- 15.5.2025
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00:00Sibirien, Land der unendlichen Weiten, Städte und Dörfer, Inseln der Zivilisation.
00:18Eisenbahnen sind Brücken zum Festland.
00:20Die Baikal-Amur-Magistrale ist, neben der Transsibirischen Eisenbahn, Russlands zweiter Schienenweg durch Sibirien zum Pazifik.
00:36Im Jahre 2003, nach 30-jähriger Bauzeit endgültig fertiggestellt, gilt die Trasse international als das größte und schwierigste Eisenbahnbauprojekt der letzten 100 Jahre.
00:51Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion fast zum Stillstand gekommen, rollen die Züge wieder.
00:58Für deren Sicherheit sorgen diese beiden Männer. Sie sind Chefinspektoren der russischen Eisenbahn.
01:05Keine leichte Aufgabe. Ihre Fahrt führt sie über 1500 Kilometer weit in Richtung Osten.
01:20Sergej und Gennady auf dem Weg zu einer Kontrolle in den Severomusker Bergen, nördlich des Baikalsees.
01:44Es ist Ende April, noch herrschen hier Temperaturen um minus 20 Grad Celsius.
01:50Sergej Anatolyevich Kuplenski und Gennady Radjanovich Laptyev weisen sich als Chefinspektoren der russischen Eisenbahn aus.
02:02Sie überwachen die Verkehrs- und Betriebssicherheit auf der Baikal-Amur-Magistrale, von den Oberleitungen über die Lokomotiven und die Waggons bis zu den Schienen.
02:12Dieser Trupp von Elektromonteuren soll die Oberleitungen auf diesem Streckenabschnitt warten.
02:17Ihre Spannung beträgt 27.000 Volt. Immer wieder kommt es bei Wartungsarbeiten zu Unfällen, die auch tödlich enden können.
02:34Sergej prüft, ob die Männer vorschriftsmäßig belehrt und eingewiesen sind.
02:39Bitte die Arbeitsschutzbelehrung unterschreiben.
02:52Der Einsatzort der Truppe ist eine der rund 1000 Brücken der Eisenbahnlinie.
02:58Etwa ein Drittel der Baikal-Amur-Magistrale ist elektrifiziert.
03:01Das heißt, sie wird von Elektro-Loks befahren, die aus Oberleitungen gespeist werden.
03:06Führen sie keinen Strom mehr, bricht der gesamte Verkehr auf der Trasse zusammen.
03:13Die Leitungen und Isolatoren sind in Sibirien enormen Temperaturschwankungen ausgesetzt.
03:19Von minus 60 Grad Celsius im Winter bis plus 40 Grad Celsius im Sommer.
03:24Das kann schnell zu Rissen und Brüchen führen.
03:26Regelmäßige Kontrollen und Wartungen des Oberleitungsnetzes sind daher für die Sicherheit auf dem Schienenstrang unumgänglich.
03:39Alles muss sehr schnell gehen.
03:42Gleich wird der Strom für diesen Streckenabschnitt wieder eingeschaltet, um den Zugverkehr nicht zu beeinträchtigen.
03:56Wir konnten feststellen, dass alles vorschriftsmäßig geschieht und mit viel Erfahrung.
04:05Jeder kennt hier genau seine Aufgaben. Nur speziell dafür ausgebildete Monteure dürfen solche Arbeiten ausführen.
04:15Gebaut wurde die Baikal-Amur-Magistrale, kurz BAM genannt, um die Reichtümer Sibiriens zu bergen.
04:22Vor allem Holz- und Bodenschätze.
04:25Denn entlang der Strecke lagern riesige Mengen an Steinkohle, Eisenerz und etwa 40 Prozent der Weltvorräte an Kupfer.
04:35Die Bahn soll ein Gebiet erschließen, das anderthalbmal so groß ist wie Frankreich und Deutschland zusammen.
04:42Über ihre Verbindung zur Transsibirischen Eisenbahn ist sie Russlands zweiter Schienenweg von Moskau durch Sibirien zum Pazifik.
04:51Die über 4000 Kilometer lange BAM verläuft nördlich der Transsibirischen Eisenbahn.
04:57Wie es ihr Name sagt, passiert sie den Baikalsee in Sibirien und den Fluss Amur im fernen Osten.
05:04Die Fahrt der beiden Inspektoren beginnt in den Severomuskerbergen nördlich des Baikal und wird über Tinda bis nach Tomod in Jakutien führen.
05:13Abseits einer kleinen Bahnstation in den Severomuskerbergen steht der Dienstwagon der Inspektoren.
05:19Er ist rollendes Büro und Wohnwagen zugleich.
05:25Vor der Reise haben die Männer sich reichlich mit Lebensmitteln eingedeckt.
05:29Denn unterwegs sind die Waren meist teurer als in der Stadt.
05:32Gennady, 57 Jahre alt, hat seine Karriere als einfacher Stationsarbeiter begonnen.
05:39Sergej, 36, begann einst als Schlafwagenschaffner.
05:43Nun sind beide schon seit fünf Jahren als Inspektoren auf Achse.
06:03Jeder kann sich ja vorstellen, was das heißt, ein Leben auf Rädern.
06:07Das ist ein Verzicht auf viele Bequemlichkeiten.
06:10Um das Essen muss man sich selber kümmern.
06:13Waschen und Duschen kann man sich ja auch nicht richtig.
06:16Aber sonst ist die Arbeit in Ordnung.
06:33Sie ist auch interessant, weil man mit vielen Menschen zu tun hat.
06:43Und helfen kann, dieses und jenes in Ordnung zu bringen.
06:47Man trifft ständig neue Bekannte, neue Freunde, ist heute hier und morgen dort.
06:53Na schau, gefällt es dir heute?
06:57Oh, du bist ja ein Prachtkerl.
07:01Na los, lass uns anstoßen.
07:12Ja, so leben wir halt.
07:15Und so leben wir auch.
07:18Ja, so leben wir halt.
07:21Immer auf Rädern.
07:24Beide Männer besitzen mehrere Hochschulabschlüsse als Diplomingenieure für Arbeitsschutz, Eisenbahntechnik und Ökonomie.
07:48Am nächsten Morgen geht es weiter.
07:53Die BAM überwindet sechs Gebirgszüge mit 3000 Meter hohen Gipfeln.
07:58Über die Hälfte der Strecke führt durch Zonen ewigen Frostbodens und hoher seismischer Aktivität.
08:05Mehr als 3000 Bäche und Flüsse überquert die Trasse.
08:09Die Bautrupps mussten sich in unerforschte Regionen vorwagen, die vor ihnen kaum einmischen könnten.
08:14Hunderttausende junge Leute ließen sich für dieses Abenteuer begeistern und machten sich freiwillig auf den Weg nach Sibirien.
08:45Am 27. April 1974 hatte im Moskauer Kreml der damalige sowjetische KP-Chef Leonid Brezhnev in einer groß angelegten Propagandaaktion zum Bau der Magistrale aufgerufen.
09:00Dahinter steckten vor allem militärische Gründe.
09:04Die transsibirische Eisenbahn verläuft gefährlich nahe der Grenze zu China.
09:09Deshalb musste eine zweite, weiter nördlich liegende Verkehrsader her.
09:12Außerdem brauchte das Land neue Rohstoffquellen, wie Eisenerz, um im Rüstungswettlauf mit den USA mithalten zu können.
09:23Der Enthusiasmus der jungen Leute wurde schon im ersten Winter auf eine harte Probe gestellt.
09:29Die Temperaturen fielen bis unter minus 60 Grad Celsius.
09:33Treibstoff- und Lebensmitteltransporte blieben im metertiefen Schnee stecken.
09:38Es gab keine Straßen, keine festen Unterkünfte.
09:42In ihrem Dienstwagon besprechen Gennady und Sergej ein Störungsprotokoll.
09:57Schlecht gesicherte Baumstämme sind vom Waggon gefallen, haben die Strecke blockiert.
10:02Ihre nächste Inspektion findet auf einem der Holzverladeplätze an der Bam statt.
10:07Gennady kennt die Bam noch aus Sowjetzeiten.
10:10Gewiss, jede Zeit hat ihre Vor- und Nachteile, ihr Plus und ihr Minus, aber eine Rücke in die Vergangenheit wird es nicht geben.
10:22Wenn ich damals zum Beispiel 300 Rubel im Monat verdiente, so sind es jetzt rund 1000 Euro.
10:28Meine Familie ist gut versorgt. Ich habe alles, Haus und Auto. Ich will die alte Zeit nicht mehr zurück.
10:35Als die Sowjetunion auseinanderfiel, war ich noch jung. Ich habe diese Zeit im Alter von 16 bis 18 Jahren miterlebt.
10:50Ich kann es nicht einschätzen, ob es damals besser war als heute. Ich kann nur sagen, dass es mir jetzt gut geht.
10:57Ich halte mich für einen glücklichen Menschen. Aber eine großartige Familie, zwei hübsche Töchter, eine Arbeit, die mir gefällt und ich verdiene gutes Geld.
11:17Der Inspektorenwaggon wird auf ein Nebengleis an einer der über 200 Stationen der Eisenbahnlinie geschoben.
11:27Die Inspektoren haben das Recht, ihn an jedem Haltepunkt der BAM ab- und wieder ankoppeln zu lassen.
11:36Hier warten sie auf den nächsten Anschlusszug.
11:46Gennady und Sergej haben im Zug einen alten Freund getroffen, Sascha Bonda.
11:51Er gehörte als Gleisbauer zu den Ersten, die an die BAM gingen. So kennen sie sich schon seit vielen Jahren aus gemeinsamer Arbeit an der Bahn.
12:00Nun erzählt mir mal, wohin fahrt ihr?
12:04Probier doch erst mal den geräucherten Fisch.
12:08Der riecht ja gut.
12:10Warte, ich helfe dir.
12:20Für die nächsten Tage teilen sie ihren Weg und den Zug.
12:24Sascha ist stellvertretender Generaldirektor eines Gleisbauunternehmens und auf dem Weg nach Jakutien in die Republik Sacha.
12:32Der 52-Jährige ist einer der legendären Händler der BAM.
12:36Er hat in den vergangenen Jahren in der BAM gearbeitet.
12:40Er hat in den vergangenen Jahren in der BAM gearbeitet.
12:44Er hat in den vergangenen Jahren in der BAM gearbeitet.
12:48Er hat in den vergangenen Jahren in der BAM gearbeitet.
12:51Der 52-Jährige ist einer der legendären Helden der BAM.
12:57Sascha vor 30 Jahren.
13:00Sein Gleisbautrupp war im ganzen Land bekannt.
13:03Fast täglich wurden die Männer in den Zeitungen und im Fernsehen gefeiert.
13:07Wie viele Schwellennägel ich damals eingeschlagen habe?
13:11Das habe ich noch gar nicht ausgerechnet.
13:14Aber ich habe etwa 570 Kilometer Eisenbahnstrecke verlegt.
13:18Und auf den Stationen auch nochmal 50.
13:21Das sind zusammen 620 Kilometer.
13:24Auf jeden Kilometer sind im Schnitt ca. 50 Schwellennägel eingeschlagen.
13:28Auf jeden Kilometer sind im Schnitt ca. 50 Schwellennägel eingeschlagen.
13:31Das sind zusammen 620 Kilometer.
13:34Auf jeden Kilometer sind im Schnitt 1840 Schwellen.
13:38Und jede Schwelle hat 8 bis 10 Schwellennägel.
13:41Es kann sich jeder ausrechnen, wie viele Nägel ich wohl eingeschlagen habe.
13:52Als Sascha und seine Männer nach 12 Jahren den ersten Bauabschnitt geschafft hatten,
13:57glaubten sie ihrem Land einen großen Dienst erwiesen zu haben.
14:01Die Schwellennägel wurden in den letzten Jahren aufgebaut.
14:20Meine Wünsche von damals haben sich für mich nur teilweise erfüllt.
14:24Denn als wir die Bahn bauten, haben wir davon geträumt,
14:27dass in dem Gebiet ja eine stürmische wirtschaftliche Entwicklung beginnen werde.
14:31Mit der Schließung riesiger Rohstofflagerstätten und vielen großen Städten.
14:35Aber das ist leider nicht so gekommen.
14:38Mit der Perestroika begann es, um die BAM stiller zu werden.
14:42Es gab sogar Stimmen, die sagten, wir brauchen diese Bahn nicht.
14:45Aber ich meine, vom ingenieurtechnischen Standpunkt aus ist die BAM ein Meisterwerk.
14:50Hervorragend gebaut, in guter Qualität und genau dort, wo sie hingehört.
14:55Die BAM führt bis auf 1500 Meter in die Severomusker Berge.
15:02Seit 15 Jahren arbeitet Wladimir auf dieser Strecke als Lokführer.
15:07Mit drei Lokomotiven zieht er etwa 70 Waggons.
15:13Weil die Bahn bis jetzt nur eingleisig gebaut wurde,
15:17gibt es regelmäßig Ausweichstellen, an denen auf einen entgegenkommenden Zug gewartet werden muss.
15:31Gennady und Sergej nutzen die Gelegenheit zu einem Kontrollrundgang um die Lokomotive des Gegenzuges.
15:45Mit über 30 Einsatzjahren dürfte sie eigentlich längst nicht mehr fahren.
15:50Sie ist noch ein 546er Modell, wie Gennady sich vom Lokführer bestätigen lässt.
15:55Für so alte Loks sind diese Bergrücken eine echte Herausforderung.
16:09Leicht ist hier bei uns überhaupt nichts. Vor allem im Winter nicht.
16:19Sollte da noch etwas mit der Lokomotive passieren, wird es noch schwieriger.
16:24Wenn zum Beispiel Schnee in den Motor gerät, kann es zu einem Kurzschluss kommen.
16:30Dann kann es passieren, dass eine der drei Loks ausfällt. Aber mit zwei Loks kommst du kaum noch über den Berg. Mit drei ist es schon schwierig genug.
16:48Wer hier Arbeit gefunden hat, kann sich nicht beklagen.
16:51Mit 700 Euro liegt der Lohn eines Lokomotivführers dreimal höher als das Durchschnittseinkommen in Russland.
17:13Vor dem Severomuiska Tunnel. Mit 17 Kilometern ist er der längste Tunnel Russlands.
17:19Seine Eingänge sind mit dicken Toren verschlossen, die nur für die Ein- und Ausfahrt der Züge geöffnet werden.
17:3028 Jahre dauerte es, bis der Tunnel Ende 2003 fertig wurde. Erdbeben und Wassereinbruch brachten ihn immer wieder zum Einsturz.
17:39Einige der Tunnelbauer, man sagt etwa 30, wurden dabei von gewaltigen Gesteins- und Sandschichten erschlagen und begraben.
17:54Ein pompöses Denkmal steht vor der Westeinfahrt. Auf der Tafel zu lesen, gewidmet dem großen Sieg des Schöpfertums und der Hände der Erbauer des Severomuiska Tunnels.
18:08Aber kein Wort gedenkter Opfer.
18:13Etwas abseits findet sich dann doch noch ein kleiner, schmuckloser Stein mit dem Verweis, dass hier auch einmal ein Denkmal für die Opfer entstehen soll.
18:21Damit hat man es aber offensichtlich nicht so eilig.
18:38Es war wirklich der schwerste Abschnitt der Bahn. Der Tunnel und die Strecke über die Berge.
19:09Hier haben wir 1983 Schienen gelegt. Unmittelbar unterhalb dieses Sanks brach plötzlich eine heiße Quelle aus der Erde.
19:17Dabei ist einer meiner besten Freunde ums Leben gekommen.
19:21Joscha Srdjuk kam auch wie ich aus Kiew. Viele unserer Jungs haben beim Bau der BAM ihr Leben verloren. Mehr als hundert.
19:30Ich möchte zur Erinnerung an sie die Mütze ziehen und mich vor ihnen verneigen.
19:34Sie haben ein großartiges Denkmal hinterlassen. Sie bauten die BAM, die auch ihnen zur Erinnerung noch lange existieren möge.
20:05Die Inspektoren schauen sich auf dem nahen Holzverladeplatz um.
20:09Vor kurzem hat ein hier beladener Waggon Baumstämme auf der Strecke verloren.
20:14Die Stämme der sibirischen Lerche sind für den Export nach Japan und Südkorea bestimmt.
20:19Wurden zu Sowjetzeiten täglich bis zu 40 Waggons beladen, sind es heute höchstens vier.
20:25Aufgrund der langen Transportwege ist das Holz teurer als das aus den Grenzgebieten.
20:30Nur die Arbeitskräfte sind billig. Gastarbeiter aus dem kommunistischen Nordkorea.
20:35Etwa 50 Männer arbeiten hier schon seit über 20 Jahren, noch auf Basis alter Verträge aus Sowjetzeiten.
20:51Wir kontrollieren hier die Sicherung der Ladung.
20:55Offen gesagt, auf den Verladeplätzen der Industrie sieht man uns Inspektoren nicht so gerne.
21:00Wenn wir feststellen, dass nicht alles richtig verstaut wurde, verlangen wir alles nochmals abzuladen.
21:06Sie sagen uns ganz offen, eure Waggons hier lieben wir hier mehr als euch, die Eisenbahner.
21:16Etwa zwei Kilometer vom Tunnel entfernt. Die Eisenbahnersiedlung.
21:20Sie trägt den gleichen Namen wie das Gebirge, das sie umschließt, Severomysk.
21:27Über 600 Menschen leben hier. Die Häuser hat die russische Eisenbahngesellschaft bauen lassen.
21:33Fernab der Zivilisation versucht sie hier, für die Familien ihrer Mitarbeiter erträgliche Lebensbedingungen zu schaffen.
21:40Dazu gehört neben einer neuen Sporthalle auch ein Schwimmbad. Beides ist für Besucher kostenlos.
21:50Ganz anders sieht das Leben jenseits der Berge aus, am Osteingang des Tunnels.
22:08Die Siedlung Tunnelnaya. Über 20 Jahre lebten hier die Tunnelbauer.
22:14Nachdem der Berg durchbrochen war, hatte das Dorf keine Funktion mehr.
22:18Nicht jeder der Bewohner hat anderswo wieder Wohnung und Arbeit gefunden.
22:23Noch immer versuchen hier 24 Familien zu überleben, ohne Hilfe und Unterstützung.
22:30Unter ihnen Georgi und seine Frau Natascha. 28 Jahre lang hat der Kaukasier als Kraftfahrer beim Tunnelbau gearbeitet.
22:38Wir haben unsere Arbeit getan. Der Tunnel ist fertig. Die Züge fahren hindurch. Jetzt braucht man uns nicht mehr.
22:52Nur so kann ich das verstehen und nicht anders. Viele haben ihre Gesundheit dabei verloren.
22:58Wie oft habe ich bei minus 55, sogar 60 Grad das Auto unter freiem Himmel reparieren müssen.
23:04Jetzt tacke ich hier Holz, damit wir nachts nicht erfrieren. Elektrischen Strom haben wir auch nicht mehr.
23:17Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Mit dem letzten Geld haben wir das Studium unserer Tochter bezahlt.
23:33Am nächsten Morgen, 8 Uhr, im Tal vor der Westeinfahrt des Tunnels.
23:49Sergej und Gennady sind gerade aufgestanden.
24:04Beim Frühstück sprechen sie nochmal über die gestrige Inspektion und kommen wie so häufig zu dem Schluss, Vorschriften sind das eine, sie einzuhalten das andere.
24:21Die Reise geht weiter in Richtung Osten. Ihr Waggon ist angekoppelt an den Personenzug aus Moskau, der hier jeden zweiten Tag vorbeikommt.
24:33Links und rechts sind die Zugänge zu den Begleitstollen, durch die das Wasser aus dem Berg geführt wird.
25:03An der Siedlung Tunnelnaja hält schon lange kein Zug mehr.
25:21Obwohl der Zug aus Moskau kommt, sind unter den Reisenden kaum Hauptstädter zu finden.
25:27Der größte Teil der Passagiere ist irgendwo auf der BAM zugestiegen. Die rund 5000 Kilometer von Moskau bis hierher kosten umgerechnet etwa 150 Euro.
25:38Das Flugzeug wäre viermal so teuer. Aber nicht nur deshalb lieben die Russen das Reisen mit dem Zug. Alle fühlen sich hier wie eine große Familie.
25:47Wir fahren zu einem Leder-Festival nach Khabarovsk. Wir sind Studenten des Technischen Instituts, einem Ableger der Moskauer Universität.
26:01Wir sind geschäftlich unterwegs. Wir fahren nach Khabarovsk, um Textilien einzukaufen, die wir wieder weiterverkaufen. Man muss was tun, um zu überleben.
26:15Aber die Geschäfte gehen schlecht. Die Leute haben kein Geld.
26:24Ja, früher hatten wir Geld, aber zu kaufen gab's nichts. Ein Bett oder einen Tisch zu bekommen war ein Riesenproblem. Jetzt gibt's alles, nur Geld gibt's nicht.
26:44Ob uns die BAM Arbeit bringt? In welcher Hinsicht? Ja, nur denen, die dort beschäftigt sind. Andere Möglichkeiten oder auch private Betriebe gibt es hier kaum. Nur die BAM.
27:05Am späten Nachmittag ist Tinda, der größte Bahnhof an der BAM, erreicht.
27:14Tinda ist die größte der 60 neuen Städte und Siedlungen, die in den letzten 30 Jahren an der BAM entstanden sind.
27:261975 errichteten hier die Erbauer die ersten Holzbaracken für ihre Familien.
27:44Sie schrieben an ihre Hütten, hier entsteht eine Stadt.
27:53In den letzten 15 Jahren ging in Tinda die Einwohnerzahl stetig zurück, bis auf heute 50.000.
28:14Das Stadtzentrum ist etwa zwei Kilometer vom Bahnhof entfernt.
28:27Den trotzigen Bau füllen heute nur noch wenige Reisende.
28:44Von hier aus brauchen die Züge sechs Tage bis Moskau und nur drei bis nach Vladivostok am Pazifik.
28:59Tinda ist die Drehscheibe, der größte Rangierbahnhof der BAM. Von hier aus fahren Züge in alle vier Himmelsrichtungen.
29:14Doch der BAM mangelt es an Kunden, weil es für die Erschließung der Rohstofflager noch an Investoren und Geld fehlt.
29:22Jedes Jahr fährt die Bahn der Aktiengesellschaft Russische Eisenbahnen einen Verlust von etwa 15 Millionen Euro ein.
29:30Dennoch wird die Strecke mit großem Aufwand aufrechterhalten und sogar noch weiter ausgebaut.
29:35Der vollgefüllte Güterbahnhof von Tinda täuscht nicht darüber hinweg, dass die Eisenbahnlinie bisher nur mit halber Kraft betrieben wird.
29:54Am nächsten Tag sind die beiden Inspektoren wieder auf der Reise.
29:58Sie haben die Hauptstrecke der BAM verlassen.
30:00Ihr Waggon rollt nun auf der sogenannten kleinen BAM, einer Stichbahn weiter nach Norden Richtung Jakutien.
30:07Sergej glaubt fest an die Zukunft der Eisenbahnlinie.
30:16Die BAM führt ja durch ein Gebiet mit riesigen Rohstofflagern, Kohle, Erze. Und die liegen praktisch unmittelbar an der Strecke.
30:25Man kann sie sogar im Tagebau gewinnen, was kostensparend.
30:31Wenn die Rohstoffpreise in der Welt weiter so steigen, dann bin ich mir sicher, dass auch hier bald Investoren aus aller Welt Schlange stehen werden.
30:39Und das würde dann für alle, die hier leben, wieder Arbeit und eine neue Perspektive bringen und vielleicht manchen, der uns verlassen hat, wieder zurückholen.
31:00Musik
31:24Tag und Nacht rollen die Riesenkipper aus der Kohlengrube von Nergengrü.
31:28Es ist bislang das einzige im großen Stil genutzte Rohstofflager an der Eisenbahnlinie.
31:34Es wurde noch zu Sowjetzeiten in Betrieb genommen, unterstützt mit einem 10 Milliarden Dollar Kredit der Japaner.
31:40Sie sind auch die Hauptabnehmer der Kohle.
31:43Musik
31:53Die Grube ist 100 Meter tief. Seit 1975 wurden hier 260 Milliarden Tonnen bester Stein- und Kokskohle gewonnen.
32:03Und noch einmal so viel liegen hier.
32:05Musik
32:27Seit über 20 Jahren arbeitet Boris schon in der Grube.
32:31Kennt sie noch aus Sowjetzeiten. Als Baggerfahrer verdient er heute etwas mehr als 1000 Euro im Monat.
32:38Er ist mit seinem Job und der neuen Zeit zufrieden.
32:45Mir scheint, dass jetzt die Zeit gekommen ist, in der jeder die Chance hat, über sein Leben selbst zu entscheiden.
32:50Wie soll ich sagen? Der Mensch hat heute einfach mehr Möglichkeiten als früher.
32:54Motorengeräusche
32:57Die Baggerschaufel nennen wir liebevoll unser Löffelchen, obwohl sie 60 Tonnen fasst.
33:01Löffelchen, weil es uns ernährt. Denn je mehr wir es füllen, umso mehr verdienen wir auch. Ja, so ist das.
33:32Musik
33:40Wenn in 10 Jahren die Kohle abgebaut ist, wird in der Erde Sibiriens eine Wunde zurückbleiben, die wohl nie mehr verheilt.
33:50Der Kohlebahnhof von Berkakit.
33:53Gennady und Sergej lassen sich von Bahnhofschef Viktor Laschko den Betriebsablauf erläutern.
34:00Alle zweieinhalb Stunden verlässt ein Zug die Station. Die Kohle geht nach Japan und Südkorea.
34:0770 Züge mit je 50 Waggons pendeln ständig auf der Strecke. Eine Art Kohlefließband.
34:13Musik
34:43Zum Feierabend hat Viktor, Sergej und Gennady zu Schaschlik und Wodka eingeladen. Sie teilen viele gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen.
34:52Musik
35:00Bam, das waren unsere besten Jahre. Unsere Jugend, unsere Freunde, unser Leben. Sie ist das Beste, was wir schaffen konnten.
35:10Wir haben hier ja nicht nur eine Eisenbahnlinie gebaut, sondern auch große moderne Städte. Wir gaben das Beste, was ein Mensch zu geben vermag.
35:22Die Bam war für mich eine Selbsterprobung, was ich unter diesen harten klimatischen Bedingungen zu leisten vermag.
35:33Und ich habe hier sehr viele Freunde gefunden, echte Freunde. Denn die findet man nur in den schwersten Minuten des Lebens.
35:42Hier gibt es keine Unterschiede zwischen den einzelnen Nationalitäten, zwischen den Berufsgruppen Bauarbeiter, Eisenbahner.
35:56Und alle vereint eine Nationalität, Bamowitz. Wenn ich woanders hinfahre, dann stelle ich mich nicht vor als Ukrainer.
36:04Nein, ich lebe an der Bam. Ich bin Bamowitz. Mit Stolz.
36:11Musik
36:42Auf dem Bahnhof der Kohle-Arbeiterstadt Nergengrue. Von hier aus fährt der Inspektorenwagon weiter nach Jakutien, in die Republik Sacha, das Land der Rentierzüchter.
37:01Die zweijährige Zaina und ihre Eltern Anja und Alexander waren in der Stadt einkaufen.
37:11Sie sind Evenken und gehören zu den Ureinwohnern Sibiriens. Sie tragen ihre Dasche, ihre Nationalkleidung, die sie aus dem Leder der Rentiere fertigen.
37:20Unser Töchterchen ist vorher noch nie mit dem Zug gefahren. Das wollten wir ihr einmal zeigen.
37:44Ja, die Eisenbahn. Auf der einen Seite bringt sie uns sicher Nutzen, das ist wahr. Auf der anderen Seite aber auch Probleme.
37:58Sie stört die Wanderrouten der Rentiere. Aber die Zivilisation ist nun mal nicht aufzuhalten und wir müssen uns darauf einstellen, mit ihr zu leben.
38:14Die Bahn dringt in Regionen vor, in denen man im Winter bisher nur Rentier- oder Motorschlitten begegnen konnte.
38:23Zum ersten Mal erhalten die Bewohner dieses abgelegenen Winkels einen Eisenbahnanschluss zur Welt.
38:28Als nach zwei Stunden der Zug hält, heißt es für Alexander und seine Familie umsteigen auf die schon wartenden Rentierschlitten.
38:58Bis zu ihrer Herde sind es noch sechs Kilometer.
39:28Sie machen Halt an einem der Versorgungszelte, die ihre Genossenschaft zur Betreuung der Hirten im Winterlager errichtet hat.
39:51Dort steht gerade eine heiße Chirpa auf dem Feuer, eine Art Rentier-Gulasch, das Nationalgerichte erwenken.
40:04Etwa 2000 Tiere hat die Genossenschaft.
40:08Wenn ich die Wahrheit sagen soll, die Rentiere leiden unter dem Abbau und dem Transport der Kohle.
40:15Uns verderben immer mehr Weideflächen. Entlang der Bahngleise ist im Winter der Schnee oft ganz schwarz.
40:27Der Kohlenstaub legt sich auf die Rentierflechten, und wenn die Tiere sie fressen, werden sie davon magenkrank.
40:42All das schadet uns natürlich.
40:45Aber dafür werde Russland reicher, so sagt man uns. Ja, was ist nun wichtiger?
40:54Der Zug hat den nördlichsten Punkt der Jakutischen Eisenbahn erreicht, die Station Tomot.
41:00Alles aussteigen, denn weiter führen die Gleise noch nicht.
41:03Sergej und Gennady treffen Sascha, den Gleisbauer, wieder. Er will ihnen die Bauarbeiten an der Trasse nach Jakutien zeigen.
41:12In einer Breite von 50 Metern musste die Taiga weichen. Nur die Bäume und das Buschwerk wurden abgetragen.
41:20Die oberen Teile der Gleise wurden abgetragen.
41:24In einer Breite von 50 Metern musste die Taiga weichen. Nur die Bäume und das Buschwerk wurden abgetragen.
41:32Die obere Erdschicht ist im Wesentlichen erhalten geblieben, wie Sascha erklärt, damit der darunterliegende Dauerfrostboden nicht auftaut und die Gleise versinken.
41:42Der Bau eines Kilometers der BAM kostet im Durchschnitt 4 Millionen Euro.
41:46Sergej und Gennady treten die Heimreise an. Doch schon ihre nächste Inspektionsfahrt auf der BAM wird sie noch tiefer in den Norden Sibiriens führen.
42:16Untertitel der Amara.org-Community
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