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  • vor 7 Wochen
Von Schmierereien bis zu Brandanschlägen: Russland rekrutiert über Telegram Minderjährige für Sabotageakte in der Ukraine. Ein 16-Jähriger erzählt der DW, wie er durch Angst und Druck zum Spion wurde.

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Transkript
00:00Dieses von der Ukraine produzierte Video zeigt klassische Spionageaktivitäten und eine Warnung.
00:10Wir werden euch finden. Es ist eine Reaktion des ukrainischen Geheimdienstes SPU auf einen
00:16alarmierenden Trend. Ukrainische Teenager und Kinder im Alter von teils nur zwölf Jahren
00:22führen solche Sabotage- und Spionageakte durch. Für Russland. Die Staatsanwaltschaft sagt,
00:27sie würden von russischen Geheimdienstagenten rekrutiert und instruiert, oft über verschlüsselte
00:33Messaging-Apps. Er ist einer von ihnen. Wir nennen ihn Maxim. Er möchte anonym bleiben.
00:39Wir treffen ihn auf einer Polizeistation in Kharkiv, zusammen mit seinem Anwalt.
00:46Ich bin 16 Jahre alt und lebe in Kharkiv. Ich gehe zur Schule und treffe mich mit meinen
00:52Freunden. Zu Hause helfe ich normalerweise meinem Vater.
00:55Maxims Vater ist Tischler und hat gesundheitliche Probleme. Seine Mutter starb, als er neun Jahre
01:01alt war. Vergangenen Dezember begann er zusammen mit einem Freund nach Arbeit zu suchen.
01:07Auf Telegram haben wir verschiedene Kanäle durchsucht, auf denen Leute Jobs anbieten. Wir
01:12haben einen Job gefunden, bei dem man Plakate aufhängen muss. Ich habe einem Mann namens
01:16Wladimir eine Nachricht geschickt. Er fragte mich nach meinem Alter, meinem Namen, meiner Stadt
01:21und ob ich Erfahrung habe. Maxim und sein Freund sollten auf öffentlichen Plätzen Plakate
01:27für Fahrerjobs aufhängen. Sie verdienten 400 ukrainische Rivnia, umgerechnet etwas mehr
01:33als 8 Euro. Das Geld wurde über eine Banking-App ausgezahlt. Schnell und einfach. Dann kam der
01:40nächste Auftrag. Für umgerechnet 20 Euro.
01:43Wir mussten eine Wand in der Nähe der Eisenbahn mit Farbe besprühen und darauf schreiben,
01:47dass unser Präsident ein Dreckskerl sei und andere Beleidigungen.
01:52Maxim sagt, er sei skeptisch gewesen. Aber er habe den Auftrag ausgeführt und ein Beweisfoto
01:58geschickt. Gleich danach habe er die Beleidigungen übersprayt, sagt er. Dann kamen größere
02:02Aufgaben.
02:04Ich bekam Koordinaten geschickt, wo ich hingehen und Fotos machen sollte. Als ich dort ankam,
02:08stellte ich fest, dass es sich um ein Kraftwerk handelte. Ich tat es nicht und ging wieder.
02:13Am nächsten Tag sagte er mir, ich soll einen Transformatorenkasten in der Nähe der Eisenbahn
02:17in Brand setzen.
02:21Wieder weigerte er sich, aber Wladimir drohte ihm. Maxim begann, um sein Leben zu fürchten
02:26und um das seines Vaters.
02:30Er schickte mir die Telefonnummer meines Vaters und sagte, wenn du es nicht tust, wird er sich
02:34schlecht fühlen. Ich hatte solche Angst, dass ich anfing zu zittern. Ich dachte, ich mache
02:38es ein letztes Mal. Er versprach mir 10.000 Riffner.
02:43Etwas mehr als 200 Euro. Also zündete Maxim den Transformatorenkasten.
02:47Er schickte ein Transformator an und schickte Wladimir ein Video davon. Aus Angst, dass nun
02:52ein Zug entgleisen könnte, löschte er das Feuer wieder. Kurz darauf wurde er von der
02:57ukrainischen Polizei gefasst.
03:02Oleksandre Shevchenko leitet die Ermittlungen im Fall Maxim und in 40 ähnlichen Fällen, an
03:08denen Minderjährige beteiligt sind.
03:14Wir sprechen hier von terroristischen Handlungen. Die zentrale Kommunikationsstation wurde in
03:19Brand gesetzt. Relaiskästen und Militärfahrzeuge und vieles mehr. Ich würde sagen, Russland nutzt
03:26die psychologische Verletzlichkeit von Teenagern sehr effektiv aus und macht sich ihre Abenteuerlust,
03:32ihren Idealismus und ihren Wunsch nach Anerkennung unter Gleichaltrigen zunutze.
03:40Minderjährige aus instabilen Familienverhältnissen seien am stärksten gefährdet, sagt er. Ihre
03:45Rekrutierung beginne in Telegram-Gruppen und werde dann in privaten Chats fortgesetzt,
03:50was die Nachverfolgung erschwert. Wenn die Rekruten erst einmal einige harmlose Aufgaben
03:54erledigt hätten, erhielten sie ihren wirklichen Auftrag.
03:59In einem Fall erhielten die Teenager die Anweisung, in einen Baumarkt zu gehen und die notwendigen
04:04Komponenten für einen Sprengkörper zu kaufen. Sie wurden informiert, was sie kaufen, wie und
04:11in welchen Mengen sie es mischen sollten und so weiter.
04:18Eine Polizistin bringt uns zum Ort eines Anschlags. Vergangenen Dezember zündete ein
04:2315-Jähriger in der Nähe einer Polizeistation in Kharkiv einen selbstgebauten Sprengkörper.
04:30Die Explosion verursachte nur geringfügige Schäden und niemand wurde verletzt. Aber es hätte
04:34auch anders kommen können. Bei einem anderen Vorfall starb ein Kind bei der Zündung eines
04:39Sprengkörpers. Die Polizei sagt, die Strafverfolgungsbehörden arbeiten eng mit
04:43Schulen und Kinderhilfsdiensten zusammen, um Minderjährige zu warnen. Vor allem müssten aber die
04:48Eltern mehr tun. Eltern sollten der Entwicklung ihrer Kinder mehr Aufmerksamkeit schenken,
04:54mehr präventive Gespräche mit ihnen führen und ihren Kindern sagen, was sie nicht tun
04:58sollen.
05:01Maxim behauptet, er habe nicht bemerkt, dass er von den Russen ausgenutzt wurde, weil
05:06Wladimir ihm auf Ukrainisch geschrieben habe und dass er zu viel Angst gehabt habe, um
05:10auszusteigen.
05:13Ich habe es aus Angst getan. Vor allem aus Angst zuerst um meinen Vater und dann um mich
05:18selbst. Man weiß nie, was hätte passieren können.
05:23Maxim sagt, er habe seine Lektion gelernt, wenn gleich wohl zu spät. Der Teenager ist
05:29wegen Sabotage angeklagt und muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren rechnen.
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