Zum Player springenZum Hauptinhalt springenZur Fußzeile springen
  • vor 7 Wochen

Kategorie

📚
Lernen
Transkript
00:00Was hat Corona mit uns gemacht?
00:06Menschen wurden ausgegrenzt.
00:09Sobald es hieß, ich bin Ungeimpfte, dann hieß es ganz angewidert, wieso?
00:14Und dann war aber auch vorbei, die wollten mir dann nicht zuhören.
00:17Jugendliche fanden sich nicht mehr zurecht.
00:20Man hat zu mir gesagt, hey Lukas, du bist ja echt komisch geworden über Corona, was ist mit dir passiert?
00:25Das gegenseitige Misstrauen ist gewachsen.
00:28Corona hat vor allem, was Freund-Feind-Denken angeht, ganz schlimmen Schaden angerichtet,
00:35dass Menschen wirklich nicht mehr miteinander reden können.
00:37Es gibt offene Wunden, bis heute.
00:41Was uns fehlt gesellschaftlich, glaube ich, und ich weiß nicht, ob das vielleicht schon nicht mehr geht,
00:48weil wir eine Krise nach der anderen haben, ist ein gewisser Heilungsprozess.
00:53Corona hat Deutschland verändert. Eine Krise, der niemand entkommen konnte.
00:57Hallo zu Klar. Unser Team war in Deutschland und im Ausland unterwegs.
01:02Wir wollten wissen, warum hat Corona unsere Gesellschaft auseinandergebracht?
01:07Und wie finden wir wieder zusammen?
01:10Wie viele Familien haben auch die Häusners unter der Pandemie gelitten.
01:13Sie sind politisch eher links, leben mit zwei kleinen Kindern im Eigenheim in Schleswig-Holstein.
01:19Seit Corona denken sie darüber nach, Deutschland zu verlassen.
01:23Ich habe klar mal aus Spaß über Auswandern nachgedacht, aber eher so das Abendhaber ist teuerst Willen.
01:28Und da war der erste Moment, okay.
01:29Du hast da schon mal so ein, zwei Wochen öfter mal nachgehakt, ob ich auch bereit wäre, mit ins Ausland zu gehen.
01:35Genau.
01:35Da ich gern Fremdsprachung spreche, wäre mir jetzt so nicht das Ding.
01:40Das Einzige, was uns hier hält, sind halt Freunde und Familie.
01:43Aber wenn man so die Gesellschaft damals betrachtet hat, hat man sich nicht mehr wohlgefühlt.
01:47Ich bin wesentlich vorsichtiger geworden, wem ich gegenüber eine freie Meinung äußere.
01:51Also meine Meinung dazu.
01:53Und ich merke auch ganz oft, dass ich es ansetze und denke, jetzt könnte es in Richtung Diskussion gehen.
01:59Und dann mal ganz schnell merke, nee, das geht nicht in die Diskussion und dann aufhöre.
02:03Und das ist bei mittlerweile vielen Themen so, dass ich das zumindest außerhalb der Familie nicht mehr gut kann.
02:13Wie hat sich unser Miteinander verändert?
02:15Es gibt eine Studie, die das untersucht hat.
02:18Sie zeigt, zwar sind während Corona neue Beziehungen entstanden.
02:22Die Sozialwissenschaftlerin Lydia Rebke aus Mannheim hat aber auch analysiert,
02:27viele alte Freundschaften und stabile Familienbeziehungen sind während Corona kaputt gegangen.
02:33Was wir sehen ist tatsächlich, dass sich diese Kontakte nicht wieder erholt haben.
02:38Die Hoffnung war ein bisschen, dass vielleicht nach Corona irgendwann diese doch abgebrochenen Kontakte aufgrund von Streitigkeiten sich wieder regenerieren,
02:46dass man wieder Kontakt zueinander aufnimmt. Aber das sehen wir jetzt in unserer Studie leider nicht.
02:51Die Forscher vom GESIS-Institut kommen zum Ergebnis, dass einige von uns vielleicht auch aus dem privaten Umfeld kennen.
02:59Gegner sind nicht wieder Freunde geworden.
03:02Die ganze Corona-Pandemie wurde ja sehr medizinisch gedacht.
03:06Und das Soziale ist so ein bisschen hinten runtergefallen.
03:08Ich glaube, da ist halt ein großes Problem.
03:12Man hätte das Ganze sozialer denken müssen, indem man probiert, den Kontakt weiter aufrecht zu erhalten oder Meinungen anders auch zu akzeptieren.
03:21Andere Meinungen tolerieren, entgegengesetzte Ansichten ertragen.
03:25Darum war es schon vor Corona bei uns nicht immer gut bestellt.
03:29Dann kam die Pandemie und die war ein wirklicher Stresstest für unsere Gesellschaft.
03:34Gehen wir einmal zurück zum Anfang der Pandemie.
03:36Im März 2020 kann niemand mehr Corona entkommen.
03:43Die ersten Erkrankungen waren zuvor in China aufgetreten.
03:48Schnell wird klar, eine Ausbreitung des Virus über die ganze Welt wird sich nicht verhindern lassen.
03:55Im norditalienischen Bergamo transportieren Militärlaster Leichen ab.
04:00Diese Bilder gehen um die Welt.
04:02Fast 14.000 Menschen sterben in Italien bis Ende März.
04:09Auch in Deutschland steigen die Corona-Zahlen jetzt schnell an.
04:12Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst.
04:20Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames, solidarisches Handeln ankommt.
04:32Die Appelle funktionieren. Angesichts der Bedrohung ist die Solidarität groß. Klatschen für das medizinische Personal.
04:42Die Gesellschaft rückt zusammen. Der erste Lockdown von Ende März bis Anfang Mai 2020 wird weitgehend akzeptiert.
04:49Doch mit der Einigkeit ist es kurze Zeit später vorbei.
04:55Die Medien stürzen sich auf Wissenschaftler, die der Öffentlichkeit bis dahin weitgehend unbekannt sind.
05:00Aus einem wissenschaftlichen Diskurs um den besten Weg inszenieren Medien einen Virologenstreit.
05:06Mein Kollege Johannes Jolmes hat damals immer wieder für ARD Extra berichtet.
05:10Für die Corona-Sondersendungen vom NDR haben wir damals mehrfach den Hamburger Virologen Jona Schmidt-Schanasit interviewt.
05:17Er wird später die Zielgenauigkeit der Maßnahmen kritisieren.
05:21Doch zu Beginn der Pandemie steht er noch voll und ganz hinter den Entscheidungen.
05:26Schmidt-Schanasit arbeitet am Bernhard-Nord-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Wir treffen ihn in Berlin.
05:32Man war ja dann quasi wie in so einem, ich will nicht sagen Medienzirkus, aber Sie kennen ja, dass dann auch sachliche Einschätzungen sehr schnell zugespitzt wurden.
05:43Und man gar nicht mehr so einen starken Einfluss darauf hat, was letztendlich dann aus einer Aussage gemacht wird.
05:48Im Sommer 2020 kommt für eine gewisse Zeit so etwas wie Normalität zurück.
05:54Klar ist damals schon vielen Experten, zum Winter steigen die Infektionszahlen wieder.
05:58Was normalerweise eine Fachdebatte unter Wissenschaftlern über den richtigen Weg in der Pandemie wäre, wird von den Medien zu einem Konflikt zugespitzt.
06:07Schmidt-Schanasit und der Bonner Virologe Hendrik Streeck plädieren dafür, die Schutzmaßnahmen auf Altenheime zu konzentrieren, statt Lockdown für alle.
06:16Der Berliner Virologe Christian Drosten berät die Bundesregierung.
06:19Drosten warnt, zu hohe Infektionszahlen seien nicht beherrschbar. Einschränkungen seien notwendig.
06:25Die Flut der Medienanfragen sind auch viele Wissenschaftler nicht gewöhnt.
06:32Ihre Aussagen werden von den Medien zugespitzt.
06:35Team Vorsicht gegen Team Freiheit.
06:41In einem Interview des Spiegel mit Christian Drosten im Januar 2021 wird die Lagerbildung besonders deutlich.
06:49Der Spiegel fragt Drosten.
06:51Einen größeren Schaden als Corona-Leugner haben im vergangenen Jahr wohl Experten angerichtet, die immer wieder gegen wissenschaftlich begründete Maßnahmen argumentiert haben.
07:04Zum Beispiel Jonas Schmidt-Schanasit und Hendrik Streeck.
07:07Priorität müsse es haben, die Risikogruppen zu schützen, hörte man oft aus diesem Lager.
07:12Dabei ist längst klar, dass das bei hohen Fallzahlen nicht funktioniert.
07:15Wann platzt ihn in der Kragen?
07:18Drosten verwahrt sich gegen die Frage.
07:21Wollen Sie, dass ich jetzt Kollegen namentlich kritisiere?
07:24Ich halte nichts davon, ad personam zu gehen.
07:27Niemand wollte mehr Tote in Kauf nehmen.
07:34Und es ist genau diese Zuspitzung, dass die einen wollten Leben retten und die anderen wollten dann keine Leben retten.
07:40Das ist natürlich absurd, diese Darstellung.
07:42Es ging immer darum, den besten Weg durch diese Pandemie zu finden und einen differenzierten, sachlichen Diskurs zu führen.
07:49Für ein aktuelles Interview stand Christian Drosten nicht zur Verfügung.
07:53Neben all den Virologen war noch jemand anderes damals bundesweit in der Öffentlichkeit.
07:58Der SPD-Gesundheitspolitiker und Epidemiologe Karl Lauterbach.
08:02Dauergast in deutschen Talkshows.
08:04Mein Kollege Johannes Jolmes hat ihn interviewt.
08:07Karl Lauterbach vertritt die Position, dass die Diskussion um den richtigen Weg in der Pandemie zusätzliche Opfer gekostet hat.
08:15Für ihn kam der zweite Lockdown viel zu spät.
08:17Lauterbach und viele andere befürchten damals eine Überlastung der Krankenhäuser, wenn die Infektionszahlen zu hoch sind.
08:27Darum reiche eine Fokussierung auf Altenheime nicht, so Lauterbach.
08:31Wenn ich sage, ich schütze einzelne Gruppen, dann bedeutet das, ich schütze den größten Teil der Bevölkerung nicht.
08:37Also das ist natürlich in den Fachkreisen, die die Bundesregierung beraten haben, nicht erwogen worden.
08:42Aber wenn wir es wirklich gemacht hätten, wären natürlich sehr viel mehr Menschen gestorben und wir hätten Hunderttausende zusätzliche Long-Covid-Fälle gehabt.
08:52Im Winter 2020 werden erneut Schulen, Geschäfte und Bars geschlossen.
08:58In Altenheimen kommt es zu furchtbaren Tragödien.
09:02Viele Menschen sterben in Pflegeeinrichtungen, fern von ihren Familien, einsam und allein.
09:08Die Angehörigen dürfen sie nicht besuchen.
09:10Von Oktober 2020 bis März 2021 sterben in Deutschland rund 67.000 Menschen an oder mit Corona.
09:22Angesichts der absehbar hohen Opferzahlen gab es schon zu Beginn der Pandemie die Idee,
09:27der Bevölkerung mit besonders drastischen Botschaften den Ernst der Lage klarzumachen.
09:31Das damals von der CSU geführte Bundesinnenministerium lässt Szenarien des Pandemieverlaufs ausarbeiten.
09:37Das Papier ist Verschlusssache, nur für den Dienstgebrauch.
09:43Der Titel, wie wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen.
09:48Das Papier gibt Empfehlungen für die Kommunikation.
09:53Worst Case verdeutlichen.
09:54Und weiter, um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden.
10:05Die Autoren wählen besonders drastische Worte.
10:10Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause.
10:18Kinder sollen offenbar Angst bekommen.
10:22Wenn sie dann ihre Eltern anstecken und einer dann qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, schuld daran zu sein,
10:28weil sie zum Beispiel vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann.
10:36Überhaupt darüber nachzudenken, solche Narrative zu setzen, so eine Kommunikation zu verwenden, das zeigt schon, was da letztendlich schief gelaufen ist.
10:47Also ich glaube, es gibt viele Beispiele dafür, gerade auch eben im Bereich der Politik, wo diese Angstnarrative genutzt wurden.
10:56Was ist in so einer Krise besser? Ängste noch zu verstärken oder Ruhe und Zuversicht auszustrahlen?
11:02In München habe ich darüber mit einem Wissenschaftler gesprochen.
11:06Der Soziologe Amin Nasehi war während der Pandemie Mitglied im Corona-Expertenrat der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen.
11:15Ich kenne das Papier, also ich kenne die Genese des Papiers, klar, das halte ich für falsch.
11:21Also man muss die Leute natürlich überzeugen und man muss natürlich sehen, dass es Ängste gibt.
11:25Aber sozusagen Leuten extra Angst zu machen, die übertrieben ist, das kann man nicht gutieren.
11:33Das Bundesinnenministerium sagt später dazu, das Papier sei nur eines von vielen Diskussionspapieren gewesen.
11:40Konkret umgesetzt worden sei es nicht.
11:43Ab dem Sommer 2020 wird schrittweise klar, ein Lockdown mag zwar die Verbreitung des Virus bremsen,
11:49aber er hat für etliche Menschen drastische Folgen.
11:52Ein Journalist wurde damals zu einem der schärfsten Kritiker der Corona-Politik.
11:56Mein Kollege Benedikt Schäper hat ihn in Berlin getroffen.
12:00Ulf Poschert hat sich sehr kritisch an der Pandemie-Debatte beteiligt und damit teilweise auch polarisiert.
12:07Der Herausgeber der Weltgruppe sagt über sich selbst, Corona habe ihn radikalisiert.
12:12Denn zu viele Freiheiten seien damals eingeschränkt worden.
12:16Wir treffen Ulf Poschert im Axel-Springer-Hochhaus.
12:19Auch in seiner Redaktion wurde während der Pandemie viel über den richtigen Weg gestritten.
12:27Ich war anfänglich nicht sofort im Lager derjenigen, die gesagt haben, wir übertreiben da,
12:35sondern ich habe mir das lange sehr gut angeguckt.
12:39Aber ich finde wichtig im Journalismus, dass man sich von der Wirklichkeit beeindrucken lässt.
12:44Und für mich war diese Pressekonferenz, deswegen zitiere ich sie immer und immer wieder,
12:51dieses Leipziger Chefarztes der Jugendpsychiatrie, so ein Breaking Point, wo ich gesagt habe, was machen wir da mit den Kindern?
13:00Anfang August 2020.
13:02Wieland Kies, Professor für Kinder- und Jugendmedizin, berichtet von einer Patientin aus seiner Klinik nach dem ersten Lockdown.
13:10Sie ist die Tochter einer alleinerziehenden Mutter, die selber psychisch krank ist.
13:16Sie leben in einer sehr einfachen Einzimmerwohnung in Leipzig.
13:20Kann sich jemand hier im Raum vorstellen, was mit einer solchen Familie passiert,
13:24wenn von heute auf morgen keine Physiotherapie, keine Ergotherapie und keine Schule mehr läuft?
13:31Ich kann Ihnen berichten, was die Mutter mir gesagt hat, als sie wieder in unsere Sprechstunde kommen durfte.
13:35Sie sagte, Herr Professor, wir haben versucht, uns umzubringen, weil wir es nicht mehr ausgehalten haben.
13:42Mein Vater, leider verstorben, war ein großartiger Pädagoge.
13:46Der hat als jemand, der Jahre und Jahrzehnte Kinder und Jugendliche und dann Studenten ausgebildet hat.
13:52Wie können wir das denn Jungen antun?
13:53Und ich bin bis heute nicht drüber hinweggekommen, weil ich gesehen habe, auch im engsten Freundes- und Bekannteskreis, was es mit Kindern macht.
14:06Im Frühjahr 2020 wurden Spielplätze geschlossen.
14:13Immer wieder treffen im Verlauf der Pandemie die Maßnahmen Kinder und Jugendliche.
14:19Es kommt teilweise zu grotesken Szenen.
14:22In Hamburg verfolgt im Winter 2021 die Polizei einen 17-Jährigen.
14:27Sein Vergehen im Freien, Verstoß gegen die Corona-Abstandsregeln.
14:31Für mich ist rückblickend die Corona-Zeit ein ganz entscheidender Bruch im Glauben und Vertrauen auf die Haltbarkeit liberaler Demokratien und eines liberalen Gesellschaftsverständnisses.
14:54In der Corona-Zeit ist unglaublich viel kaputt gemacht worden in dem Land.
14:59Schon früh haben Kinderärzte darauf hingewiesen, die Folgen für Kinder und Jugendliche stärker zu berücksichtigen.
15:05Trotzdem waren die Schulen in Deutschland rund 180 Tage geschlossen.
15:10Gerade die soziale Isolation machte jungen Menschen zu schaffen.
15:13Führte manche von ihnen sogar auf gefährliche Abwege, wie mein Kollege Daniel Kohl zeigt.
15:18Sie haben gerade Abi gemacht.
15:20Regina und Lukas, die ich gleich treffe, steckten während der Pandemie voll in der Pubertät.
15:25Whisky-Mixer!
15:27Whisky-Mixer!
15:28Whisky-Mixer!
15:29Whisky-Mixer!
15:30Alles rauslassen!
15:32Das Aufwärmtraining für eine Theateraufführung tut Regina und Lukas aus dem bayerischen Kempten gut.
15:38Die beiden Laien, Schauspieler und Freunde waren gerade zwölf Jahre alt, als Corona über sie hereinbrach.
15:43Schluss mit Theater, Schluss mit unbeschwerter Jugend.
15:46Bei Regina kamen noch Existenzängste dazu, ihre Eltern waren selbstständig.
15:50Ich könnte mir das heute gar nicht mehr vorstellen, wie damals die Gesellschaft und auch ich gelebt hat.
15:58Wir waren ja quasi eingesperrt und als junger Mensch trägt man da natürlich was mit.
16:05Und man möchte ja auch Verantwortung für die Gesellschaft tragen und hat das alles mitgemacht.
16:11Aber klar hat in der Zeit viel gefehlt.
16:15Und ich glaube, das merkt man bis heute noch, dass manche Sachen auch nicht mehr so wiederbelebt werden können, wie sie früher mal waren.
16:25Unbeschwert und vor vollen Rängen.
16:33Reginas Auftritte vor der Pandemie.
16:36Der Bruch in ihrer Lebenswirklichkeit konnte kaum größer sein.
16:41Kulturstätten geschlossen.
16:43Schulen zu, stattdessen Homeschooling.
16:46Das Gefühl, vom Leben ausgesperrt zu sein.
16:49Ihr Vertrauen in die Gesellschaft hat das erschüttert.
16:51Regina hat zwar Verständnis für die staatliche Überforderung damals.
16:58Trotzdem hatte ich so das Gefühl, dass man oft an die älteren Menschen oder an die ganz jüngeren Menschen gedacht hat, aber die Jugend da schon vergessen hat.
17:09Jugendforscher Simon Schnetzer hat in seinen Studien die vielfältigen Folgen der Corona-Einschränkungen auf junge Menschen dokumentiert.
17:16Junge Menschen haben sich die Frage gestellt, wir sind solidarisch mit euch, wir verzichten aufs Weggehen, wir treffen unsere Freunde nicht, wir tun alles Mögliche, damit die Sicherheitslage gut ist.
17:31Aber wann interessiert ihr euch für uns?
17:32Wann ist die Gesellschaft solidarisch mit uns und kümmert sich um unsere Interessen?
17:37Das ist vermutlich das größte Versäumnis, dass wir als Gesellschaft, als Politik nicht gefragt haben, was sind eure Bedürfnisse, wie können wir euch helfen?
17:46Viele Jugendliche hätten während, aber auch nach der Pandemie dringend Hilfe gebraucht.
17:52Reginas Kumpel Lukas zeigt uns sein Kinderzimmer.
17:55Wochenlang lag er hier auf seinem Bett und trieb sich vor lauter Langeweile nur noch im Internet rum.
18:00Er stieß auf die Seite des Dritten Weges, einer rechtsextremistischen Kleinstpartei.
18:09Während Corona war das einer meiner Hauptanlaufspunkte, um mich so selbst zu radikalisieren.
18:16Warum? Hattest du eine Wut in dir, weil du eingesperrt warst oder woher kam das?
18:20Genau, es lag einfach nur daran, weil ich frustriert war.
18:24Ich war daheim, meine Eltern waren ja beide systemrelevante Berufe.
18:27Ich hatte kein Vertrauen in die Regierung mehr. Mir hat auch Zusammenhalt gefehlt und dann bin ich halt über Umwege auf solche Seiten gestoßen.
18:35Ich war da so tief drinnen, dass mir dann diese Ideologie wieder Trost gespendet hat, in den Momenten, wo ich mich von anderen Leuten verlassen gefühlt habe.
18:43Ich habe auch angefangen, jeden Tag so eine Art Morgenappell zu machen, wirklich mit, ganz ehrlich, mit einem Hitlergruß vom Hakenkreuz und sowas alles.
18:52Das war eine ganz, ganz extreme Zeit. Also ich war da wirklich sehr tief drin.
18:55Auch habe ich gemerkt, wo die ersten Lockerungen wieder kamen. Ich habe keinen Anschluss mehr gefunden, aber ich war so in meiner rechten Bubble drin, das hat mich nicht interessiert.
19:03Ohnmacht und Frust verschwanden mit dem Ende der Pandemie nicht sofort. Aber Lukas hat seinem radikalen Weg mittlerweile abgeschworen. Einfach war das nicht.
19:12Dann kamen die ersten Lockerungen und dann habe ich mich wieder mit Freunden getroffen. Und das muss man sich so vorstellen, meine Freundin, die doch alle aus der Stadt herkamen damals, die waren natürlich da ein bisschen anders gestrickt, vor allem politisch.
19:26Und dann fingen die ersten Diskussionen an. Man hat zu mir gesagt, hey Lukas, du bist ja echt komisch geworden über Corona, was ist mit dir passiert?
19:32Und dann habe ich gemerkt, dass ich mich von meinen Freunden entfernt habe. Ich habe gemerkt, dass meine jetzige Einstellung zu dem Zeitpunkt nicht richtig ist.
19:41Sicher ein drastisches Beispiel. Aber es gab in der Zeit etliche Jugendliche, die drastische Erfahrungen machten.
19:48Sein Politikvertrauen sei nachhaltig gestört, sagt Lukas bis heute.
19:52Laut einer Umfrage von Infratest Dimap aus dem Jahr 2023 sagen nur 20 Prozent der 16- bis 30-Jährigen, die Politik nehme ihre Interessen ernst.
20:03Auch in der Politik wurden junge Menschen nicht in der Form beteiligt, dass sie ein tiefes Gefühl von Ohnmacht hatten.
20:10Und Ohnmacht kann Hilflosigkeit befeuern und dazu auch führen, Depressionen oder auch diese hohe Anzahl an Selbstmordgedanken, die junge Menschen haben.
20:2110 Prozent war ein echt krasser Wert.
20:24War es falsch, die Schulen so lange zu schließen, fragen wir den damaligen Gesundheitsminister.
20:29Bei den Kindern haben wir aus meiner Sicht einen Fehler gemacht.
20:32Wir haben damals entschieden, dass wir die Kinder relativ drakonig auch mit einem Lockdown abschotten, um uns Freiheiten auch zu erlauben in den Betrieben.
20:46Viele Betriebe sind ja lange aufgeblieben.
20:49Und diese Priorisierung ist aus meiner Sicht nachträglich gesehen ein Fehler gewesen.
20:54Weil die Schäden, die die Kinder hingenommen haben, wirken lange nach.
20:59Wie schauen erfahrene Politiker, die nicht unmittelbar an den Entscheidungen beteiligt waren, heute zurück auf die Pandemie?
21:05Einen von ihnen habe ich in Berlin getroffen.
21:09Hallo.
21:09Hallo.
21:09Als ehemaliger Bundestagspräsident hat Wolfgang Thierse immer wieder betont, zur Demokratie gehöre auch das Ringen um den richtigen Weg, aber auch die Fähigkeit, Fehler einzugestehen.
21:22Die Radikalität, mit der wir Schulen und andere soziale Einrichtungen geschlossen haben, ist wahrscheinlich im Rückblick ein Fehler gewesen.
21:33Eine Übertreibung.
21:34Politiker müssten häufig entscheiden, ohne sichere Grundlage. Das sei aber kein Beleg für ein Systemversagen.
21:48Das ist unausweichlich in einer Demokratie so. Und dafür werbe ich um Verständnis.
21:57Auch gerade dann, wenn man an dieser Entscheidung etwas zu kritisieren hat, darf man doch nicht verlangen, dass es überhaupt nicht entscheiden wird.
22:06Denn zur Demokratie gehört auch die ständige Enttäuschung, dass man mit seiner eigenen Meinung sich nicht durchsetzt.
22:11Dass man also Niederlagen zu ertragen hat, das gehört mit zu einem demokratischen Selbstbewusstsein.
22:19Wie hält man eine Gesellschaft in einer Krise zusammen? Schweden hat in der Pandemie einen anderen Weg gewählt.
22:26Obwohl das Land gleich zu Beginn hart getroffen wurde.
22:30Im Frühjahr 2020 starben dort viele Menschen in Altenheimen.
22:35Der unzureichende Schutz der Alten in der frühen Phase wird später auch von einer Regierungskommission kritisiert.
22:41Trotz der anfangs hohen Opferzahlen gab es in Schweden aber keinen Lockdown.
22:46Das Land setzte weitgehend auf Freiwilligkeit.
22:49Bis zur 9. Klasse blieben die Schulen geöffnet.
22:52Der damalige schwedische Chef-Epidemiologe Anders Tegnell verteidigte diese Entscheidung.
22:59Es gibt keine Studien, die belegen, dass Schulen bei der Verbreitung des Virus eine große Rolle spielen.
23:04Anders als bei der Influenza. Es gibt diese Signale nicht.
23:07Kinder erkranken auch kaum.
23:09Wer wenig Symptome hat, ist auch deutlich weniger ansteckend.
23:13Mein Kollege Christian Stichler war damals als Korrespondent in Schweden und hat den schwedischen Weg selbst miterlebt.
23:20Jetzt hat er sich noch einmal auf den Weg gemacht.
23:23Wie kaum ein anderer stand Anders Tegnell, Schweden-Chef-Epidemiologe, für den schwedischen Sonderweg in der Corona-Pandemie.
23:30Wie denkt er heute über die Zeit von damals?
23:32Und warum ist Schweden seinen eigenen Weg gegangen?
23:36Das will ich von ihm wissen.
23:36Über seine Erfahrungen in der Corona-Zeit hat der heute 69-jährige Tegnell ein Buch geschrieben.
23:46Gedanken nach einer Pandemie.
23:49Auf Seite 94 tauche auch ich selbst auf.
23:53Meine Fragen waren von der Debatte in Deutschland geprägt.
24:01Dort gab es viel Kritik am schwedischen Weg.
24:04Ich machte damit sogar Schlagzeilen.
24:07Hat der deutsche Reporter am Ende vielleicht doch recht, schrieb eine schwedische Zeitung.
24:11Hier ist Anders Tegnell zu Hause.
24:15In der Nähe von Lienköping, unweit des Goethe-Kanals.
24:26Schon zu Beginn der Pandemie war Tegnell klar, es muss verhindert werden, dass die schwedische Gesellschaft sich in der Diskussion über die Maßnahmen entzweit.
24:35Ich erinnere mich an ein altes Zitat von ihm.
24:43Sie haben einmal gesagt, eine Pandemie sei kein Sprint, sondern ein Marathon.
24:48Deshalb müssten alle Maßnahmen auch lange durchzuhalten sein.
24:51Genau das war uns schon sehr früh klar.
24:58Eine Pandemie dauert ein, zwei, drei Jahre, manchmal sogar noch länger.
25:03Deshalb braucht es Durchhaltevermögen.
25:05Da ist es schwer, ständig die Marschrichtung zu ändern.
25:08Man braucht eine klare Botschaft an die Bevölkerung, die man auch durchhalten kann.
25:16Tegnell räumt ein, der mangelnde Schutz der Altenheime zu Beginn war ein Fehler.
25:21Auch wenn ein Vergleich verschiedener Länder in der Pandemie nur begrenzt möglich ist, sieht sich Tegnell in seinem Pandemiekurs bestätigt.
25:32Wenn man auf die Übersterblichkeit schaut, auch wenn die nur eine ungefähre Größe ist, ist Schweden sehr gut durch die Pandemie gekommen.
25:41Wir gehören zu den vier oder fünf Ländern in Europa mit der niedrigsten Übersterblichkeit.
25:46Das beruht vor allem darauf, wie wir in die Pandemie hineingegangen sind.
25:52Wir hatten eine relativ gesunde Bevölkerung, ein gutes Gesundheitssystem.
25:56Es gab ein großes Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Stellen.
26:00Daher glaube ich, dass die Maßnahmen als solche in den unterschiedlichen Ländern keine so große Rolle gespielt haben.
26:06Wir können sehr stolz darauf sein, dass unsere Schulen offen waren.
26:09Das war sehr gut für die Kinder in Schweden.
26:16Aber klar, es gab auch Bereiche, in denen wir hätten besser sein können.
26:19In den Altenheimen zum Beispiel oder bei Menschen mit Migrationshintergrund.
26:23In Deutschland hatten wir große Anti-Corona-Demonstrationen, manchmal sogar gewaltsam.
26:38Es gab viel Kritik.
26:40Haben Sie eine Erklärung, warum das in Schweden anders war?
26:47Eine Erklärung ist sicherlich, dass wir auf Freiwilligkeit gesetzt haben.
26:50Wir waren wohl ganz gut darin, zu erklären, was wir gemeinsam erreichen wollen.
26:55Ich denke, wir haben die Verantwortung und Entscheidung den Bürgern überlassen
26:58und es ihnen damit sehr viel leichter gemacht, die Einschränkungen, die es auch bei uns gab, zu akzeptieren.
27:04Sie konnten selbst entscheiden, statt zu etwas gezwungen zu werden.
27:09Schweden ist traditionell ein Land mit großem gesellschaftlichem Zusammenhalt.
27:13Corona hat daran offenbar nichts geändert.
27:15Mein Fazit, die schwedischen Corona-Maßnahmen haben deutlich weniger zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt als bei uns.
27:24Größere Proteste oder Demos sind in Schweden praktisch ausgeblieben.
27:28Und eine Studie der Universität Göteborg hat sogar gezeigt,
27:31dass das Vertrauen der Bürger in ihren Staat während der Corona-Zeit gestiegen ist.
27:35Und noch eines haben die Schweden anders gemacht.
27:37Sie haben eine staatliche Corona-Kommission ins Leben gerufen.
27:40Ihr Abschlussbericht, der liegt seit drei Jahren schon vor.
27:45Verglichen mit Schweden steht die Aufarbeitung bei uns noch ganz am Anfang.
27:49Immerhin gibt es jetzt eine Enquete-Kommission.
27:51Die soll Corona und die Folgen untersuchen.
27:54Karl Lauterbach kritisiert den schwedischen Weg trotzdem bis heute.
27:58Hätten wir denn am Anfang im Prinzip die Bewohner der Pflegeheime einfach sterben lassen sollen?
28:04Ich halte das für falsch, auch nachträglich.
28:05Das halte ich für unethisch, ehrlich gesagt.
28:07Und das ist in Schweden also sozial akzeptiert.
28:11Da sagt man offensichtlich, das gehört dazu.
28:15Das sind Opfer, die dann also erbracht werden müssen.
28:18Das wäre für uns undenkbar gewesen.
28:20Hätte ich auch ethisch für vollkommen nicht akzeptabel gehalten.
28:25In Schweden sehen das viele anders.
28:28Und in Deutschland starben viele Bewohner von Altenheimen in der zweiten Welle.
28:32Dabei gab es durchaus auch alternative Modelle, zumindest in Kommunen.
28:35Zum Beispiel in Tübingen.
28:37Der Oberbürgermeister Boris Palmer forderte früh ein Umdenken.
28:41Der entscheidende Unterschied ist wohl der, dass ich zielgenaue Maßnahmen wollte.
28:46Nicht für alle gleich verordnete Verbote.
28:50Und zielgenaue Maßnahmen wären zum Beispiel gewesen, frühzeitig die Altenheime durchzutesten.
28:56Statt Schulen zu schließen, damit in Altenheimen keine Viren ankommen.
29:01Und genau diese, wie ich finde, verkehrte Herangehensweise habe ich durchweg kritisiert.
29:07Und nach und nach ist ja in diesem Sinne auch einiges verbessert worden.
29:10Wir haben als Stadt im Jahr 2020 Tests für Alten und Pflegeheime selbst finanziert,
29:18weil es dafür keine Förderung des Landes oder des Bundes gegeben hat.
29:21Das haben wir aus dem Stadthaushalt finanziert, als einzige Stadt in Deutschland,
29:24weil ich der Überzeugung war, da müssen wir ansetzen.
29:28Palmer findet bis heute, dass die Debatte über den richtigen Umgang mit Corona
29:32zu stark moralisch aufgeladen worden sei.
29:34In der Frage, wie wir miteinander reden, sehe ich zwei schwere Folgen der Corona-Zeit.
29:42Zum einen haben die Feindseligkeiten dazu geführt, dass Menschen dem Staat misstrauen,
29:47dass sie ihn möglicherweise sogar ablehnen, dass sie nichts mehr mit dem Staat zu tun haben wollen.
29:52Und zum anderen sind Gruppen entstanden, die miteinander nicht mehr gesprächsfähig sind.
29:58Beides ist für die Demokratie schwierig.
30:00Im Winter 2020, 2021 nehmen die Spannungen in der Gesellschaft weiter zu.
30:07Ausgerechnet jetzt.
30:12Mitten in der zweiten Welle.
30:14Der Impfstoff ist fertig.
30:15Früher als erwartet.
30:18Heute ist Liefertag und morgen werden in ganz Europa die Impfungen beginnen.
30:27Alte und Kranke kommen zuerst dran.
30:31Hoffnung breitet sich aus.
30:34Die Impfungen werden zunächst gut angenommen.
30:37Aber nach einer Weile zeigt sich, nicht alle Menschen wollen sich impfen lassen.
30:42Es kommt zu einer scharfen Debatte.
30:44Viele Menschen und auch bekannte Politiker fordern eine Impfpflicht.
30:47Ich habe mich damals im Internet mit Menschen gestritten, die behauptet haben, der Staat könne sowas doch sowieso nicht durchsetzen.
30:54Das sei ja alles nur Quatsch.
30:56Und denen habe ich versucht zu erklären, dass der Staat das kann, dass Pflichten dieser Art existieren, zum Beispiel bei der Masernimpfung.
31:03Und dass er, wenn er das für notwendig hat, Instrumente hat, Bußgeld und Beugehaft.
31:08Ich habe das also nicht gefordert, sondern erklärt.
31:12Aber ja, in Internetmemes wird bis heute behauptet, ich wollte Ungeimpfte in Beugehaft stecken.
31:18Und insoweit habe ich ungewollt schon zu dieser Polarisierung beigetragen.
31:23Das Thema Impfpflicht bringt die Menschen zu Tausenden auf die Straße.
31:27Corona-Leugner, dazwischen aber auch Bürger, die einfach nur ihre Ablehnung deutlich machen wollen.
31:32Radikale Parteien nutzen die Wut für sich.
31:37Die große Akzeptanz der ersten Phase geht über in eine harte gesellschaftliche Auseinandersetzung.
31:44Laut einer Bertelsmann-Studie ging damals das Vertrauen in die Mitmenschen und auch das Vertrauen in die Bundesregierung zurück.
31:51Zur Aussage, heutzutage kann man sich auf niemanden verlassen, sagten 2017 13 Prozent, stimmt ziemlich, stimmt völlig.
32:002023 stieg der Wert auf 28 Prozent.
32:06Gleichzeitig nahm das Misstrauen in die Bundesregierung zu.
32:10Auf die Frage, wie groß ist das Vertrauen, das sie der Bundesregierung entgegenbringen, sagten 2017 25 Prozent.
32:17Sie hätten überhaupt kein oder nur geringes Vertrauen.
32:212023 waren es 49 Prozent.
32:24Die Pandemie hat natürlich als eine, man muss wirklich sagen, gesellschaftliche Ausnahmesituation sehr stark Pro- und Kontrapositionen.
32:36Geradezu, man könnte sagen, produziert, angezogen, hergestellt, dramatisiert.
32:41Aber auch in der Corona-Pandemie, muss man sagen, gibt es ganz wenige Situationen, bei denen man eindeutig Pro- und Kontraformulierungen sagen kann.
32:49Ich meine, das ist ein sehr komplexes Geschehen gewesen.
32:51Und alle Entscheidungen standen eigentlich unter sehr, sehr schwierigen, sehr komplexen Situationen, in denen man unglaublich viele Faktoren bedenken muss.
33:01Karl Lauterbach ist seit Dezember 2021 Gesundheitsminister.
33:06Auch er setzt sich vehement für eine Impfpflicht ein.
33:10Ein Satz verfolgt ihn bis heute.
33:12Die Impfungen sind hart mehr oder weniger nebenwirkungsfrei.
33:16Das muss immer wieder gesagt werden.
33:18Bereuen Sie diesen Satz, dass Sie ihn so in der Form damals gesagt haben?
33:22Naja, ich habe ja gesagt, dass die Impfungen mehr oder weniger nebenwirkungsfrei sind.
33:28Jetzt gemessen an den Folgen der Infektion.
33:31Wenn Sie die Infektion bekommen, und das gab es insbesondere, bevor die Omikron-Variante kam, daran sind ja viele Menschen gestorben.
33:41Und die nicht gestorben sind, die haben oft Long-Covid entwickelt.
33:45Tatsächlich sind die schweren Nebenwirkungen der Impfung Gott sei Dank rar.
33:50Fast 200 Millionen Corona-Impfungen gab es in Deutschland bis Ende 2024.
33:55In seltenen Fällen kommt es zu Komplikationen, auch zu einigen Todesfällen in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung.
34:03Das Paul-Ehrlich-Institut untersuchte 3086 dieser Todesfälle.
34:08Bei 74 ist ein kausaler Zusammenhang zur Impfung möglich oder wahrscheinlich.
34:12Ich habe mich impfen lassen, aber ich habe mich vehement dagegen gewehrt, dass Leute gezwungen werden, sich zu impfen.
34:21Ich habe hier in der Welt sehr umstritten ein Leitartikel gegen die Impfpflicht geschrieben als Liberale.
34:28Und ich glaube, für mich war nicht vorstellbar vor Corona, dass es so eine Stimmung in dem Land geben wird, wo Ungeimpfte wie Aussätzige behandelt werden.
34:44Auch ich habe mich damals impfen lassen, vor allem, um wieder mehr Freiheit zurückzukriegen.
34:50Aber ich finde es falsch, Menschen zu verurteilen, die sich gegen eine Impfung entscheiden.
34:54Wir gehen noch einmal zurück zu Familie Häusner nach Schleswig-Holstein.
34:58Sie haben meiner Kollegin Claudia Drechsel erklärt, warum sie sich während der Pandemie ausgegrenzt gefühlt haben.
35:04Familie Häusner ist so ein Fall, die werde ich gleich treffen.
35:07Dass sich die Häusners nicht haben impfen lassen zur Corona-Zeit, hängt ihnen bis heute nach.
35:12Nicht gesundheitlich. Ihr Blick auf unser Land hat sich verändert.
35:17Maria Häusner-Sladek ist Sonderpädagogin. Ihr Mann Cornelius arbeitet in der IT.
35:24Sie sind nicht grundsätzlich gegen Impfungen. Sie hatten damals aber Fragen.
35:29Warum kam der Impfstoff so plötzlich? Könnte es Langzeitfolgen geben?
35:33Und Maria Häusner-Sladek ist damals mit Tochter Elena schwanger.
35:37Kontergan war uns noch im Begriff, dass wir uns da vielleicht durch diesen Impfstoff eine Schädigung zuziehen und haben es deswegen nicht gemacht.
35:46Am Anfang auch mit dem Gedanken, es wurde ja zumindest darüber diskutiert, ob das vielleicht für Frauen, die nochmal ein Kind kriegen wollen, ein schwieriger Impfstoff ist.
35:55Das hat sich ja im Nachhinein nicht so herausgestellt, aber am Anfang wurde es zumindest diskutiert und uns war das Risiko zu groß.
36:00Für ihre Entscheidung müssen sie sich rechtfertigen. Immer und immer wieder.
36:06Einige haben Verständnis, wieder andere reagieren mit scharfer Ablehnung.
36:10Also der krasseste Satz, den ich gehört habe, das war von einer ganz alten Schulfreundin.
36:15Die hat zu mir gesagt, ja, das ist mir egal, ob sich die Leute impfen lassen, aber dann brauchen sie auch nicht glauben, dass ich da irgendwie Mitleid habe, wenn sie dann dran sterben.
36:25Haben sie aber Pech gehabt. Und ich dachte, ja, krass.
36:27Und dann hat man ab dem Moment, wo es hieß, ich habe mich dafür entschieden oder ich überlege, das nicht zu machen, ja, war das Gespräch zu Ende.
36:37Dann wurde vor sich geguckt, Kinderwagen weitergeschoben und das wurde dann ausgesessen und ich habe gewusst, okay, dieses Gesprächsthema fange ich gar nicht mehr wieder an.
36:46Der Druck auf Familie Häusner, so nehmen sie es wahr, wird im Winter 2021 noch einmal erhöht.
36:54Erst die 3G-Regel, getestet, genesen und geimpft.
36:58Dann teilweise die 2G-Regel, Zugang nur für Genesene und Geimpfte, also nicht für Familie Häusner.
37:05Also 2G war auch das, wo ich gedacht hätte, jetzt geht es wirklich einen Schritt zu weit.
37:09Also nicht nur ein bisschen zu weit, sondern es geht wirklich zu weit.
37:11Das ist, man fühlt sich in dieser Gesellschaft nicht mehr willkommen, man fühlt sich nicht mehr wohl.
37:16Und hat auch das Gefühl, dass die Aussage klar ist, entweder du imst dich oder du gehörst eben nicht mehr zu uns.
37:22Und das tat mir unglaublich weh und hat auch, ja, bis heute so eine, ja, Distanz zu meinem Land für mich geschaffen.
37:33Durch Äußerungen von Politikern und Ärzten sehen sie sich in ihrem Gefühl bestätigt, nicht mehr dazu zu gehören.
37:39Wahrscheinlich wird am Ende dieses Winters, so ziemlich jeder in Deutschland, das wurde ja manchmal schon etwas zynisch genannt, geimpft, genesen oder gestorben sein.
37:52Es handelt sich um eine Pandemie der Ungeimpften, meine Damen und Herren.
37:56Ja, momentan erleben wir ja wirklich eine Tyrannei der Ungeimpften, die über das Zweidrittel der Geimpften bestimmen und uns diese ganzen Maßnahmen aufturieren.
38:05Ja, ich benutze bewusst den Begriff der Tyrannei, denn in Ländern, in denen 97 Prozent geimpft sind wie in Portugal, gibt es all diese einschränkenden Maßnahmen nicht mehr, weil man sie nicht mehr braucht.
38:17Spahn sagte später, er habe eine Überlastung der Krankenhäuser verhindern wollen. Ein Interview wollte er nicht geben.
38:23Söder sagte später, man müsse sich mehr Zeit für die Sorgen der Menschen nehmen und versuchen, alle mitzunehmen.
38:29Auch er wollte kein neues Interview geben.
38:32Montgomery würde seine Tyranneiformulierung heute unverändert gebrauchen, auch wenn sie hart sei.
38:38Die Worte waren da teilweise, wir leben in einer Tyrannei der Ungeimpften, wir sind in einer Geiselhaft der Ungeimpften.
38:47Da muss ich mich fragen, wo, wenn ich hier jetzt meinen Zaun in den Garten klopfe oder Sträucher pflanze, tyrannisiere ich denn irgendwen?
38:56Ich habe doch mit gar keinem Kontakt.
38:58Und wir sind auch wirklich nur woanders hingegangen, wenn wir uns gesund gefühlt haben und keinerlei Symptome gezeigt haben.
39:06Und wenn ich dann ungeimpft und gesund bin, wen bedrohe ich denn?
39:10Zwar stecken sich Geimpfte zu Beginn sehr selten an und geben das Virus somit auch weniger weiter, aber dieser Effekt geht im Verlauf der Pandemie zurück.
39:18Dazu Kritik an Ungeimpften. Die Häusners finden sich in der Berichterstattung nicht mehr wieder.
39:23Irgendwann meinte mein Mann, das weiß ich noch, sag mal Maria, warum liest du das überhaupt durch?
39:26Und dann kam dieser für mich total markante Satz, wo ich gedacht habe, ich muss ja wissen, was der Feind sagt.
39:32Und dann bin ich innerlich so zusammengezuckt, als ich das gesagt habe und auch das gedacht habe, weil das überhaupt nicht meiner bisherigen Einstellung entspricht.
39:42Und so wollte ich auch nie denken und so will ich auch nicht denken, weil das ist meine Gemeinschaft, das ist mein Volk, mit dem ich zusammenlebe.
39:48Und die Öffentlich-Rechtlichen sind ein ganz wesentlicher Teil davon.
39:50Und plötzlich habe ich die Informationen, die da zusammengetragen wurden und die dort für uns interpretiert wurden, als Angriff gegen mich, mich selbst und gegen meine Familie gesehen.
39:59Wie schaut die Redaktion der Tagesschau in Hamburg heute auf die Pandemie zurück?
40:04Wir treffen Markus Bornheim, den Chefredakteur von ARD aktuell.
40:08Die Corona-Pandemie war natürlich für uns alle eine absolute Ausnahmesituation.
40:16Und das hat uns am Anfang natürlich genauso überrascht wie die ganze Gesellschaft, wie die Politik, wie alle Medien und natürlich auch uns.
40:27Und ich finde, wir haben am Anfang in der ersten Phase einen ziemlich guten Job gemacht und sehr angemessen auch darüber berichtet.
40:35Als die Debatte sich auch in der Gesellschaft zuspitzt, gibt es mehr Kritik an der Tagesschau.
40:40Sogar den Vorwurf, die Regierung schreibe der Redaktion vor, was sie zu berichten habe.
40:44Rückblickend, glaube ich, kann man sagen, wir sind zu spät aus diesem Krisenmodus herausgekommen.
40:53Wir haben zu lange monothematisch berichtet.
40:57Wir hätten also früher andere Themen, andere Nachrichtenthemen zulassen können, also mehr Alltagsleben wieder in die Berichterstattung zulassen können.
41:07Das würde ich jetzt im Rückblick als durchaus kritikwürdig ansehen.
41:11Wir haben aber in der ganzen Zeit wirklich frei und unabhängig über alles berichten können.
41:20Aber wir sind wahrscheinlich zu spät aus diesem reinen Krisenmodus herausgekommen.
41:25Manche glauben, wir seien als Gesellschaft insgesamt nie so richtig aus dem Krisenmodus rausgekommen.
41:29Das sagt auch eine Medizinethikerin, die während der Pandemie im öffentlichen Fokus stand.
41:35Alena Büx, damals Vorsitzende des Deutschen Ethikrates.
41:39Er soll mit seinen Empfehlungen Orientierung geben für Politik und Gesellschaft.
41:44Ich habe sie gefragt, gehen wir zu unversöhnlich miteinander um?
41:47Ich finde es eine wirklich wichtige Frage, weil mir das schon Sorge macht, dass man zu schnell so Stempel verteilt und einfach Leute in eine bestimmte Ecke stellt.
42:00Das ist eine Tendenz, die hat sich fortgesetzt, die gab es auch schon vor der Pandemie.
42:06Aber in der Tat verhindert das natürlich so ein bisschen, dass man versteht, pass mal auf, hier gibt es jetzt ein gemeinsames Problem und das muss gemeinsam gelöst werden.
42:14Interessenskonflikte werden hart ausgetragen. Corona trifft auf eine bereits stark belastete Gesellschaft.
42:22Was uns fehlt gesellschaftlich, glaube ich, und ich weiß nicht, ob das vielleicht schon nicht mehr geht, weil wir eine Krise nach der anderen haben, ist ein gewisser Heilungsprozess.
42:33Das hätte ich mir für uns sehr gewünscht. Und ein Stück weit ist natürlich auch die Tatsache, dass gerade als man dachte, jetzt ist mal das Schlimmste vorbei,
42:41jetzt können wir als Gesellschaft alle mal durchatmen und mal ein bisschen gucken, was war das eigentlich und so ein bisschen auch gegenseitig abholen.
42:50Es haben ja alle was verloren, alle hatten Angst. Es war eine grässliche Zeit für alle.
42:56Das war genau die Zeit, als der Angriffskrieg auf die Ukraine angefangen hat und gleich die nächste verstörende existenzielle Situation da war.
43:06Und es gibt wirklich Leute, die Bücher schreiben dazu, dass Gesellschaften, wenn sie nicht die Möglichkeit haben, ein bisschen zu heilen, dass die Wunde dann weiter schwillt.
43:16Und so ein ganz bisschen merkt man das, glaube ich.
43:18Was lernen wir aus Corona? Bleibt auch weiterhin eine offene Wunde? Oder schaffen wir es vielleicht doch, als Gesellschaft wieder stärker zueinander zu finden?
43:26Ich erlebe bei den Menschen, die an diesem Thema sich komplett von der Gesellschaft, vom Staat verabschiedet haben, eine so harte Abgrenzung,
43:37dass ich nicht merke, wie man da wieder in Kontakt kommt, wie man da drüber hinbekommen könnte.
43:42Vielleicht gilt da der Satz, die Zeit heilt alle Wunden. Ich habe noch keine Idee, wie man das aktiv bewerkstelligen kann.
43:50Mein Ideal in einer liberalen Gesellschaft und Demokratie ist der mündige Bürger.
43:58Der mündige Bürger ist in der Lage für sich, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen und braucht nicht einen Staat, der ihm sagt, was er tun und lassen soll.
44:09Wir müssen auf eine neue Pandemie besser vorbereitet sein. Daher ist die Aufarbeitung der Pandemie sehr wichtig.
44:15Wir müssen über die damaligen Beweggründe reden. Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich in einer Sendung wie Ihrer hier mich den kritischen Fragen stelle.
44:23Ich finde es wichtig, dass wir darüber reden. Und wie gesagt, wir müssen einfach schlicht besser vorbereitet sein.
44:29Wenn wir jetzt quasi eine Pseudo-Aufarbeitung durchführen, wo letztendlich die, die die Narrative in der Pandemie bestimmt haben, auch wieder Recht behalten und sagen,
44:40es war im Großen und Ganzen, haben wir alles richtig gemacht. Ich glaube, hier braucht es eine ehrliche Aufarbeitung, eine Transparenz auch gegenüber den eigenen Fehlern.
44:49Und das würde dann, glaube ich, auch diese beiden großen Lager zusammenbringen.
44:54Mein persönliches Fazit aus der Corona-Zeit. Es wird schwer sein, die Gräben zu überbrücken.
44:59Aber wir müssen es unbedingt versuchen. Das war die dritte und vorläufig letzte Folge von Klar.
45:05Mit dem Thema Migration und dem Frust der Bauern haben wir uns zuletzt beschäftigt.
45:10Danke für die vielen positiven Rückmeldungen. Und konstruktive Kritik haben wir sehr gerne für unser neues Format berücksichtigt.
45:17Kommentiert gerne fleißig auf YouTube.
45:19duct
45:33Danke für die Grenzen.

Empfohlen

27:54
Als nächstes auf Sendung