesbisch.
05:23Aber die sind mit einer Frau verheiratet.
05:25Die ist halt wie doll, ne? Es ist halt eine super Frau.
05:27Also wenn jemand super ist, dann passt es auch, wenn die Person lesbisch oder schwul ist.
05:30Ja, auf jeden Fall.
05:31Wie kommst du darauf, dass die Leute da heute am CSD nicht auch super sind? Vielleicht sind die auch super.
05:35Ne, sind sie ja nicht, weil sie halt schwul sind, ne?
05:37Es ist schwierig, hier in Sachsen als schwuler Mann zu sein, weil man sich manchmal dreimal umgucken muss.
05:44Und deswegen ist dieser CSD so wichtig, weil wir zeigen, dass wir ein fester Bestandteil im Gesellschaft sind.
05:50Übrigens, in Görlitz wurde die Regenbogenflagge am Postamt gehisst, am Rathaus hingegen nicht.
05:55Auf unsere Nachfrage schreibt die Stadt, dies geschehe vor dem Hintergrund der Neutralität und der Gleichbehandlung
06:00aller ohne explizite Hervorhebung von Anliegen oder Personengruppen.
06:04Man müsse ja sonst auch am Weltkrebstag, am Tag der Menschen mit Behinderung oder am Weltwassertag eine Flagge hissen.
06:10Stattdessen stünden die ganzjährig wehenden Stadt-, Landes-, Bundes- und EU-Flaggen ohnehin für die Grundrechte aller Menschen.
06:17Ich kommentiere das nur mit.
06:19Nächstes Jahr haben wir in Görlitz die Wahl des Oberbürgermeisters.
06:23Das erklärt natürlich alles.
06:24Ich bin dafür, dass die Vielfalt gelebt wird.
06:28Ich bin dafür, dass hier niemand ausgegrenzt wird.
06:31Jeder so leben kann, wie er will.
06:33Wo ich dann damals diese Flagge hochgezogen habe, gehisst habe, Schritt für Schritt.
06:37Also ich musste heulen.
06:38Also ich habe jetzt schon Tränen in den Augen, wenn ich das spreche.
06:41Es war ein Moment, der mich sehr bewegt hat.
06:43Vor allem angesichts dessen, wie blau die Stadt ist.
06:47Es ist eine gewisse Hoffnungslosigkeit.
06:49Also es ist ja viel schief gelaufen in den letzten Jahren auch so politisch,
06:52dass dann viele auf so flatte Versprechungen reagieren.
06:55Ist ja genug und das hatten wir ja schon mal in Deutschland.
06:59Die Leute werden einfach nie klug und daran müssen wir arbeiten.
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