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  • vor 2 Tagen
Lesung aus "Plaudereien in meinem Studierzimmer". Ähnlichkeiten mit Ereignissen heutiger Zeit und unseres Landes sind rein zufällig...
Rhetor: Henning Westrup

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Gott segne Sie !

Kategorie

Menschen
Transkript
00:01So meine Lieben, heute Sonntag, die Sonne scheint, es lacht das Herz.
00:06Gott lässt seine Gnadensonne, sein Licht leuchten über seine gesamte Schöpfung und zur Freude ihm, zur Ehre.
00:14Und da macht es keinen Sinn, dass ich mich jetzt hier in die Ecke lege und im Stillen weine
00:20über den heruntergekommenen Zustand unseres Volkes, unseres Vaterlandes und unserer Kirche.
00:25Das hat überhaupt keinen Zweck, einen Kopf in den Sand oder in die Kissen zu stecken.
00:31Stattdessen greife ich lieber in meine Bibliothek rein und finde ein Buch von Wilhelm Busch.
00:35Plaudereien in meinem Studierzimmer.
00:38Pass auf, da lese ich euch mal eine Passage daraus vor, dann kommen wir auf andere Gedanken, alle zusammen.
00:44Da heißt es, und nun beginnt eine der Plaudereien in meinem Studierzimmer, sagt Wilhelm Busch,
00:50da muss ich jetzt mal weit ausholen. Es war im Jahr 1933, als Hitler an die Macht kam.
00:57Also ist es eine Zeit, die vielleicht so ein bisschen was mit unserer heutigen zu tun haben könnte.
01:05Ich sage es mal ganz, ganz vorsichtig, nicht?
01:07Ich, sagt Wilhelm Busch, ich war damals schon Jugendpfarrer in Essen und leitete die blühende Arbeit im Weigelhaus.
01:15Hunderte von jungen Burschen sammelten sich hier.
01:19Bald, nach der Machtergreifung Hitlers, begann der Kampf der Hitlerjugend gegen alle anderen Verbände.
01:27Ja, es hätte dem Staat ja freigestanden, diese alles zu verbieten und alle jungen Menschen in der Hitlerjugend zusammen zu kommandieren.
01:34Aber, seltsamerweise, hatten die führenden Leute die optimistische Vorstellung,
01:39Die Jugend würde schon freiwillig ihre bisherigen Verbände und Kreise verlassen und unter die Fahnen der Hitlerjugend strömen.
01:49Sogar enttäuschend geschah das aber nicht.
01:51So begann man, zuerst einen leisen, dann aber einen immer stärkeren Druck aufzubauen.
01:58Und das halte dann auch.
01:59Ein Jugendverband nach dem anderen verschwand.
02:02Manche gliederten sich freiwillig in die Hitlerjugend an, andere lösten sich auf.
02:07Einige idealistische kleine Kreise gingen in den Untergrund, wo sie dann aus Mangel an Nachwuchsen irgendwann langsam abstarben.
02:15Da und dort hörte man auf einsamen Wanderpfaden die Parodie eines bekannten Pfadenliedes.
02:23Wir traben in die Weite, das Fähnenlein stand im Spind, viel tausend uns zur Seite, die auch verboten sind.
02:33Soweit das Lied aus der damaligen Zeit.
02:35Das war damals, glaube ich, noch nicht verboten.
02:39Aber es gibt auch heute das ein oder andere Lied, eventuell das auch schon verboten ist.
02:45Kann das sein?
02:47Weiter.
02:47Aber die Hitlerjugend sandte ihre Speer in alle Jugendherberge und auf alle Wanderwege und wehe den jungen Menschen, die der Fortführung aufgelöster Verbände verdächtigt werden konnten.
03:00Gesinnungsverdacht.
03:04Das war ein Gedankenverbrechen, würde man heute sagen, nicht?
03:09Als das Jahr 1933 zu Ende ginge, standen nur noch die konfessionellen Verbände, geschlossen und intakt auf dem Schlachtfeld.
03:18Sie weigerten sich, einer freiwilligen Selbstauflösung zuzustimmen.
03:24Im Jahre 1934 wurde der Druck so richtig hart.
03:28Umso mehr wuchs die Arbeit des Weigelhauses aber.
03:32Sicher kamen viele Jugendliche aus den aufgelösten Verbänden zu uns,
03:36aber das geistliche Leben blühte wie selten zuvor.
03:40Ja, gerade diesen neu zu uns kommenden Jungen ging auf, wie im Evangelium die wahre Freiheit geschenkt wird.
03:50Nun wurden uns alle Fahrten verboten.
03:54Darauf richteten wir Misteunsfeste ein, zu denen man ja doch wandern musste, weil man kein Geld für die Eisenbahn hatte damals.
04:03Es wurden die Fahrtenhemden verboten.
04:06Ja, darauf erschien das Volk, fand in ganz abenteuerlicher Kleidung.
04:13Es wurden uns die Fahrtenmesser verboten.
04:16Das erinnert uns daran, weiß nicht.
04:18Sogar auf Taschenmesser untersuchten H.J. Speer unsere Jugendlichen.
04:24Sport wurde uns auch verboten.
04:27Es gab halt nichts, was nicht verboten war.
04:30Aber es ging wie beim Volk Israel in Ägypten.
04:34Da heißt es in der Bibel, je mehr sie das Volk unterdrückten, je mehr es sich mehrte und ausbreitete.
04:43Nun, inzwischen war der Günstling Hitlers Pfarrer Ludwig Müller zum Reichsbischof ernannt worden.
04:50Und ich war Jugendpfarrer für die ganze Synode in Essen geworden, sagt Pfarrer Wilhelm Busch.
04:56Eines Tages erschien in den Zeitungen mit großen Schlagzeilen die Nachricht,
05:01der Reichsbischof Müller habe die evangelische Jugend in die H.J. eingegliedert.
05:11Und wir sandten ihm ein Telegramm, welches sehr deutlich sagte, er habe über uns verfügt,
05:18ohne das Recht dazu zu haben.
05:20Und wir könnten seine Abmachungen nicht anerkennen.
05:26Daraufhin wurde ich, Wilhelm Busch, meines Amtes entsetzt.
05:31Aber die Jugendarbeit ging trotzdem weiter.
05:34Unser Slogan war, der Bischof hat eine Ware verkauft, die ihm gar nicht gehörte.
05:41Der nächste Schritt war natürlich folgerichtig.
05:43Die H.J. ging zu Gewaltakten über.
05:46Auch das kennen wir ja heutzutage nicht.
05:48Nach der Sitte des Dritten Reiches bekam die Polizei die Anweisung,
05:54in keinem Falle einzugreifen.
05:57Hört, hört.
05:59Damit waren wir also rechtlich und völlig vorwollfrei ausgeliefert.
06:03Als es immer mehr dazu kam, dass unsere Jungen auf der Straße überfallen und verprügelt wurden,
06:10griffen wir zur Selbsthilfe.
06:12Wir ließen uns die Genehmigung zu einer Kundgebung am Essener Wasserturm geben.
06:18Jeden war klar, dass damit eine Schlacht vorprogrammiert war.
06:22Wir bekamen die Genehmigung sogar.
06:25Als die Kundgebung zu Ende ging, fielen Horden von H.J. Burschen zivil über uns her.
06:32Sie hatten zivil angezogen, damit man die Sache als spontanen Ausdruck des Volkszornes darstellen konnte.
06:39Mit all dem hatten wir aber gerechnet.
06:4350 starke junge Burschen hatte ich bereitgestellt, die jetzt eingriffen.
06:49Die Hitlerjugend war hoch erstaunt, dass sie auf Widerstand stieß.
06:54Sie floh und holte die Polizei.
06:56Die erschien nun doch, da die Sache anders lief, als man erwartet hatte.
07:03Der Polizeioffizier sagte drohend zu mir, sie leisten Widerstand gegen die Staatsjugend.
07:10Ich erwiderte ihm, aber nein, ich sehe keine Uniform der Hitlerjugend.
07:16Nein, ich muss also annehmen, dass asoziale Gruppen uns überfallen haben.
07:22Die haben wir natürlich gründlich verkloppt.
07:26Die Sache verlief danach im Sande.
07:29Ich bekam einen bösen Vermerk in die Akten und die Hitlerjugend hatte ihre Lehre bekommen.
07:35Es wird immer unverständlich bleiben, warum der Staat jetzt nicht endlich unsere Verbände einfach mit einem Verbot belegte.
07:43Man wollte wohl unter allen Umständen die Fiktion aufrechterhalten.
07:48Die Jugend sei freiwillig zur HJ geströmt.
07:53Entscheidend wurde eine zweite Schlacht.
07:56Die HJ hatte in dunklen Nächten zwei katholische Jugendheime besetzt und sich einfach angeeignet.
08:03Wohl wurde ein Prozess angestrengt, aber der kam nie zu einem Ende.
08:08Es war uns klar, dass jetzt auch unser schönes Clubhaus, das alte Weigelhaus, an die Reihe käme.
08:17Da bildeten wir eine Wache von hundert jungen Männern, die abwechselnd im Weigelhaus die Nächte zubrachten.
08:23Ich drückte alle Augen zu, wenn ich bemerkte, dass diese Burschen sich Gummischläuche, Schlagringe und Knüppel besorgten.
08:35Und dann ging es in einer Nacht so richtig los.
08:39In meiner nahegelegenen Wohnung schelte die Alarmklingel, die wir mit einer besonderen Leitung dort angelegt hatten.
08:45Mit hat meine arme Frau ziemlich leid, die gerade unser jüngstes Kind zur Welt gebracht hatte.
08:51Ich hatte sie nämlich nicht ins Krankenhaus gebracht.
08:54So wurde das ein aufregendes Wochenbett für sie.
08:58Sofort rief ich die Polizei an und meldete, unqualifizierte Banden wollen das Weigelhaus angreifen.
09:05Nach langer Zeit, nach langer Zeit, in der niemand erschien, ließ mich ein Polizeioffizier, den ich kannte, in das nahe Revier kommen und teilte mir mit,
09:18er hätte Befehl, falls die HJ angreife, solle die Polizei so tun, als ob sie nichts bemerke.
09:27Klingt doch ganz zeitnah, nicht?
09:29So greifen Sie also unter gar keinen Umständen ein, fragte ich.
09:35Leider dürfen wir nicht, Sie müssen das verstehen, Herr Pfarrer.
09:40Gut, ich bin einverstanden, erwiderte ich zum Erstaunen dieses Mannes.
09:45Und dann rannte ich zum Weigelhaus.
09:49Rings um das Haus hatten sich viele hundert junge Kerle versammelt.
09:54Ich kam gar nicht mehr in das Haus hinein, so konnte ich alles nur von außen beobachten,
09:59wie die Horden auf einmal mit Gebrüll losstürmten, wie dann die Tore des Hauses aufflogen,
10:06wie meine fünfzig Mann zum äußersten Erschlossen herausstürmten.
10:11Die HJ war einfach nur entsetzt.
10:14Das war auf keinen Fall in ihrem Plan vorgesehen.
10:18Und dann begann eine großartige Prügelei.
10:22Fliehen, fliehende HJ-Burschen rannten zum nahen Bahnhof.
10:27Als die Leute dort merkten, was gespielt wurde, griffen sie ein.
10:31Völlig unbekannte Männer machten sich eine Freude daraus,
10:34ihren Groll gegen alle Bedrückung auf einmal auslassen zu können.
10:38Es wurde ein völliger Sieg.
10:44Als die Polizei endlich doch erschien, war schon alles vorbei.
10:49Am nächsten Morgen um 8 Uhr meldete ich mich beim Polizeipräsidenten,
10:54dem sehr gerechten und auch gutwilligen SS-Führer Zech.
10:59»Herr Präsident«, begann ich, »Sie müssen sich jetzt klar werden,
11:05ob wir in einem Rechtsstaat leben oder ob wir Wildwest spielen wollen.
11:10Wenn Sie die Bürger nicht schützen wollen,
11:13dann müssen wir uns nach Wildwestart selber helfen.«
11:18»Ich verstehe nicht recht«, stammelte er.
11:22Offenbar war ihm die ganze Sache überhaupt nicht bekannt geworden.
11:25In diesem Augenblick klopfte es und ein Beamter brachte den Bericht
11:30der nächtlichen Vorgänge zu ihm.
11:33Lange war es still, während er las, und mir klopfte das Herz.
11:39»Wird er mich jetzt wohl sofort verhaften?«, fragte ich mich.
11:43Auf einmal lacht er schallend los.
11:47»Das ist ja wundervoll«, schrie er.
11:49»Und diese H.J. hat sich von Ihren Burschen verprügeln lassen?
11:53Das geschieht denen aber recht.«
11:58Er gab mir die Garantie, dass die Polizei uns von nun an schützen werde.
12:06»Ich möge doch nur bitte meine Truppe abrüsten.«
12:11Der Mann hatte Wort gehalten.
12:13Später wurde er auf einen unbedeutenden Posten abgeschoben.
12:18Er war wohl zu gerecht für das System dieses Staates.
12:24Im Frühjahr 1934 wurden unsere Verbände vom Staat aufgelöst.
12:29Eine Zeit lang wurde das Weigelhaus polizeilich versiegelt.
12:34Später haben wir dann in Bibelstunden und Missionsveranstaltungen
12:38das junge Volk wieder dort versammeln können.
12:41Die Arbeit ging dann weiter bis zum bitteren Ende des Dritten Reiches.
12:49Soweit diese Episode aus dem Buch »Plaudereien« von Wilhelm Busch
12:54in meinem Studierzimmer erschienen bei CLV.
13:00»Plaudereien« von Wilhelm Busch
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