Seit dem 7. Oktober 2023 und dem Krieg im Gazastreifen gibt es in Deutschland mehr antisemitische Vorfälle. Die Angriffe auf Juden stiegen um 20 Prozent. In Berlin fürchten sich viele Juden - vor allem in der Öffentlichkeit.
00:01Diese Kette soll daran erinnern, dass sich noch Geiseln in den Tunneln der Hamas befinden.
00:06Auf dem oberen Teil steht auf Hebräisch, unser Herz ist in Gaza entführt.
00:11Und auf dem unteren Teil steht auf Englisch, bring sie jetzt nach Hause.
00:18Michael möchte nicht erkannt werden. Er ist jüdisch und hat Wurzeln in der Ukraine und in Israel.
00:24Seit fünf Jahren lebt er in Berlin.
00:25In der U-Bahn-Linie 8 sah ein Mann seine Halskette, beschimpfte ihn auf Arabisch, Englisch und Deutsch und belästigte ihn körperlich.
00:36Er schrie Free Gaza, Free Palestine, Kindermörder, Frauenmörder, all die Propaganda, die Hamas der Welt zeigt.
00:47Vandalismus, Graffiti und Davidsterne, die als Hakenkreuze dargestellt werden, tauchen zunehmend an den Wänden in Berlin auf.
00:55Zusätzlich zu den verbalen Angriffen, Beleidigungen und Gewalt gegen Menschen, die als jüdisch oder israelisch wahrgenommen werden.
01:04Jüdische Geschäftsinhaber berichten, dass ihre Läden gezielt angegriffen wurden.
01:09Unterstützer von der von Hamas festgehaltenen Geiseln sagen, dass sie sich kaum noch trauen, öffentlich Solidarität zu zeigen.
01:18Auf jeden Fall versucht man noch so unsichtbar wie möglich zu sein als Jude, dass man in der Öffentlichkeit als Jude nicht erkennbar ist.
01:27Synagogen sowie andere jüdische oder israelische Einrichtungen, darunter Schulen, Kindergärten, Seniorenheime und ein Café, stehen unter ständigem Polizeischutz.
01:39Die Polizei schätzt, dass seit dem 7. Oktober 2023 die Zahl antisemitischer Vorfälle aus dem extrem linken und pro-palästinensischen Spektrum deutlich gestiegen ist.
01:59Antisemitismus von rechts bleibt laut Polizei ein Problem, wächst aber nicht so schnell.
02:04Wir haben nicht mehr den Großteil im Nazi-Milieu. Es sind nicht Rechtsextremisten, die hier großen Aufwind bekommen haben.
02:13Sondern wir reden oftmals auch über importierten Antisemitismus. Das ist eine Vielzahl. Ausländische Ideologie, andere religiöse Phänomene.
02:21Und das spielt sich nicht nur auf der Straße wieder, sondern eben auch im Bereich der sozialen Medien, wo dazu aufgerufen wird.
02:27Der Begriff importierter Antisemitismus ist in Deutschland umstritten, da er auch von rechtsextremen Gruppen genutzt wird.
02:33In Berlin gibt es die Beratungsstelle OFEK, die bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung Hilfe anbietet.
02:41Berater von OFEK warnen, dass Juden in Deutschland oft kollektiv für die Politik der israelischen Regierung verantwortlich gemacht werden und so latenter Antisemitismus ein neues Ventil findet.
02:53Es wäre mir persönlich sehr wichtig, dass Menschen zuhören und dass sie es auch verstehen, was sich gleichzeitig ereignen kann.
03:05Und dass die Solidarität mit Juden und Jüdinnen nicht bedeutet, die Entsolidarisierung mit PalästinenserInnen und Palästinensern, dass beides miteinander funktionieren kann.
03:17Und dass es keinen Grund gibt, Juden und Jüdinnen weltweit umzubringen, ihnen zu schaden, sie physisch und psychisch anzugreifen, weil es einen Krieg in Nahen Osten gibt.
03:35Für Michael hat der antisemitische Vorfall Konsequenzen.
03:41Ich bin immer damit beschäftigt, zu überprüfen. Ich sehe mich um, checke, wer sich in der U-Bahn-Station befindet, frage mich, ob ich die Halskette verstecken muss, ob ich vorsichtiger sein muss, um keine eskalierende Situation zu provozieren.
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