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  • vor 1 Jahr
In dieser Ausgabe unserer Talkshow befassen sich Stefan Grobe und seine Gäste mit dem Wahlausgang in Österreich, dem Brüssel-Besuch Keir Starmers und den Prostesten der "unentbehrlichen Arbeiter".

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Transkript
00:00Hallo und herzlich willkommen zu Brüssel, meine Liebe, unserer wöchentlichen Talkshow
00:17aus dem Herzen Europas.
00:18Ich bin Stefan Grobe und ich freue mich, dass Sie bei uns sind.
00:22Unsere Themen.
00:23Eine weitere Woche, eine weitere Wahl, weitere bedeutende Gewinne für die extreme Rechte.
00:29In Österreich schlug die FPÖ die traditionellen Konservativen von der ÖVP und erreichte
00:35mit Themen wie Einwanderung und Inflation ein historisches Höchstergebnis.
00:40FPÖ-Spitzenkandidat Herbert Kicke träumt von einer Festung Österreich.
00:45Warum sind die Rechtspopulisten derzeit so beliebt?
00:49Und 2016 stimmten die Briten in einem Referendum für den Austritt ihres Landes aus der EU.
00:57Es folgten jahrelange hitzige und angespannte Verhandlungen, die den Brexit regelten.
01:02Diese Woche empfing Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den neuen Premierminister
01:06Keir Starmer.
01:07Viele sahen darin den Beginn einer neuen Ära für die Beziehungen zwischen London und Brüssel.
01:13Die Atmosphäre war bestens, aber interessiert das wirklich jemanden?
01:18Fragen an unsere heutigen Gäste, allesamt aus Brüssel, und zwar Knut Detlefsen, Direktor
01:24des Future of Work-Programms der Friedrich-Ebert-Stiftung, Katrin Priebiel, EU-Korrespondentin für ein
01:30Pool deutscher Zeitungen und Richard Schenk, Referent beim Think Tank MCC Brüssel.
01:36Seien Sie alle herzlich begrüßt und ich freue mich, dass Sie hier sind.
01:43Bevor wir hier aber zur Sache kommen, schauen wir noch einmal, was in Österreich passiert
01:48ist.
01:49Wir haben eine Tür aufgestoßen zu einer neuen Ära.
01:57Herbert Kickl, der Vorsitzende der Freiheitlichen Partei Österreichs und Gewinner der Nationalratswahlen.
02:03Seine für ihre anti-europäischen und kremlfreundlichen Tendenzen bekannte FPÖ erhielt knapp unter
02:1330 Prozent der Stimmen, die konservative ÖVP rund 26 Prozent.
02:19Die Wahlbeteiligung war solide.
02:23Acht von zehn Österreichern gingen zur Wahl.
02:25Ob Kickl eine Regierung bilden kann, ist unklar.
02:31Dessen ungeachtet ist das Ergebnis Teil eines Trends in der EU.
02:35Der sogenannte Cordon Sanitaire, die Isolierung der Rechtspopulisten in den Parlamenten, wird
02:40immer schwieriger aufrechtzuerhalten.
02:42Ja, wie ist das mit dem Cordon Sanitaire, Frau Briebel?
02:50Sind rechtspopulistische Parteien nach den jüngsten Wahlen von Frankreich bis Österreich
02:55wirklich dauerhaft vom Einfluss und von der Macht fernzuhalten?
02:59Mein Eindruck ist, dass es nicht mehr der Fall ist.
03:03Wenn wir uns mal vorstellen, dass vor fast 25 Jahren als Jörg Haider, also die Rechtsextremen
03:08in Österreich erfolgreich waren und Teil einer Koalition, da war hier so ein Sturm
03:14der Entrüstung, dass man mit Sanktionen gedroht hat, beziehungsweise auch Maßnahmen umgesetzt
03:19hat, dass man tatsächlich sogar öffentlich überlegt hat, Österreich auszuschließen
03:24aus der EU, da ist die Reaktion jetzt doch eine ganz schön andere.
03:29Man hat jetzt in den letzten Jahren gesehen, wie die Rechtsextremen und Rechtspopulisten
03:33immer erfolgreicher wurden, ob in den Niederlanden, in Ungarn, Italien, könnte man auch mal zunehmen,
03:41aber natürlich auch in Frankreich, wo Frau Le Pen immer erfolgreicher wird.
03:45Also ich glaube ehrlich gesagt, dass man mittlerweile nicht mehr überrascht ist, wenn auch immer
03:50noch schockiert, aber dass die EU-Spitzen versuchen, da jetzt irgendwie Wege zu finden,
03:56wie man mit denen zusammenarbeiten kann.
03:58Also ich glaube, eine richtige Brandmauer ist mittlerweile schwierig auf europäischer Ebene.
04:03Sie haben den Bahnhof schon verlassen, Herr Schenk.
04:05Wir haben hier keinen Österreicher am Tisch, aber ich habe gelesen, Sie haben eine Angelnizenz
04:09für Oberösterreich, ist das richtig?
04:11Ja, das ist richtig.
04:12Das zählt.
04:13Dann frage ich Sie mal zum Thema Österreich.
04:17Es müsste ja immer mit den Rechtspopulisten koalieren und der natürlichste Partner sind
04:23dann immer die traditionellen Konservativen.
04:26Das gilt aber bislang noch als toxisch.
04:29In Österreich, in Frankreich, in Deutschland auch, das haben wir gesehen, in Ostdeutschland.
04:35Wie sehen Sie, wie wird sich das auflösen, diese Situation?
04:39Ein Österreicher ausgerechnet nicht.
04:41Es war 1970, dass die sozialdemokratische Legende Bruno Kreisky, die eine Tolerierung
04:46mit der FPÖ damals, die noch unter der Führung von SS-Generallen stand, akzeptiert hat und
04:53später in den 80er Jahren ist ja die Sozialdemokratie auch in formale Koalitionen mit der FPÖ eingetreten.
04:59Später die Volkspartei in den 90er, 2000er, 2010er Jahren.
05:03Aktuell regieren in drei österreichischen Bundesländern Koalitionen aus den Freiheitlichen
05:08und der Volkspartei.
05:09Also in Österreich besteht diese klassische Brandmauer seit langem nicht mehr.
05:13Daher ist die Frage im Raum, wie gehen wir mit der ÖVP um und man hat mehr Handlungsunterschiede.
05:19Aber es haben ja alle Parteien gesagt, Herr Detlevsen, in Österreich mit der FPÖ nicht.
05:25Wir wissen jetzt nicht, wie das ausgeht, der Bundespräsident spielt da ja auch eine Rolle.
05:31Der Bundespräsident spielt da ja eine wichtige Rolle und ich glaube, es ist auch wichtig,
05:35dass wir, wenn wir zumindest für die liberale Demokratie eintreten, das nicht so einfach
05:40abtun.
05:41Also wir können natürlich nicht bestimmen, was in Österreich passiert, aber der Rechtsruck,
05:47das Erstarken der Rechtsradikalen bis Rechtsextremen und die FPÖ ist in ihrer Formation, in ihrem
05:54politischen Programm, der AfD, in ihrer Radikalität sehr, sehr ähnlich.
05:58Das wird in Österreich nicht immer so klar gesagt, aber es ist so und gerade Herr Kickl
06:02ist natürlich sehr problematisch, nicht nur wegen seiner Kreml-Freundlichkeit, sondern
06:07auch mit all dem, was er, also er ist demokratiefeindlich, er ist ein Feind der liberalen Demokratie,
06:14er wählt einen autoritären Staat und also wenn man für die liberale Demokratie ist,
06:19darf man den Rechtsruck nicht normalisieren und man muss dagegen angehen und dagegen anhalten.
06:25Das bedeutet aber auch, dass wir uns natürlich nicht nur um die Rechtsradikalen drehen müssen,
06:31sondern um die Zukunft kümmern müssen und man muss ja auch immer sagen, wenn ich noch
06:35einen letzten Satz dazu sagen darf, also die Mehrheit hat ja nicht rechtsradikal gewählt
06:40und deswegen ist die Mehrheit ja liberal-demokratisch und es gibt ja Möglichkeiten in Österreich,
06:50die FPÖ nicht an der Regierung zu beteiligen.
06:53Wir haben den Vergleich mit der AfD gemacht, da möchte ich gleich nochmal drauf zurückkommen,
06:58aber bleiben wir nochmal in Österreich.
07:00Die FPÖ war nach der Wahl natürlich euphorisch und formulierte ganz klar den Anspruch, jetzt
07:05Politik gestalten zu dürfen.
07:08Hören wir dazu den FPÖ-Europaabgeordneten Harald Wilimsky.
07:12Dass die Menschen das, was wir in den Wahlkämpfen versprechen, offensichtlich das ist, was die
07:21Menschen tatsächlich umgesetzt haben wollen, das war europapolitisch so, das ist jetzt
07:26auf der Ebene der österreichischen Politik so und dass Herbert Kickl abermals das Niveau
07:32der Partei nach oben schrauben konnte, ist fulminant, großartig, eine Riesenfreude
07:37und auch Auftrag dafür, dass das jetzt Gegenstand der künftigen Politik sein muss.
07:44Ja, fulminant und großartig, Herr Schenk.
07:47Wer ist Herbert Kickl?
07:50Wofür steht er?
07:51Die Freiheitliche Partei in Österreich, die wird immer von charismatischen Führungsfiguren
07:56geleitet, das kann man so sagen, seit Jörg Haider, der Landeshauptmann von Kärnten,
08:00die die Partei zu Wahlerfolgen in den 90er Jahren geführt hat, dann später Hans Christian
08:06Strache und jetzt Herbert Kickl, also wir haben hier eine Führungsfigur, die zumindest
08:12in der eigenen Wählerschaft sehr beliebt ist.
08:14Herbert Kickl ist ein Berufspolitiker, der sehr gut die Parteipolitik beherrscht, ein
08:20guter Organisator ist, aber auch ein sehr guter Kommunikator.
08:23Seine Kommunikation ist natürlich zugeschnitten auf seine eigene Wählerschaft, ist polarisierend,
08:30aber man sollte ihn nicht unterschätzen als Politiker, er hat die Partei aus sehr
08:34großen Viren rausgeführt und man kann ihn nicht einfach als Rechtsradikalen abtun, der
08:40einfach um sich schlagt.
08:41Wofür steht er?
08:42Die Gefahr, die ich halt sehe, dass er, sollte Kickl in eine Machtposition kommen, dass er
08:56konkret eben den Rechtsstaat aushöhlen wird, dass er auch, also es gibt Listen, es gibt,
09:04das ist schwierig, er wird sicherlich die öffentlich-rechtlichen Medien einschränken
09:10wollen, das hat er ganz klar gesagt, also es wird sozusagen, die freie Meinungsäußerung
09:15wird sicherlich schwieriger werden dann in Österreich und ich meine, wir haben ganz konkrete
09:18Erfahrungen mit solchen Parteien, wenn sie an die Macht kommen, in Ungarn, in Polen und
09:25diese Erfahrungen sind aus meiner Sicht negativ, also wenn man natürlich möchte, dass es
09:31einen autoritären Staat gibt, der also auch eben ausgrenzt und bewusst gesellschaftliche
09:41Konflikte schürt und eben in Wirklichkeit keine Probleme löst, dann kann man das natürlich
09:48gut finden.
09:49Ich halte das aber für falsch, für einen fatalen Weg für Europa.
09:52Wie gesagt, er ist mit, auf seiner Wahlkampfplattform waren die Themen Einwanderung, Inflation und
09:58auch seine Haltung zur Ukraine ist auch eher pro Kreml, was mich interessiert, Frau Priebel,
10:06rechtspopulistische Parteien haben in der Regel sehr starke Führungspolitik-Persönlichkeiten,
10:14gute Redner, die also gewitzt sind mit dem Wort, auch wenn sie das einschränken möchten
10:20und dann an anderer Stelle, warum haben die anderen Parteien das nicht oder warum tun
10:24sich die anderen Parteien so schwer mit Leuten, die eigentlich so aus dem Nichts kommen und
10:31keine große politische Erfahrung haben?
10:33Ich weiß gar nicht, ob es heutzutage so sehr an den Persönlichkeiten liegt, aber es sind
10:39eben die großen Themen, die die Menschen gerade bewegen, wie Inflation, alles wird teurer,
10:45aber auch Migration und natürlich der Krieg in der Ukraine, das sind komplexe, schmierige,
10:53komplizierte Themen, da gibt es keine einfachen Lösungen drauf, aber die rechtsextremen
10:58Rechtspopulisten liefern einfache, vermeintlich einfache Lösungen und ich glaube, das spielt
11:03eine größere Rolle zurzeit als jetzt tatsächlich die Persönlichkeiten, das ist jedenfalls
11:08mein Eindruck und ich meine, man findet oder man hat eben gar keine einfachen Möglichkeiten,
11:14wie man die Zahl der Migration zum Beispiel einschränkt oder senkt und diese Dinge spielen
11:20wirklich eine große Rolle, glaube ich.
11:22Ich glaube auch tatsächlich, dass die etablierten Parteien nicht genügend Antworten gegeben
11:26haben in den letzten Jahren, aber ich finde immer das interessant, selbst wenn die FPÖ
11:31jetzt gar nicht mitregieren sollte und ich halte das tatsächlich für unwahrscheinlich.
11:36Sie bestimmen und beeinflussen trotzdem mit Ihren Themen den Diskurs, also wir konnten
11:43in den letzten Jahren schon sehen, wie die EU, wie aber auch die einzelnen Staaten immer
11:47weiter nach rechts rücken, wenn es um Themen wie Migration geht, der Ton wird schärfer
11:54und so weiter und meiner Meinung nach hat das auch viel damit zu tun, dass die rechten
11:58oder rechtsextremen Rechtspopulisten immer erfolgreicher werden und da irgendwie Indirekte
12:03auch tatsächlich Einfluss haben.
12:04Sie treiben die Altparteien, Altparteien, ein böses Wort, vor.
12:07Ja, man sieht es ja jetzt auch mit der Migration, also es ist ein großer Wandel in Deutschland,
12:12was die Diskussion angeht.
12:13Ja, Deutschland ist das Stichwort, AfD, FPÖ, ist es das gleiche Kaliber oder Schwesterparteien,
12:22ich traue mich das gar nicht zu sagen, wo stehen die, gibt es Unterschiede, Herr Schenk?
12:28Ja, deutliche Unterschiede, ich habe schon erwähnt, dass die FPÖ seit über 50 Jahren
12:33langsam Teil des österreichischen Parteiensystems geworden ist, da bestand die Brandmauer schon
12:38lange nicht mehr in der Form, wie wir sie in Deutschland kennen aktuell, daher hat die
12:42FPÖ ganz, hat Regierungspersonal in den österreichischen Bundesländern, hat Landeshauptleute
12:47gestellt, hat, sie haben einen ganz anderen Unterbau, sie haben auch zum Teil Kontakte
12:52in die anderen Parteien hinein, also sie verhalten sich wie ein normaler parteipolitischer
12:57Akteur und die AfD ist ganz anders in Deutschland, die AfD ist wesentlich fragmentierter, wesentlich
13:03heterogener in sich und ist noch nicht in einem reifen Prozess als politische Partei
13:09angekommen wie die FPÖ und das war auch eines der großen Gründe, wieso die auf europäischer
13:14Ebene nicht zusammengekommen sind nach den Wahlen und zwei verschiedene politische Gruppierungen
13:18angekommen sind.
13:19Die AfD ist natürlich auch noch radikaler, also noch rechtsradikaler, auch in ihrem Führungspersonal
13:26und auch in ihren Forderungen und gefährlicher, also insofern und natürlich ist glaube ich
13:32auch die politische Situation in Deutschland eine ganz andere und also wenn Sie sich vorstellen,
13:39eine Regierungsbeteiligung der AfD würde also international auch außerhalb Europas
13:46zu Recht nicht nur besorgen, sondern also Krisenmodus auslösen. Deutschland als größtes
13:52EU-Land und es würde die Stabilität Europas gefährden.
13:56Ganz kurz, wir haben vorbereitet eine Karte mit Regierungen mit rechtspopulistischer Beteiligung
14:01in der EU, es sind sieben, wenn wir das mal sehen können, da haben wir es Italien, das
14:07meiste sind Koalitionsregierungen, dann Mitteleuropa, Kroatien, Ungarn, die Slowakei, die Tschechische
14:13Republik, die Niederlande und Finnland. Also man kann das nicht einschränken und wir haben
14:20also starke rechtspopulistische Gruppen in Deutschland, in Frankreich.
14:24Aber die sind auch zersplittert, die extremen Rechten.
14:26Die sind, kommen wir mal drauf zu sprechen. Das hat ja die Europawahl gezeigt, dass die
14:32also nicht ohne weiteres miteinander können, wenn es um die Frage der Fraktionsbildung
14:38ging. Warum sind rechtspopulistische Gruppen derzeit so populär? Es ist wirklich nur die
14:43einfache Antwort auf Migration. Also ich glaube tatsächlich, dass es einer
14:51der großen Gründe ist. Es ist natürlich eine allgemeine Fragmentierung der Parteienlandschaft
14:57in ganz Europa statt. Das kommt noch hinzu und natürlich ist es nicht immer nur mit
15:01einem Thema erklärt, aber ich glaube tatsächlich, dass auch diese ganze Ungewissheit, es ist
15:10so viel Instabilität. Viele Menschen haben tatsächlich die Sorge, wie bezahlt man in
15:17nächstem Jahr noch die Rechnung. Ich glaube tatsächlich, dass das alles mit rein spielt,
15:21auch die ganze Weltlage, die für Unsicherheit sorgt.
15:25Ich glaube, dass das wichtig ist, die Zukunftsangst, die viele Bürgerinnen und Bürger haben
15:31und die Unsicherheit durch die vielen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind und natürlich
15:38ist es auch schwierig eben, diese Krisen schnell zu lösen. Selbst wenn man sehr große Handlungsmöglichkeiten
15:48hätte, was ja die Politik oft gar nicht hat, weder finanziell, noch sind die politischen
15:53Spielräume oft sehr klein und real, wie sollen wir den Krieg in der Ukraine schnell beenden?
16:01Es wird keine schnelle Beendigung des Krieges, aber dieser Krieg ist unterschwellig.
16:08Natürlich eine Bedrohung und verändert die Stimmungslage, verändert ja auch die politischen
16:14Realitäten, also Durchflüchtlinge, die wir aufnehmen, millionenfach und es ist inzwischen
16:21ja auch schon eine lange Zeit, in der diese Krisen und die Krisen betreffen natürlich
16:26auch gerade Leute mit niedrigem Einkommen stärker als Leute mit höhem Einkommen und
16:31die Rechten, die Rechtsradikalen, die Rechtspopulisten schüren diese Konflikte, diese innergesellschaftlichen
16:37Konflikte ganz bewusst, weil es für sie günstig ist, ihre Themen auch nach vorne zu bringen
16:46und eben keine Lösung anzubeten. Das ist ja genau das, was man möchte.
16:50Und ich glaube, wenn ich noch eine Sache hinzufügen darf, ich glaube, es ist auch immer so, dass
16:54wir sprechen, wir kümmern uns wieder nur um uns, also zurück zum Nationalstaat, was
17:01wir wissen, dass es bei vielen Krisen eben überhaupt nicht funktionieren wird, da braucht
17:07man die EU oder man braucht G7, also große Zusammenschlüsse, um überhaupt eine Stimme
17:14noch zu haben, um überhaupt Gewicht in der Welt zu haben, aber ich glaube, das ist ein
17:19gern gesehenes Angebot, wenn dann Parteien kommen und sagen, warum bezahlen wir hier
17:25überhaupt diese EU oder was machen wir hier eigentlich in der Union, wir besinnen uns
17:31wieder auf uns und wir ziehen die Grenzen hoch und so weiter.
17:35Also ich widerspreche da recht vehement, weil das ist die intellektuelle Kapitulation, wenn
17:41man sagt, Sachen sind komplex und so viele Krisen, wenn man sich noch mal vor Augen führt,
17:46vor 50 Jahren standen die Sowjets in der Mitte Europas, im Herzen, mitten in Berlin und wir
17:53hatten wirklich sehr gute Volksparteien, die Sozialdemokratie und die Christdemokratie,
17:58wir können zig Namen aufzählen, von Konrad Adenauer bis Helmut Schmidt, die Europa sehr,
18:03sehr gut durch die Krisen gesteuert haben und damals haben die traditionellen Parteien
18:07eine Lösung gefunden, wo die Leute ihnen vertraut haben und wenn man heute sagt, oh ja, das
18:13ist so komplex und so, es geht so rasend schnell, dann ist das natürlich ein Hemmnis
18:18zu übertauschen.
18:19Aber ist es nicht gerade...
18:20Sie haben recht, natürlich, man hätte auch bei der Migration...
18:21Ich will mal kurz auf das politische Personal zu sprechen kommen, das ist natürlich ein
18:23Argument zu sagen, das sind alles Parteien, die seit Jahrzehnten uns durch die Weltgeschichte
18:29führen, eigentlich recht gut und jetzt kommen hier politische Neuankömmlinge, denen können
18:36auch schlechte Schlagzeilen nichts anhaben, Marie Le Pen ist jetzt in einem Korruptionsprozess,
18:41ich glaube nicht, dass sich ihre Wahlchancen dadurch verschlechtern, weil sie Geld abgezwackt
18:45haben, was sie nicht hätten tun sollen, sie und ihre Partei.
18:50Warum kommt es, in den USA sehen wir dasselbe, warum können diese negativen Schlagzeilen
18:56den Politikern der Rechten nichts anhaben?
18:58Na gut, also bei Donald Trump ist natürlich nochmal eine besondere Situation, ich wollte
19:02nur noch auf einen Punkt hinweisen, es ist natürlich jetzt auch kein Zufall, sondern
19:05eben die Rechten, also die Ultrarechten arbeiten ja auch eng miteinander zusammen, die Berater
19:12von Donald Trump, die ihn letztendlich an die Macht gebracht haben 2016, Steve Bannon
19:18allen voran, also Beret hier in Europa und es ist natürlich nicht einfach eine intellektuelle
19:27Kapitulation, es ist eine andere Zeit, eine andere kommunikative Zeit und natürlich gibt
19:32es Lösungen für Probleme und es werden ja auch Lösungen angeboten.
19:37Gut, dann mal sehen, wir wollen, wir müssen jetzt eine kleine Pause machen und danach
19:45in London will Keir Starmer ein besseres Verhältnis zur EU, wen interessiert's?
19:50Bleiben Sie bei uns.
20:00Willkommen zurück zu Brüssel, meine Liebe, unsere Gäste sind immer noch Katrin Priebel,
20:04Richard Schenk und Knut Detlefsen.
20:06Keir Starmer begann diese Woche eine Charme-Offensive in Sachen EU, der erste Londoner Regierungschef
20:13seit 2019, der persönlich nach Brüssel kam und es gab deren fünf in dieser Zeit.
20:19Der Premierminister wollte die gehässigen Brexit-Jahre vergessen machen und einen Neuanfang
20:24wagen.
20:25Brüssel freut sich darüber, doch gibt es null Appetit, irgendeine Brexit-Regelung auch
20:30nur anzufassen.
20:31Also, London calling, but who cares?
20:36Das ist natürlich etwas überspitzt formuliert, aber liegen nicht die beiderseitigen Prioritäten
20:40derart auseinander, dass eine substanzielle Annäherung eigentlich nicht vorstellbar ist,
20:46Frau Priebel?
20:47Ich glaube, das Problem ist, dass beide Seiten etwas anderes wollen.
20:53Zum einen, also natürlich hat Keir Starmer, der neue Premierminister, angekündigt, Neustart
20:59zu wollen und er will change, nur diese ganzen Versprechen wurden überhaupt noch gar nicht
21:05mit Inhalten gefüllt, also niemand weiß, was ist er bereit zu ändern, was ist er bereit
21:11zu geben vielleicht.
21:12Jetzt hat es sich natürlich hier mit Frau von der Leyen und auch anderen EU-Vertretern
21:18getroffen, aber Details gab es trotzdem nicht.
21:22Ich weiß nur, dass in Großbritannien Brexit immer noch ein toxisches Thema ist, also dass
21:27jetzt irgendwelche Verträge geändert werden, halte ich für ausgeschlossen, das will auch
21:33die Labour-Partei nicht.
21:34Jetzt will die EU, dass man vielleicht an manchen Stellen etwas machen kann, aber da
21:38kam irgendwie auch nichts raus.
21:39Also ich könnte mir vorstellen, dass man in Bereichen wie Sicherheit, Verteidigung
21:43und so weiter vielleicht enger zusammenarbeitet.
21:45Der Ton ist auch deutlich freundlicher geworden, ob sich substanziell etwas ändert, das wage
21:51ich wirklich zu bezweifeln, weil da beide Seiten, vor allem die EU, keinen Appetit mehr hat.
21:55Wir haben ein Stück von Keir Starmer vorbereitet, gestern von der Pressekonferenz mit Osa von
22:01der Leyen, das hat er gesagt.
22:03Ich bin fest davon überzeugt, dass die britische Öffentlichkeit eine Rückkehr zu einer pragmatischen,
22:10vernünftigen Führung wünscht, wenn es um den Umgang mit unseren engsten Nachbarn geht,
22:15damit der Brexit gelingt und wir in ihrem Interesse Wege finden, das Wirtschaftswachstum
22:19anzukurbeln, unsere Sicherheit zu stärken und gemeinsame Herausforderungen wie irreguläre
22:24Migration und Klimawandel zu bewältigen.
22:26Ja, er sagt, den Brexit zum Funktionieren zu bringen, in der englischen Originalversion,
22:35das heißt also mit anderen Worten, der Brexit funktioniert bislang nicht, oder?
22:39Naja, er möchte, dass der Brexit für die Briten besser funktioniert und er hat natürlich
22:48das Dilemma, dass er eben die Brexit-Unterstützer nicht verprellen möchte politisch im eigenen
22:56Land, weil sie Teil seiner politischen Allianz sind und er möchte sich, Keir Starmer, jetzt
23:03eben erstmal auf Großbritannien selbst konzentrieren, insbesondere eben im Bereich Arbeit, er möchte
23:11eben vorankommen, make work pay again, also dass sich die Arbeit auch wieder lohnt, darum
23:18geht es ihm insbesondere, er möchte eben gesundheitspolitisch vorankommen, hat dort
23:23ja auch schon viel auf den Weg gebracht, er möchte den Verkehr voranbringen, also die
23:28Eisenbahnen, also er hat schon viel auf den Weg gebracht im eigenen Land und jetzt wird
23:33ein starker Fokus sein, Sie haben es gerade erwähnt, er wird den Sicherheitsaspekt und
23:38eben den Beitrag, den Großbritannien dafür, europäische Sicherheit, tatsächlich mit
23:44der britischen Armee und ihrer Ausrüstung und auch ihrer Erfahrung, eben den wird er
23:50einbringen wollen und anderes eben zum jetzigen Zeitpunkt nicht.
23:55Also es ist ja schön, dass er innenpolitisch was auf die Beine stellt, aber müsste man
23:58nicht fairerweise, ehrlicherweise den Briten zu verstehen geben, zum Thema Brexit ist alles
24:04gesagt, wenn ihr Verbesserung wollt, müsst ihr wieder EU-Mitglied werden?
24:08Ich stimme der Lageeinschätzung eigentlich zu, Kirsten Tham als innenpolitischer Spielraum
24:13ist begrenzt auf die EU zuzugehen, das ist aber eine Katastrophe, wenn wir ehrlich sind,
24:18weil die EU wollte immer Großbritannien eigentlich drin haben, zumindest habe ich das gedacht,
24:23bis ich gesehen habe, wie viele Leute sich klammheimlich darüber gefreut haben, dass
24:26die endlich weg sind.
24:27Und es gibt eine große Gruppe an europäischen Staaten, unter anderem Deutschland, die immer
24:32historisch gesehen dafür eingetreten ist, dass Großbritannien an der europäischen Architektur
24:37beteiligt ist.
24:38Und ich bin sehr froh darüber, dass gerade aus dem Kanzleramt dann doch andere Töne
24:42zu vernehmen sind, wie man das aus anderen Ländern, anderen Parteien hört, dass die
24:47Briten jetzt quasi bestraft werden sollen, was man in ihren Exemplen statuieren will,
24:53dass sie gewagt haben, die EU zu verlassen.
24:55Das ist, glaube ich, eine sehr, sehr kurzsichtige Sichtweise und wir brauchen Großbritannien.
24:59Ich möchte Frau Priebel, die besondere Beziehungen zu Großbritannien hat, ich will es mal so
25:07formulieren.
25:08Wenn sich zwei Partner trennen und da ist eine schwierige Scheidung, dann kommt danach
25:13so, ihr habt bei vielen dieser Partner so das Gefühl der Erleichterung und der Befreiung.
25:18Ist das, was die EU spürt?
25:22Ich glaube einfach, dass man jahrelange Dramen, dass man so ein bisschen müde ist und jetzt
25:27denkt, wir wollen nicht schon wieder in diese innenpolitischen Konflikte hereingezogen
25:32werden, was tatsächlich passieren würde, wenn man jetzt verschiedene Fässer aufmacht
25:38im Sinne von zum Beispiel, dass man das Handelsabkommen vielleicht auf den Prüfstand stellt und verändert.
25:44Ich glaube aber, man darf jetzt noch gar nicht so weit denken.
25:48Ich glaube, es ist jetzt gerade die EU zum Beispiel, hat angeboten, einfach Reisemöglichkeiten
25:53für Jugendliche, Schüler und Studenten, nicht mal das ist Großbritannien bereit zu
25:59geben.
26:00Also ich glaube, wir müssen jetzt ganz kleine Brötchen backen, das muss vielleicht jetzt
26:03tatsächlich es langsam wieder auf den Weg kommen, dass man sich annähert, weil da ist
26:08schon ganz schön viel Porzellan zerbrochen in vielen Jahren.
26:11Ich stimme Ihnen zu, dass man natürlich so eine trotzige Reaktion braucht man jetzt
26:16nicht in Brüssel.
26:17Aber ich glaube tatsächlich, dass da viele Narben noch nicht verheilt sind.
26:23Deswegen wäre es jetzt gut, wenn man tatsächlich solche Dinge wie gestern, der Besuch, wenn
26:29man das jetzt fortführt und häufiger wieder macht und enger zusammenarbeitet.
26:33Das ist ja alles nett, aber es wird sich ja substanziell nichts ändern.
26:37Naja, aber vielleicht ja in ein paar Jahren und also Politik ist ja Arbeit und deswegen
26:42ist eben tatsächlich die politische Annäherung und auch zu signalisieren, dass wir als Europäer
26:51signalisieren, wir wollen Großbritannien als strategischen Partner und wir wollen auch
26:57eine Rückkehr Großbritanniens in die Zollunion, glaube ich, als politisches Signal wichtig
27:04und auch eine gewisse Geduld zu haben, eine strategische Geduld, um auf Großbritannien
27:12zuzugehen und auch wenn Kirstahmer politisch im eigenen Land Erfolg hat, er sich stabilisiert
27:19und auch, sag ich mal so, die jüngere Generation in Großbritannien stärker wird, dann gibt
27:26es ja auch neuen politischen Spielraum und dann gibt es ja auch eine Chance, dass sich
27:29die Politik in Großbritannien verändert.
27:31Gucken wir mal, was passiert.
27:33Das soll es zu diesem Thema gewesen sein.
27:35Vielen Dank an unsere Gäste und an unsere Zuschauer.
27:37Bleiben Sie bei euren News.
27:42Willkommen zurück zu Brüssel, meine Lieben.
27:49Ich bin Stefan Grobe, immer noch zusammen mit Richard Schenk, Knut Detlefsen und Katrin
27:53Priebel.
27:54In Brüssel haben diese Woche Beschäftigte von Reinigungs-, Sicherheits- und Cateringdiensten
28:00protestiert.
28:01Sie beklagen sich über niedrige Löhne und eine übermäßige Arbeitsbelastung.
28:05Doch das ist nicht alles.
28:06So vermissen sie auch eine fehlende berufliche Anerkennung, die sich in Tarifverträgen niederschlagen
28:12solle.
28:13Wir fordern vor allem Respekt vor den Arbeitern, insbesondere in der Reinigung, in der Sicherheit
28:20und im Catering-Service.
28:21Wir wollen eine Änderung des europäischen Rechts, sodass ein Tarifvertrag die Voraussetzung
28:26für die öffentliche Auftragsvergabe ist.
28:28Wir können nicht weiterhin vom günstigsten Preis ausgehen.
28:31Wir müssen auf Qualität setzen.
28:33Es handelt sich schließlich um öffentliche Gelder.
28:36Die werden für das öffentliche Gut genutzt.
29:06Wir wollen einen langfristigen Erfolg erzielen, der nicht nur den Menschen, die hier protestieren,
29:09zugutekommt, sondern allen Haushalten mit geringem Einkommen.
29:12Die EU sollte wieder ihrer Agrarpolitik dahingehend überdenken, dass sie auch die Lebensmittelpreise
29:17wirklich senken sollte und den Leuten auch mal einen kleinen Luxus wie einen Steak zubilligen
29:23sollte.
29:24Interessanter Ansatz.
29:26Es geht ja hier um öffentliche Aufträge.
29:28Es geht hier um Tariftreuegesetze, so nennt man das ja in Deutschland.
29:33Im Grunde genommen ist ja die Forderung, dass die EU einen politischen Rahmen schafft, dass
29:39die einzelnen Länder solche Tariftreuegesetze dann auch in die nationale Gesetzgebung übernehmen.
29:44Das heißt, dass öffentliche Aufträge erteilt werden, nur an Firmen, die nach Tarif bezahlen,
29:52aber auch eben andere Standards einhalten.
29:56Und das ist natürlich erstmal etwas Positives, wenn man am sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft
30:02interessiert ist und ja auch etwas, wenn öffentliche Gelder zum Einsatz kommen, etwas Positives
30:08und Nachvollziehbares.
30:10Es geht ja insbesondere um den Dienstleistungssektor, um Branchen, wo eben oft, also sehr, sehr
30:17mit unfairen Bedingungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gearbeitet wird, also im
30:22Sicherheitsbereich, wo Geschmueh gemacht wird.
30:25Frau Priebel, die Frage nach dem gerechten Lohn, das scheint mir hier der entscheidendste
30:30zu sein.
30:31Was ist ein gerechter Lohn?
30:32Ich glaube, die Frage ist so alt wie der Kapitalismus.
30:34Wie können wir denn bei immer größer werdenden Einkommensunterschieden zwischen den untersten
30:42und den höchsten Einkommen, diese immer größer klaffende, wie können wir damit eigentlich
30:48als Gesellschaft zurechtkommen?
30:50Ich glaube, ehrlich gesagt, das hat schon viel mit Wertschätzung hier zu tun.
30:53Und wenn man gesehen hat, dass während der Pandemie zum Beispiel, man viele Menschen
30:58in dieser, gerade in diesem Sektor, die Essential Workers, die jeden Tag sozusagen noch gearbeitet
31:05haben.
31:06Ich glaube, es liegt einfach an der Vergabepraxis dieses Problemes, also dass man immer den
31:10untersten Preis eigentlich oder den Fokus auf diesen untersten Preis hat, statt dass
31:14man auch soziale Kriterien mit einbezieht.
31:17Und ich glaube, da kann natürlich die EU schon viel machen.
31:19Das, was die EU machen kann eben, dass man eben bei der Vergabe verschiedene Kriterien
31:26berücksichtigt.
31:27Und nicht nur den Preis.
31:28Dass ausschließlich der niedrigste Preis das Kriterium ist, was auch so ja gar nicht
31:32sein muss, sondern dass man sagen kann, das ist das beste Angebot, weil es auch eine Qualität
31:38sichert und weil es mit fairen und guten Arbeitsbedingungen produziert wird.
31:44Und deswegen auch ein Ziel der Europäischen Union sollte es ja sein, also die Kohäsion
31:50Europas und den Zusammenhalt zu steigern.
31:54Und das kann man eben auch gerade, indem man...
31:57Wenn das funktioniert, dann kriegen wir vielleicht alle auch ein Steak auf den Teller.
32:00Und wenige werden es gerade nicht haben.
32:02Mit einem guten Preis und aus Europa.
32:04Wunderbare Schlussworte hier.
32:06Wir sind am Ende von Brüssel, meine Liebe.
32:08Vielen Dank an unsere Runde, Ihnen allen und an unsere Zuschauer zu Hause.
32:12Wenn Sie uns etwas mitteilen möchten, egal zu welchem Thema, schreiben Sie an brusselmeineliebe
32:17at euronews.com oder in den sozialen Medien.
32:21Das war's für heute.
32:22Ich bin Stefan Grobe.
32:23Ihnen eine angenehme Woche.
32:25Bis bald.
32:27Untertitel der Amara.org-Community
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