- vor 7 Wochen
Im DW-Interview spricht Deutschlands Außenminister Johann Wadephul u.a. über die Friedensbemühungen im Ukraine-Konflikt und kritisiert Russlands Präsident Putin. Dessen wiederholte "Verzögerungstaktiken" und wechselnde Bedingungen Moskaus würden eine ernsthafte Friedensinitiative erschweren.
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NewsTranskript
00:00Während der Weste nach einer Friedenslösung für die Ukraine sucht, ist der deutsche Außenminister
00:09Johan Waddeful auf seine Antrittsreise in Asien. Nach Japan kann man jetzt auch nach Jakarta.
00:15Hier in Indonesien sprechen wir mit ihm. Herr Minister, ist die Ukraine, ist Europa in den
00:22letzten Tagen sicherer geworden? Es gibt eine gute Chance, dass es eine Entwicklung in Richtung
00:28Sicherheit, auch Frieden gibt. Immerhin hat der amerikanische Präsident sich sehr engagiert
00:34und dafür gesorgt, dass auch der russische Präsident mal grundsätzlich darüber nachdenkt,
00:42mit dem Schießen und dem Kämpfen und den Angriffen gegen die Ukraine aufzuhören und mit der Ukraine
00:47über eine friedliche Lösung zu sprechen. Positiv ist auch, dass der amerikanische Präsident
00:52der Ukraine Sicherheitsgarantien in Aussicht gestellt hat. Das sind Anzeichen dafür,
00:58dass es eine gute Entwicklung geben kann. Das erste Mal in diesem schrecklichen Krieg. Aber
01:03alle warten jetzt darauf, dass Wladimir Putin wirklich ernsthaft bereit ist, über eine
01:10Beendigung dieses Krieges zu führen. Auf dem Schlachtfeld sieht es bedauerlicherweise
01:15immer noch völlig anders aus. Sie haben es gerade erwähnt. Es ist inzwischen klar, ohne
01:21Sicherheitsgarantien wird es keinen Frieden in der Ukraine geben. Präsident Trump hat aber
01:26auch geäußert, er erwartet, dass Europa und vor allem auch das Deutschland das seine Soldaten
01:31schickt. Wann und wie viele?
01:34Ja, das wird man sorgfältig miteinander zu besprechen haben. Und diese Gespräche finden
01:39ja übrigens auch derzeit statt. All das wird sorgfältig vorbereitet, militärisch,
01:45sicherheitspolitisch. Ich rate trotzdem dazu, dass wir jetzt erst einmal abwarten, ob es überhaupt
01:53Gespräche gibt. Und zweitens, wenn es Gespräche gibt, ob es eine Vereinbarung gibt, die belastbar
01:59ist. Und da warten wir alle auf Russland, an Deutschland. Und seiner Bereitschaft, Verantwortung
02:05in diesem Konflikt zu übernehmen, hat es bisher nicht gemangelt. Der Bundeskanzler
02:10Friedrich Merz hat von Anfang an, praktisch gleich nach seiner Vereidigung, jedes Engagement
02:17gezeigt, ist nach Kiew gereist, hat viele Konferenzen durchgeführt, hat Präsident Zelenskyy
02:24jetzt nach Washington begleitet. Also Verantwortung nimmt Deutschland durch die Bundesregierung und
02:30den Bundeskanzler wahr.
02:31Es klingt, als hätten Sie immer große Zweifel, immer noch große Zweifel, dass es zu diesem
02:37Treffen Zelenskyy-Putin kommt. Wie groß sind die Zweifel tatsächlich?
02:42Naja, die Zweifel liegen ja auf der Hand, weil es von Präsident Putin kein Ja gibt, zu der
02:48Bereitschaft zu verhandeln. Präsident Zelenskyy hat gesagt, er ist bereit. Zu einem bilateralen
02:54Treffen mit Putin und zu einem trilateralen Treffen gemeinsam dann mit Präsident Trump. Wo ist
03:00das Ja von Putin? Wir sehen nur, dass er jeden Tag neu die Ukraine angreift. Wir sehen nur, dass er
03:07Verzögerungstaktiken durchführt. Wir sehen nur, dass er immer neue Ausreden und immer neue Bedingungen
03:13hat. Er muss endlich verstehen, dass dieser Krieg beendet werden muss. Auch Russland verliert an manchen
03:19Tagen tausend junge Menschen, Soldaten in diesem Krieg. Es ist ein völlig sinnloser Krieg, der auch Russland und
03:28den Menschen dort so sehr schadet. Und Putin muss wissen, wenn er nicht zur Verhandlung bereit ist, dann wird es weitere
03:37Sanktionen geben. Europa und ich denke auch die Vereinigten Staaten, die sich jetzt engagieren, sind dazu bereit.
03:43Wenn es nun tatsächlich zu diesem Treffen Putin-Zelenskyy kommt, wo findet das Ihrer Meinung statt? Es gibt
03:49ein paar Vorschläge, Genf, Budapest, Katar. Bemüht sich auch Berlin darum?
03:54Nein, ich glaube, Berlin hat da keine Ambitionen, diese Verhandlungen auszurichten. Wir beteiligen uns mit
04:03Vorschlägen, mit Unterstützung. Wir sind gesprächsbereit für alle Seiten. Das haben wir schon bisher gezeigt.
04:10Das werden wir auch in Zukunft zeigen. Aber wir sehen nicht die größte Aufgabe darin, dass wir jetzt
04:19Austragungsort dieser Gespräche sind. Das Wichtige ist, dass sie stattfinden. Und es gibt viele gute Plätze,
04:26auch in Europa, wo das durchgeführt werden kann. Ich denke, es sollte ein möglichst neutraler Ort sein.
04:30Dafür hat sich eigentlich immer die Schweiz in der Vergangenheit sehr angeboten.
04:34Sie sind auf Antrittsreise in Asien. Und auch hier werden diese Bemühungen um die Verhandlungen, um die Zukunft
04:42der Ukraine genau beobachtet. Je nach Ausgang könnte ich das China ermutigen, noch konfrontativer hier in der
04:51Regierung aufzutreten.
04:52Ja, das ist eine der Botschaften, die ich auch mit hierher gebracht habe, aber die hier auch verstanden wird.
04:57Dass wir feststellen, dass diese Krisenherde miteinander zusammenhängen und dass wir entweder gemeinsam die
05:02internationale regelbasierte Ordnung und die Friedensordnungen verteidigen oder wir diesen Kampf verlieren.
05:08Und wir wollen ihn nicht verlieren. Hier in Asien, ich war in Japan und aber auch hier in Indonesien, ist man sehr dankbar dafür,
05:15dass es in Europa, dass es in der Welt insgesamt eine sehr klare Position zu dem russischen Angriffskrieg gibt.
05:21Und genauso habe ich ja hier gesagt, dass eine friedliche Situation etwa in der Taiwadenstraße für die regionale
05:31Stabilität genauso wichtig ist, wie für die weltwirtschaftliche Entwicklung und auch für die wirtschaftliche und
05:38sicherheitspolitische Entwicklung in Europa. Und auch das wird hier gesehen und wird natürlich wertgeschätzt,
05:43dass Deutschland diese Fragen erkennt.
05:45Aber angenommen, es käme tatsächlich zu einer Blockade. Wie würden Sie, was wäre Berlins Antwort?
05:53Wie würden Sie denn die Seewege und die Lieferketten für Deutschland sicher und schützen hier?
05:59Na, ich halte das für eine hypothetische Frage zum Glück und kann hier nur den Appell auch wiederholen,
06:06dass es wirklich keine Anwendung von direkter oder indirekter Gewalt gibt.
06:12Das ist unsere Position und das ist die Position auch praktisch aller Anliegerstaaten hier in dieser Region.
06:20Ansonsten glaube ich, hat die Entwicklung um den russischen Angriffskrieg eins gezeigt.
06:25Viele Staaten sind jetzt bereit, zusammenzuarbeiten.
06:29Wir sehen eine Koalition der Willigen, die die Ukraine unterstützt, die 30 Staaten umfasst.
06:33Und da sind auch asiatische Staaten wie Japan beispielsweise dabei, die das unterstützen.
06:39Und umgekehrt kann sich natürlich diese Region auf uns, auf unsere Solidarität verlangen.
06:46Es entstehen hier neue globale Partnerschaften und das ist auch das, was ich für Deutschland hier erreichen will,
06:51dass Verlässlichkeit gesehen wird, die wir zeigen und dass wir dann auf der anderen Seite natürlich auch Verlässlichkeit erwarten.
06:58Aber die Aussichten dafür sind wirklich gut.
07:01Sollte man eigentlich auch China in die Verhandlungen zur Zukunft der Ukraine einbinden?
07:07Es gibt diese Ideen. Putin besucht Beking Anfang September.
07:11China definiert seine Rolle selber.
07:13China ist ein wichtiger Staat, ein riesiger Staat, der sehr viel politischen Einfluss haben kann,
07:23der sehr viel wirtschaftlichen Einfluss hat, der ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates ist.
07:29Und wir fordern schon seit längerer Zeit China auf, diese Möglichkeiten auch zu nutzen und dafür zu sorgen, dass dieser Krieg beendet wird.
07:37Denn kaum ein Staat, kaum eine Regierung hat so einen starken Einfluss auf Russland wie China.
07:44Bedauerlicherweise nutzt China diese Möglichkeiten bisher nicht, aber es ist nie zu spät.
07:50Verstehe ich Sie richtig, dass Sie das eigentlich gut finden würden?
07:54Ja, selbstverständlich. Wir haben schon mehrfach an China appelliert.
07:57Und die Gelegenheit habe ich auch bei meinem letzten Gespräch mit Außenminister Wang Yi genutzt,
08:04um an ihn und an die chinesische Staats- und Parteiführung zu appellieren,
08:09diese Möglichkeiten Russland gegenüber noch deutlicher zu nutzen.
08:14Ich würde mich sehr freuen, wenn dieser Appell in Peking gehört werden würde.
08:18Auf Ihrer Reise haben Sie aber China auch kritisiert.
08:21Sie haben Ihr aggressives Vorgehen vorgeworfen.
08:24Es gab auch Reaktionen aus China direkt darauf.
08:28Wie sehen das eigentlich Ihre indonesischen Freunde, Ihre indonesischen Partner heute hier, die Kritik, die Sie geübt haben?
08:35Diese Kritik ist ja nicht neu.
08:38Und es ist ja nur eine Reaktion auf ein bedauerliches Verhalten, was wir von chinesischer Seite immer wieder auch sehen.
08:45Es gibt manche schwere Vorfälle auch auf See hier und die Missachtung von Gerichtsurteilen und von Grenzen, von Souveränitätsrechten.
08:56Und ich finde, darauf darf man reagieren, darauf muss man reagieren.
09:01Wir kennen ja nicht unterschiedliche Standards, ob es nun in Europa, in Afrika oder in Asien der Fall ist.
09:09Ich erlebe insgesamt in Asien, dass die deutsche Position hier sehr geschätzt wird.
09:15Es ist ja nicht eine per se antichinesische Position, sondern es ist eine Position für das Recht, für das internationale Recht.
09:24Und das ist eine unabhängige Position.
09:26Deutschland bietet China ausdrücklich Partnerschaft und Zusammenwirken an und findet es bedauerlich, dass China das ein oder andere Mal doch eher ein anderes Verhalten zeigt.
09:40Aber die Hand bleibt ja immer ausgestreckt und ich werde auch neue Gesprächsmöglichkeiten mit China wieder suchen, selbstverständlich.
09:47Bei Ihrer Reise nach Asien geht es auch um der Risking.
09:50Deutschland will unabhängig von China werden.
09:52Gerade bei seltenen Erden, einem wichtigen Stoff, liegt die Abhängigkeit bei über 90 Prozent.
09:59Wie viel Ersatz oder bietet Indonesien Ersatz? Wie weit?
10:05Ja, ich glaube, es gibt nicht die eine Möglichkeit, unabhängiger voneinander zu werden.
10:10Und das ist ja eine Strategie, die übrigens China auch verfolgt, das De-Risking.
10:13Auch China möchte sich von anderen Märkten unabhängiger machen und hat deshalb, glaube ich, auch am Ende Verständnis dafür,
10:19dass auch Deutschland und Europa diesen Weg gehen, der ja ausdrücklich von der Europäischen Kommission auch beschrieben worden ist.
10:28Wir machen das mit Konsequenz und ohne Hektik und suchen trotzdem weiter auch einen Handelsaustausch mit China, ganz selbstverständlich.
10:38Es geht ja nicht um ein Decoupling, das heißt um ein Trennen von China.
10:43Aber gerade das, was wir jetzt sehen an neuen, an aktuellen Beschränkungen, was die Lieferung von seltenen Erden angeht in China,
10:53das bestärkt uns darin, dass wir neue Handelspartner suchen.
10:57Und Indonesien ist ein guter, neuer und, ich glaube, verlässlicher Partner, eine große Volkswirtschaft mit einer großen Population.
11:08Und wir wollen dieses Potenzial mehr nutzen als in der Vergangenheit.
11:12In der muslimisch geprägten Indonesien löst das Thema Gaza sehr große Emotionen aus.
11:18Welche Erwartungen haben Ihre indonesischen Partner hier in Jakarta an Sie herangetragen?
11:24Ich glaube, die Partner hier haben sehr klar gesehen, dass Deutschland eine natürliche Position an der Seite Israels hat als unser engster Freund.
11:35Und dass sie auch die besondere Verantwortung sehen, die Deutschland für Israel hat.
11:40Aber sie haben eben auch gesehen, dass wir zu Fragen des Völkerrechts eine klare Position haben,
11:45dass wir die humanitäre Situation im Gazastreifen sehen und dass wir daraus ja auch politische Ableitungen mittlerweile getroffen haben.
11:53Das wird hier durchaus wertgeschätzt.
11:55Israel plant gerade das größte Sündungsprojekt seit Jahrzehnten.
12:00Für den Stadtpalästina wäre das der Sargnagel.
12:04Alle Bemühungen, alle ihre Bemühungen sind bisher auch gescheitert.
12:08Wäre das jetzt nicht der Zeitpunkt, dass Deutschland doch Palästina anerkennt?
12:14Nein, das bleibt dabei, dass wir die Anerkennung eines palästinensischen Staates eher am Ende eines Prozesses sehen,
12:23der zwischen Israel und den Palästinensern stattfinden muss.
12:27Aber dieser Weg muss eben in der Tat möglich bleiben.
12:30Und deswegen darf er nicht verbaut werden, auch nicht durch einen derartigen Siedlungsbau,
12:36vor dem wir ausdrücklich warnen und den wir für völkerrechtswidrig halten würden, wenn er durchgeführt wird.
12:42Ich ablehre insgesamt daran, dass beide Seiten jetzt erkennen, dass die Zeit reif ist, endlich zu einer Vereinbarung zu kommen,
12:53was den Gazastreifen angeht, dass die Geiseln endlich freigelassen werden, dass man zu einem Waffenstillstand kommt
13:00und dass wir uns endlich darum kümmern können, dass die leidenden Menschen wieder versorgt werden
13:05und gleichzeitig Sicherheit im Gazastreifen und für Israel hergestellt wird.
13:10Der Plan, den der Sondergesandte Steve Whitcoff unterbreitet hat, ist eine sehr gute Grundlage.
13:18Und ich hoffe, dass er jetzt akzeptiert wird.
13:20Herr Waddeful, zum Schluss vielleicht noch eine persönliche Frage.
13:23Die Art, wie man heute die internationale Politik macht, hat sich radikal verändert.
13:29Es wird schneller, konfrontativer auf den Punkt. Wie geht es Ihnen damit?
13:34Ich versuche es konventionell zu machen und mich nicht von jeder Aufregung anstecken zu lassen.
13:41Man muss immer reaktionsfähig sein.
13:43Aber ich glaube, das Wichtige in der internationalen Politik ist, dass man verlässlich und kalkulierbar ist.
13:50Und deutsche Außenpolitik zeichnet sich dadurch aus, dass sie einige Grundprinzipien hat, an denen sie sich orientiert
13:58und dass sie die internationalen Organisationen, wie beispielsweise die Vereinten Nationen, stark unterstützt.
14:05Und in dieser Rolle fühle ich mich persönlich wohl und glaube, dass wir einen guten Beitrag dazu leisten können,
14:12dass die bestehenden Konflikte aufgelöst werden können.
14:15Herr Minister, vielen Dank für das Gespräch.
14:17Sehr gerne.
14:20Vielen Dank.
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