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MusikTranskript
00:00Untertitelung des ZDF für funk, 2017
00:30Er geht jetzt in die Doppelkurve, die Hellmark abstehen kann.
00:32Jamaoki zieht der March vorbei.
00:34Hellmark verliert die Kontrolle.
00:35Sein rechter Hinterreifen hat sich gelöst.
00:36Der March rast über den Randstreifen, überschlägt sich.
00:39Eine Explosion. Der Wagen brennt. Er brennt.
00:52Björn Hellmark, der Sohn des deutschen Großindustriellen Alfred Hellmark,
00:56Er lag im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen.
01:06Nicht weinen, Schoko.
01:11Aber...
01:11Ich weiß, ich sehe aus wie Björn, ich spreche wie Björn
01:15und trotzdem liegt Björn Hellmark da vorne auf seiner Bahre.
01:19Aber das gibt's doch nicht.
01:22Ein Mensch kann doch nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.
01:28Doch, er kann.
01:31Björn Hellmark.
01:32Ein Mann lebt zum zweiten Mal.
01:36Zufall?
01:37Wunder?
01:39Oder Vorherbestimmung?
01:41Es steht geschrieben.
01:44Und einer wird kommen, das trügerische Band des tückischen Friedens zu lösen.
01:50Damit Xantiloner Wache und Aufsteig zu blühendem Leben.
01:53Xantilon, der vergessene Kontinent.
01:59Vor Jahrtausenden mit in die Tiefe des Meeres gerissen.
02:03Versunken im Sog von Atlantis, dem sagenhaften sechsten Kontinent.
02:09Das Schwert ist das Zeichen der erwachenden Schlacht.
02:12Das Buch, der Schlüssel zu wissen und siegt.
02:15Aber nur der wird gegen die Dämonen und Geister der schwarzen Priester bestehen.
02:19Der Herr wird von Marlos, der unsichtbaren Insel.
02:24Denn dort wartet der Schlüssel zu ewigem Frieden.
02:31Wenn du nicht Björn bist, wer bist du denn dann?
02:35Ich bin ein Wesen geschaffen aus seinem Geist.
02:39Aus seinem Willen.
02:40Den physikalischen Gesetzen trotzend.
02:44Ich bin Makabros.
02:49Und die dämonischen Mächte des Grauens suchen sich schon wieder ein neues Opfer.
02:55Nein.
03:17Nein.
03:19Nein.
03:20Trägt ihr nicht.
03:22Mich nicht.
03:24Pass auf.
03:25Ich bin nicht so dumm wie er.
03:27Ich werde euch entkommen.
03:29Ich, ich.
03:30Nein.
03:31Nein.
03:32Lass mich los.
03:33Lass mich los.
03:39Schweißgebadet schreckte Edgar Lorten auf.
03:43Er lebte.
03:45Alles war nur ein Traum gewesen, ein Albtraum.
03:48Derselbe Albtraum, der ihm nun schon seit vielen Wochen und Monaten den Schlaf raubte.
03:53Der ihn gnadenlos verfolgte, so wie er seine müden Augen schloss, um nur für wenige Stunden die Angst zu vergessen, die mörderische Angst, die sein Leben zur Hölle machte.
04:03Aber auch im Schlaf konnte er keine Ruhe finden.
04:07Die Angst verfolgte ihn bis in seine Träume.
04:11Bilder tauchten auf.
04:13Bilder, für die er keine Erklärung finden konnte.
04:17Er wusste nur, dass diese Bilder nicht die Fantastereien eines verwirrten Geistes waren.
04:21Sie waren grausame Wirklichkeit.
04:23Und sie würden ihn verfolgen, bis sie ihn vernichtet hätten.
04:31Hallo?
04:33Hallo?
04:34Ist da jemand?
04:36So, so, so sagen Sie doch etwas.
04:39Hallo?
04:40Hallo?
04:41Wo wollen Sie denn?
04:42Es, es ist doch schon spät.
04:43Halt drei.
04:45Ich bin müde.
04:46Ich will schlafen.
04:47Ich will schlafen.
04:48Bitte sagen Sie, wer Sie sind.
04:52Können Sie denn nicht reden?
04:54So sagen Sie doch endlich was.
04:58Zögernd stieg Edgar Lorden aus seinem Bett und schlich mit angehaltenem Atem zur Wohnungstür.
05:06Als er seine rechte Hand vorsichtig zur Türklinke führte, merkte er, dass sie zitterte.
05:12Entschlossen drückte er die Klinke nach unten.
05:14Langsam, ganz langsam zog er die Tür einen winzigen Spalt breit zu sich heran.
05:23Sein Herz schien stehen zu bleiben.
05:26Das Blut raste durch seinen zitternden Leib.
05:28Der Magen drehte sich ihm um und sein Hirn hämmerte unablässig.
05:32Der Höllehund, der Höllehund, der Höllehund.
05:37Es gab ihn also wirklich.
05:39Er war gespenstischer und ekelerregender als in Lordens Träumen.
05:44Ein graues, abgerissenes Fell bedeckte den senigen Körper des Tieres.
05:51Aus dem hageren Hals ragte ein nackter Totenschädel, in dessen leeren Höhlen zwei glühend rote Augen den halb ohnmächtigen Edgar gierig anstarrten.
06:01Lange, messerscharfe Zähne blitzten in einem geifenden Maul aus blanken Knochen.
06:06Dies war kein Traum.
06:11Dies war die Wirklichkeit.
06:13Lauf, lauf dein Leben.
06:17Hämmerte es nun in Edgars Kopf.
06:19Und Edgar Lorden lief.
06:22Für den Bruchteil einer Sekunde war er versucht gewesen, einfach aufzugeben, sein Leben einfach hinzugeben, dieses Leben voller Angst und Verzweiflung.
06:30Aber dann hatte der Wille zum Überleben doch in Edgar Lorden gesiegt.
06:34Blitzschnell hatte er die Wohnungstür weit geöffnet, sodass die Bestie geradenwegs auf ihn zuspringen konnte.
06:40Aber im letzten Augenblick war er dann an dem geifernden Ungeheuer vorbeigehuscht, stürzte nun die Treppe auf den Hof hinunter.
06:45Die Verwirrung des Angreifers gab Edgar einen kleinen Vorsprung.
06:49Jetzt hatte er den finsteren, unerleuchteten Hof erreicht.
06:52Er rannte ohne Ziel durch das Tor, hinaus in die Straßen von London.
06:56Aber der Höllenhund war schneller als Lorden.
06:58Schon hörte er sein Keuchen dicht an seinem Nacken.
07:00Er spürte den heißen, übel riechenden Atem.
07:02Er wagte nicht, sich umzuschauen.
07:04Er rannte weiter um sein Leben.
07:05Da hörte er plötzlich das Höllentier aufheulen.
07:08Ein dumpfer Schlag folgte.
07:13Lorden blieb wie an Gewurzel stehen.
07:15Vorsichtig wendete er den Kopf.
07:20Sein höllischer Verfolger war zu Boden gestreckt.
07:23Ein Blonder, großer Mann hatte sich auf ihn geworfen und rang mit dem Höllenhund.
07:28Lorden wusste, dass es ein ungleicher Kampf sein würde.
07:31Der Hund hatte infernalische Kräfte.
07:33Der Blonderretter würde selbst ein Opfer dieser Bestie werden.
07:37Mr. Lorden, schnell, steigen Sie zu mir ins Auto.
07:41Lorden hatte den Wagen nicht kommen hören.
07:43Auf der anderen Seite der Straße stand ein grüner Chevrolet.
07:47Der Mann, den er nie vorher gesehen hatte, hielt die Wagentür auf und winkte Lorden herbei.
07:53Mit drei Schritten überquerte Edgar die Straße und warf sich auf den Beifahrersitz.
07:56Hören Sie, Mister, wir müssen dem Mann helfen.
07:59Er hat allein keine Chance gegen den Höllenhund.
08:02Er wird es schon schaffen, Mr. Lorden.
08:03Schauen Sie, er ist ja nicht alleine.
08:06Was Edgar Lorden nun sah, verwirrte ihn aufs Höchste.
08:09Der blonde Mann rang noch immer mit dem Höllenhund, aber gerade als der Kampf einen dramatischen Ausgang
08:15zu nehmen drohte, tauchte wie aus dem Nichts.
08:20Ein zweiter blonder Mann auf, der dem Höllenhund mit einem gewaltigen Schlag den nackten,
08:25toten Schädel in zwei Teile zerbaust.
08:27Zwei blonde, große Männer, die völlig identisch waren, hatten den Höllenhund besiegt.
08:39Doch was sich nun vor den Augen von Edgar Lorden abspielte, war ungeheuerlich.
08:45Der zweite blonde Mann löste sich in Luft auf.
08:53Er verschwand genauso merkwürdig, wie er erschienen war.
08:58Noch ehe der völlig verdutzte Lorden den Mann neben ihm am Steuer nach einer Erklärung
09:03für die seltsamen Geschehnisse der letzten Minuten fragen konnte,
09:08war Björn Hellmark am Auto angelangt und nahm auf dem Rücksitz Platz.
09:16Das war ein ganz schönes Stück Arbeit.
09:18Der Burscher hatte enorme Kräfte. Allein hätte ich das wohl nicht geschafft.
09:22Darf ich mich vorstellen, Mr. Lorden, ich bin Björn Hellmark und dieses Richard Patrick,
09:27seines Zeichens Verleger New York und sozusagen ihr eigentlicher Lebensretter.
09:32Aber wer war der andere, der dritte, der genauso aussah wie Sie?
09:36Und warum waren Sie alle drei gerade im richtigen Augenblick hier am Ort dieses gespenstischen Geschehens?
09:42Ah, berufliche Gründe, Mr. Lorden. Richard Patrick und ich interessieren uns jeder auf seine Weise aus.
09:49Nun sagen wir ruhig beruflichen Gründen für Ihr ungewöhnliches Schicksal.
09:53Mr. Patrick ist Verleger New York und arbeitet zur Zeit an einer Reihe von sogenannten Amazing Tales.
09:58Ungewöhnliche Geschichten, die Zeitgenossen von uns erlebt haben,
10:01die aber so unglaubwürdig klingen, dass jeder, dem Sie von diesen Ereignissen erzählen...
10:05Erzählen...
10:05Sorgenvoll zu einer psychiatrischen Behandlung rät.
10:09Danke, das genügt schon, Mr. Hellmark.
10:12Ich habe in dieser Hinsicht einschlägige Erfahrungen gesammelt.
10:15Wir wissen, dass Sie 30 Jahre lang verschwunden gewesen sind
10:18und jeder Sie längst tot geglaubt hat, Mr. Lorden.
10:21Ja, meine hoffnungsvolle Karriere als begabter Maler wurde mit 22 je unterbrochen.
10:27Ich verschwand spurlos und kann mich nicht im Mindesten daran erinnern,
10:32wo ich 30 Jahre meines kostbaren Lebens verbracht habe.
10:35Ich zermartere mir mein Hirn.
10:38Ich versuche mich an Einzelheiten, winzige Details zu erinnern.
10:43Außer der Schreckensgöttin will mir nichts weiter einfallen.
10:46Sie sagten eben Schreckensgöttin?
10:48Schreckensgöttin, Mr. Lorden?
10:49Wer ist damit gemeint?
10:50Wie? Was habe ich gesagt?
10:53Nein, nein, da müssen Sie sich verhört haben.
10:55Warum sollte ich denn so etwas Unsinniges sagen?
10:57Vielleicht ist das gar nicht so unsinnig, Edgar.
11:00Ich schlage vor, Sie verbringen die nächsten Nächte lieber in unserer Nähe.
11:03Es gibt sicherlich noch ein Zimmer im Kensington Hotel.
11:05Ja, es...
11:06Am besten in einem der obersten Stockwerke,
11:08denn sicherlich hat unser kleiner, teuflischer Freund von eben
11:11noch ein paar nette Verwandte,
11:13die sein Ableben vielleicht nicht ganz so gelassen hinnehmen wollen.
11:15Fahren wir ins Hotel, ein gepflegter Drink wird uns allen guttun.
11:18Ja.
11:20Tja, da hatte mein alter Freund und Gedankenpartner
11:22wohl mal wieder den richtigen Riecher gehabt.
11:24Pardon, Sie wissen ja noch gar nicht, von wem ich spreche.
11:26Also ganz genau weiß ich das auch, ehrlich gestanden, noch nicht.
11:29Alnafo ist, wie soll ich sagen, mein Freund Harvey.
11:33Ein unsichtbarer weißer Priester,
11:35der mir nach meinem Tod durch einen Rennunfall
11:37mit meinem March das Leben gerettet hat.
11:40Als der Piepton in einem südfranzösischen Krankenhaus
11:42todsicher Game Over für Björn Hellmark signalisierte,
11:45hatte für mich das geheimnisvolle Spiel eigentlich erst begonnen.
11:48Die Regeln sind für mich nicht ganz durchschaubar.
11:50Es ist ein Wettkampf der Meister der weißen Magie
11:53gegen die schwarzen Priester des Bösen.
11:56Und ich selbst bin, so unwahrscheinlich es klingen mag,
11:58Kafun der Namenlose, der direkte Nachfahr eines weißen Priesters.
12:04Das Blut der Xantilonia fließt in meinen Adern
12:06und in meinen Händen liegt das Schicksal eines ganzen Volkes,
12:10des Volkes von Xantilon, dem vor Jahrtausenden versunkenen Kontinent.
12:14Ich bin auserwählt, im Wettlauf gegen die Mächte des Bösen,
12:18das Volk der Xantilonia wieder zu einigen
12:20und zurückzuführen in ihr Reich,
12:22in das Reich der weißen Magie.
12:25Es muss mir gelingen, als erster die unsichtbare Insel Marlos zu erobern.
12:30Sie ist der einzige Ort auf dem ganzen Erdenwall,
12:32von dem aus es mir gelingen wird,
12:34die Macht der schwarzen Priester des Bösen zu brechen
12:36und die Menschheit für alle Zeiten
12:38von ihren dämonischen Kräften zu befreien.
12:41Mit Hilfe meines geheimnisvollen Auftraggebers
12:43ist es mir gelungen, bisher einige Hürden zu nehmen.
12:45Ich bin im Besitz des Buches der Gesetze,
12:48ich habe die Dämonenmaske errungen,
12:49die eine unschlagbare Waffe im Kampf gegen die schwarzen Priester ist,
12:53ich habe den Spiegel, der mir den Zutritt
12:54in das Reich meiner Feinde ermöglicht
12:56und ich habe das magische Schwert,
12:59das die Kraft hat, sie zu vernichten.
13:02Alnafur hatte mich nach London geschickt,
13:04um die Bekanntschaft eines gewissen Edgar Lorden zu machen.
13:06Noch weiß ich nicht viel über diesen Lorden.
13:08Ich weiß nur, dass er ein ungewöhnliches Schicksal hat und Feinde.
13:12Feinde aus einer anderen Welt.
13:14Vielleicht ist er aber auch ein Abgesandter der schwarzen Priester
13:17und will mich in eine Falle locken.
13:20Ich muss Edgar Lordens Erinnerung auf die Sprünge helfen.
13:22Er weiß etwas, was ich unbedingt wissen muss.
13:25Es kann eine wichtige Spur für mich sein,
13:27ein Hinweis auf meine Feinde,
13:29die vielleicht auch Lordens Feinde sind.
13:31Nach einigen sehr erquicklichen Drinks
13:37und einem umso weniger erquicklichen Gespräch mit Edgar Lorden
13:40verbrachte ich eine unruhige, ruhelose Nacht im Kensington Hotel.
13:44Ich beschloss mit Edgar Lorden
13:46den berühmten Psychoanalytiker Dr. James Shaker aufzusuchen
13:50und es gelang mir, am nächsten Morgen sofort einen Termin
13:53für eine Sitzung bei dem sehr beschäftigten Shaker zu erringen.
13:56So, meine Herren, der Patient liegt jetzt
13:59in einem tiefen hypnotischen Schlaf.
14:02Wir können mit der Befragung beginnen,
14:04aber ich darf Sie bitten,
14:06sehr behutsam vorzugehen.
14:07Ich möchte das Leben von Mr. Lorden
14:09in keiner Weise gefährden.
14:12Ich habe gewiss auch nichts Gegenteiliges vor, Doktor.
14:15Dieser Edgar Lorden
14:16ist für mich vielleicht von unschätzbarem Wert.
14:19Mr. Lorden, hören Sie mich?
14:21Ich bin's, Björn Hellmark.
14:22Ja, Hellmark, ich höre Sie.
14:26Edgar, versuchen Sie sich zu erinnern,
14:28wo Sie in den vergangenen 30 Jahren gewesen sind.
14:32Beschreiben Sie mir den Ort, die Umgebung,
14:34die Menschen, mit denen Sie dort Kontakt hatten.
14:36Es ist dunkel, nur dunkel.
14:41Ich sehe nichts, gar nichts.
14:44Nur eine tiefe, kalte Dunkelheit umgibt mich.
14:48Öffnen Sie die Augen, Edgar.
14:50Durchbrechen Sie die Dunkelheit.
14:51Sagen Sie mir, was Sie sehen.
14:53Dunkel, nur dunkel.
14:56Kein Licht, nichts zu sehen.
15:00Ich sehe nichts.
15:02Ich will auch nichts sehen.
15:05Die Augen sind offen,
15:07aber Sie sind blind.
15:10Ich bin blind.
15:11Ich kann nichts sehen.
15:13Meine Hände nicht.
15:14Und auch nicht mein Körper.
15:16Licht, dunkel.
15:18Es hat keinen Sinn, Mr. Hellmark.
15:21Er kann nicht sehen, weil er es nicht sehen will.
15:25Sie dürfen ihn nicht quälen.
15:27Sein Geist ist verwirrt.
15:28Er hat Angst, gewisse Dinge zu sehen.
15:31Er leidet unter einer schizophrenen Angstneurose
15:34und verdammt sich die Sagen.
15:36Ich muss ein Experiment machen, Shaker.
15:41Bitte lassen Sie es zu.
15:42Wenn ich Ihnen jetzt sage, was ich vermute, Doktor,
15:44werden Sie mich wahrscheinlich auffordern,
15:46neben Lorden auf der Behandlungscouch Platz zu nehmen.
15:48Es klingt völlig unwahrscheinlich.
15:49Aber ich habe die Vermutung,
15:51dass Edgar Lorden in einer Welt war,
15:53die normalerweise für alle sterblichen Wesen unzugänglich ist.
15:56Er war in der Welt der Geister und Dämonen.
15:59Und durch ihn finde ich vielleicht den Schlüssel zu dieser Welt.
16:01Und ich bitte Sie, Doktor, sich mir nicht in den Weg zu stellen.
16:04Mr. Lorden, erinnern Sie sich an die Schreckensgöttin?
16:09Nein, nein!
16:10Gehen Sie weg! Lassen Sie mich in Ruhe!
16:12Ich will nicht über Sie reden!
16:14Ich darf nicht über Sie reden!
16:17Sie wird mich töten, wenn ich es tue!
16:19Niemand wird Sie töten, Edgar!
16:20Sie sind ja völlig sicher!
16:21Sagen Sie mir, wie die Schreckensgöttin aussieht!
16:25Schön, schön, sehr, sehr schön!
16:28Kalt, aber schön!
16:30Ein, ein, ein Tempel, ein Thron!
16:34Sie sitzt auf dem Thron!
16:37Menschenleiber, versteinerte Menschenleiber umringen ihren Thron!
16:42Und Dämonen!
16:43Scheußlich, grauenvolle Dämonen!
16:46Hellenhunde mit Totenschädeln!
16:49Sie, sie greifen mich an!
16:51Sie wollen mich töten, weil ich nicht geschwiegen habe!
16:55Sie, sie gibt ihnen das Zeichen!
16:57Nein!
16:57Nein!
16:58Nein!
16:59Nein!
17:00Der Puls von Edgar Lorden raste.
17:02Sein ganzer Körper bebte und war nass vor Schweiß.
17:04Er warf sich auf der Couch hin und her.
17:06Seine bleichen Hände krallten sich in meine Arme.
17:08Dr. Schäker befahl mir sofort, die Befragung abzubrechen.
17:10Aber ich durfte jetzt nicht aufhören.
17:11Nicht jetzt, wo das Ziel so greifbar nahe war.
17:15Ruhig, Edgar!
17:17Ich bin bei Ihnen.
17:18Sie haben nichts zu befürchten.
17:18Sagen Sie mir, wie Sie in diesen Tempel gekommen sind.
17:22Sagen Sie es mir!
17:23Ich kann mich nicht erinnern.
17:26Ich habe keine Erinnerung, wie es geschah.
17:29Es war am 12. Mai 1952.
17:31Was haben Sie an diesem Tag gemacht, Edgar?
17:34Bitte erinnern Sie sich an diesen Tag.
17:37Ich wollte Bilder verkaufen auf dem Trafalgar Square.
17:43Aber keiner wollte sie haben.
17:46Keiner.
17:47Nur sie.
17:48Sie interessierte sich für meine Bilder.
17:50Wer ist sie, Edgar?
17:52Wie heißt die Frau, die sich für ihre Bilder interessierte?
17:54Sie war schön und jung.
18:01Sie sagte, ich solle mit ihr kommen.
18:04In ihre Wohnung.
18:06Sie macht mir einen Tee.
18:09Ja, ja.
18:10Ich folgte ihr.
18:12Eine kleine Dachwohnung in der Berger Street 156.
18:18Ja, Nummer 156 in der Berger Street.
18:22Edgar, wie nannte sich die Frau?
18:25Sagen Sie mir ihren Namen.
18:27Betty.
18:29Betty hieß sie.
18:31Ja?
18:31Die schöne kleine Frau.
18:34Betty Rawley aus der Berger Street 156.
18:39Ja.
18:40Und was hat Betty dann mit Ihnen gemacht, Lorden?
18:42Auch.
18:43Sie hat mir einen Tee gekocht.
18:46Und dann hat sie mich in ihr Schlafzimmer geführt.
18:50Und dann...
18:50Ich lag auf ihrem Bett.
18:55Auf ihrem weichen, weißen Bett.
19:00Und dann...
19:01Und dann...
19:03Was war dann, Edgar?
19:05Was ist dann geschehen?
19:07Ich weiß es nicht mehr.
19:11Sie war so schön.
19:14Ich glaube, ich habe sie geliebt.
19:17Ich habe sie geliebt.
19:19Betty.
19:21Betty.
19:22Es hat keinen Sinn, Mr. Hellmark.
19:24Ist ja schon gut, Doktorchen.
19:26Ich weiß doch jetzt schon fast alles, was ich wissen wollte.
19:28Betty Rawley.
19:29Berger Street 156.
19:31Scheint mir eine heiße Adresse zu sein.
19:33Ich werde der Dame jetzt einen kleinen Besuch abstatten.
19:35Mal sehen, ob sie sich über die 30 Jahre gut gehalten hat.
19:39Und zumindest das, was zu so früher Morgenstunde nach einer feuchtfröhlichen Nacht von ihr übrig geblieben ist.
20:00Selbst das reicht noch bei weitem aus, einem Mann Sie verzeihen, den Verstand zu rauben.
20:08Oh, Sie großer, fremder Charmeur.
20:11Was verschafft mir denn die Ehre Ihres Besuches zu so nachtschlafender Zeit?
20:15Nun, das ist nicht so leicht zu erklären, wenn ich mich zunächst einmal vorstellen darf.
20:24Nein, nein, lassen Sie mich raten.
20:26Sie sind Rani Mahai, der furchtlose Tigerbändiger vom indischen Zirkus, der Mann ohne Nerven, der Koloss von Bhutan.
20:35Ich sehe, Mademoiselle, mit großem Erstaunen, dass auch Sie über ein gewisses Potenzial an hellseherischen Talenten verfügen.
20:46Meine Talente liegen eigentlich eher auf anderen Gebieten.
20:49Oh, Sie machen mich erröten. Aber es wäre mir ein Vergnügen, diese zu erforschen.
20:57Und mir wäre es ein Vergnügen, zu erforschen, was Sie nun eigentlich von mir wollen.
21:01Mademoiselle Carminia, Björn Hellmark ist ein Gefahr.
21:07Es ist nun wirklich kein Grund, mich um halb elf aus den Federn zu klingeln.
21:11Dass Björn nicht gerade ein Beamtenleben führt, damit habe ich mich mittlerweile längst abgefunden.
21:16Nein, Mademoiselle, vergeben Sie mir. Diesmal scheint die Lage sehr ernst zu sein.
21:23Ich bin im Besitz einer magischen Kugel.
21:26Und habe in dieser Kugel vorausgesehen, dass Björn Hellmark in einer Wohnung im Schlafzimmer einer gewissen Betty Raleigh von bestialischen Höllenhunden angefallen und dann durch einen Spiegel stürzen, der ihn regelrecht schlucken und verschwinden lassen wird.
21:47Ich weiß nicht, was Sie für Dinge geschluckt haben, aber ich weiß, dass Sie hier schleunigst verschwinden werden.
21:54Sonst hole ich nämlich auch mal ein paar magische Kugeln, die allerdings aus einem kleinen Revolver kommen und von Ihrem gigantischen Körper nicht allzu viel übrig lassen dürften.
22:02Mademoiselle, ich bitte Sie, verspotten Sie mich nicht.
22:06Ich meine es bitter ernst.
22:08Hier, in diesem Koffer, ist die magische Kugel.
22:18Ein Onkel von mir, der ein buddhistischer Mönch im Malaya war, hat sie selbst aus einem Bergkristall geformt.
22:26Und kurz bevor er starb, hat er sie mir, seinem einzigen Neffen, als wertvollstes Erbe, das ein Sterblicher erlangen kann, hinterlassen.
22:38Ich kann in dieser Kugel mein Schicksal voraussehen.
22:41Und heute habe ich zum ersten Mal das Schicksal eines mir völlig fremden Menschenteilen entdeckt.
22:48Das Schicksal Ihres Geliebten, Mademoiselle Brado.
22:52Ich bitte Sie, sich selbst von der Kraft und dem Zauber dieser Kugel zu überzeugen.
23:00Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick in die Kugel werfen.
23:03Okay, einverstanden. Werfen wir einen Blick hinein.
23:06Aber wenn Sie mir etwas vorgemacht haben, dann werfe ich Sie auf der Stelle hinaus.
23:12Caminha Brado, die rassige Brasilianerin, war seit einigen Jahren die Lebensgefährtin von Björn Hellmark.
23:18Und zusammen mit Björns Vater, Alfred Hellmark, gehörte sie zu den beiden einzigen Eingeweihten,
23:26die um das seltsame Schicksal Björn Hellmarks wussten.
23:30Aufmerksam beobachtete sie nun den fremden Mann,
23:34wie er aus einem kleinen schwarzen Lederkoffer eine kinderkopfgroße glänzende Kugel herausholte
23:40und sie behutsam auf den Tisch stellte.
23:43Der Fremde legte seine starken, braungebrannten Hände vorsichtig auf die Kugel
23:49und was Caminha nun sah, verschlug ihr den Atem.
23:56Ach, sehen Sie selbst, Mademoiselle, hier ist das Zimmer, von dem ich gesprochen habe.
24:02Aber Björn, wo ist Björn?
24:04Sehen Sie den Spiegel hinter dem zerrissenen Vorhang?
24:06In diesen Spiegel ist Björn Hellmark nach einem Kampf mit den grausigen Hunden gestürzt
24:13und war daraufhin spurlos verschwunden.
24:17Aber der Spiegel ist doch völlig unversehrt.
24:19Ich begreife das alles nicht. Was hat das zu bedeuten, Mr. Mahai?
24:23Ich kann es Ihnen auch nicht sagen, Caminha.
24:26Wir müssen Björn Hellmark aber sofort warmen.
24:29Caminha wählte Björns Nummer im Kensington Hotel, aber der Portier sagte ihr,
24:35Björn habe vor etwa einer halben Stunde das Haus verlassen.
24:39Caminha, schnell, schnell, kommen Sie her. Sehen Sie, was die Kugel nun zeigt.
24:45Verwirrt blickte Caminha Brado in die glänzende Kugel.
24:51Sie sah nichts weiter als zwei Steine, die auf einer Wiese standen.
24:56Das Seltsame war allerdings, dass die Steine von goldener Farbe waren
25:02und die Wiese leuchtend rot in ein mattes, gespenstisches Licht getaucht.
25:11Weder Rani Mahai noch Caminha hatte eine Erklärung für dieses seltsame Bild,
25:18das Ihnen die Kugel offenbarte.
25:21Mr. Mahai, ich fliege sofort nach London.
25:23Und es wäre mir eine große Freude, wenn Sie und Ihre Kugel mich dahin begleiten würden.
25:28Mademoiselle Caminha, nichts täten wir beide lieber.
25:34Aber der Zirkus ruft.
25:37Noch heute Abend geht unsere Reise nach Kalkutta.
25:40Ich hatte mir nach der Sitzung bei Dr. Shaker sofort ein Taxi geschnappt und war kurz im Hotel
25:58und bin dann auf direktem Wege in die Borger Street 156 gefahren.
26:01Zu meiner größten Freude entdeckte ich an der Haustür ein kleines messingfarbenes Schild,
26:06auf dem im großen schwarzen Druckbuchstaben der Name Betty Rawley stand.
26:11Nach mehrfachem ungeduldigem Klingeln wurde die Tür einen Spalt breit geöffnet.
26:16Eine Frau in mittleren Jahren, deren Gesicht noch immer die Spuren erregender Schönheit trug,
26:20blickte mich mit großen blaugrünen Augen fragend an.
26:24Das Haar war leicht zerzaust, sie hatte sich einen schlichten Morgenmantel
26:28über das dünne, durchsichtige Nachthemd geworfen.
26:31Offensichtlich hatte ich sie aus dem Schlaf geklingelt.
26:34Guten Morgen, Madame.
26:35Bitte entschuldigen Sie die frühe Störung.
26:37Sind Sie zufällig Mrs. Betty Rawley?
26:41Zufällig, ja, Mister.
26:43Aber ich empfange erst ab 14 Uhr meine Kunden.
26:47Wenn ich Ihnen die Karten lesen soll, kommen Sie ab 14 Uhr mal vorbei.
26:50Nein, nein, nein, Madame. Ich habe nur ein paar persönliche Fragen an Sie.
26:54Dürfte ich vielleicht einen Augenblick hereinkommen?
26:56Es geht um einen gemeinsamen Freund, wenn ich so sagen darf.
27:00Um Edgar Lorten.
27:01Nie gehört.
27:03Aber bitte, wenn Sie meine etwas unenglische Unordnung nicht weiter stört,
27:08kommen Sie auf einen Kaffee rein.
27:10Ich bin nicht sehr oft zu Hause, müssen Sie wissen.
27:13Ich habe nicht viel Zeit, mich um den Kram hier zu kümmern.
27:16Ah, Sie sind berufstätig?
27:18Ja, wenn Sie so wollen. Ich bin berufstätig.
27:23Haben Sie zufällig was mit Kunsthandel, also mit Bildern zu tun?
27:28Das ist eine höchst charmante Umschreibung meiner Tätigkeit.
27:32Aber Sie trifft nicht ganz zu.
27:34Aber Sie hatten früher einmal Interesse für Bilder, für Malerei, nicht wahr?
27:38Können Sie sich an einen jungen Maler namens Edgar Lorten erinnern?
27:41Er war mal hier bei Ihnen in der Wohnung.
27:43Sie haben sich für ein Bild von ihm interessiert.
27:46Vielleicht habe ich mich für den Maler interessiert, aber gewiss nicht für sein Werk.
27:51Lorten. Edgar Lorten.
27:55Ich muss Sie enttäuschen, den Namen habe ich nie gehört.
27:57Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass diese Frau log.
28:00Und mein Gefühl wurde auch prompt bestätigt.
28:03Denn als ich einen Blick auf die Wand neben mir warf, sah ich dort ein Bild hängen, signiert mit den Buchstaben E-L.
28:10Betty Raleigh hatte nicht bemerkt, dass ich das Bild entdeckt hatte.
28:13Es hatte wieder an der Tür geklingelt.
28:14Fluchend entschuldigte sie sich bei mir und ich hörte sie kurz darauf mit einer anderen Frau auf dem Gang streiten.
28:20Ich nutzte die Gelegenheit, um das Schlafzimmer, von dem Edgar Lorten in seiner Hypnose berichtet hatte, zu suchen.
28:26Ich hatte Glück.
28:27Die erste Tür, die ich vorsichtig aufdrückte, führte direkt in das Schlafzimmer und in ein Abenteuer von ungeheuerlichem Ausmaß.
28:35Kaum hatte ich einen Fuß über die knarrende Türschwelle gesetzt, stürzte ein riesengroßer Hund mit strittigem Fell und einem Totenschädel auf dem hageren Hals auf mich los.
28:44Noch ehe ich zu irgendeiner Reaktion fähig gewesen wäre, hatte er mich zu Boden gerissen.
28:48Das Ungeheuer kam mir auffallend bekannt vor.
28:50Gerade vor wenigen Stunden hatte ich einen seiner Artgenossen mit Hilfe von Makabros zur Strecke gebracht.
28:56Aber hier war ich in ein Nest von Hüllenhunden geraten.
28:59Es gab jetzt keinen Zweifel mehr.
29:00An diesem Ort, in der Wohnung von Betty Raleigh, hatte für Edgar Lorten vor 30 Jahren die Reise in eine unbekannte, dämonische Welt begonnen.
29:08Und Betty Raleigh selbst war diejenige, die ihn in diese Welt befördert hatte.
29:14Ja, Mr. Hellmark, jetzt sind Sie im wahrsten Sinne des Wortes platt, was?
29:20Wir haben Sie zweifels ohne Recht. Der Hund hier über mir hat ein enormes Gewicht.
29:24Sie haben einen Fehler begangen, Björn.
29:25Was soll ich nicht sagen?
29:27Denselben Fehler, den vor 30 Jahren Edgar Lorten begangen hat.
29:31Eddie konnte entkommen. Schade, ich höre den sehr gerne.
29:34Aber für Sie wird dieser Fehler tödlich sein.
29:37Sie hätten meine Wohnung niemals betreten dürfen, Björn Hellmark.
29:44Leider schien Sie auch diesmal recht zu behalten.
30:02Denn die bräunlichen Zähne in dem knochenklappernden Maul des infernalischen Hundes kamen meiner Gurgel bedenklich nahe.
30:08Es gelang mir, ihn abzuschütteln.
30:10Als ich wieder mühsam auf meinen wackeligen Beinen stand, sprang mich ein zweites Ungeheuer von hinten an.
30:14Mir gelang es, auch diesen Angreifer zu überlisten.
30:17Betty Raleigh stand mit rotglühenden Augen in der Schlafzimmertür und schrie ihrem Bestien mit schriller Stimme ihre Befehle zu.
30:23Wie von Geisterhand gebracht, erschienen immer mehr Höllenhunde im Zimmer.
30:26Sie trochen aus allen Ritzen wie die Wanzen, umringten mich mit geifernden Mäulern und hatten eindeutig die Absicht, mich in tausend Stücke zu reißen.
30:33Wie ein Besessener schlug ich mit meinen Fäusten auf die Angreifer ein.
30:37Ich bahnte mir verzweifelt einen Weg durch das Grauen zu einem Fenster, das ich als letzte Rettung für mich sah.
30:42Ich hatte das Fenster fast erreicht, als mich erneut ein Hund von hinten ansprang.
30:45Meine Hand griff instinktiv in den Vorhang, der neben dem Fenster an der Wand befestigt war.
30:49Ich verlor das Gleichgewicht. Der Vorhang riss mit krachendem Lärm von der Wand.
30:53Im Fallen sah ich gerade noch den mannshohen Spiegel, der dahinter verborgen war.
30:57Unter dem grölenden Gelächter von Betty Raleigh stürzte ich in diesen Spiegel und verlor den Besinn.
31:03Nur ganz langsam wurde ich wieder Herr meiner Sinne. Meine Gliedmaßen schmerzten.
31:23Was ich wahrnahm, als ich meine brennenden Augen langsam öffnete und die farbig schillernden wirbelnden Ringe endlich gestallt wurden,
31:31erwies ich untrüglich als das weitaus größere Problem. Ich war in der vierten Dimension.
31:38Der Spiegel in der Wohnung von Betty Raleigh war ein transdimensionales Tor zu dieser Welt.
31:43Ich hatte es, genau wie Lorden, wieder meinem eigenen Willen passiert.
31:47Schon einmal war ich unfreiwilliger Besucher des Reiches der Dämonen und Geister geworden.
31:51Damals waren mir blitzartig schleimige grüne Schuppen über dem Körper gewachsen.
31:56Aber diese Symptome blieben zu meinem schwachen Trost diesmal aus.
32:01Herzlich Willkommen in meinem Reich, Björn.
32:05Vor mir, auf einem Thron aus versteinerten Menschenleibern, sah ich sie.
32:09Wie, kalt und unfassbar schön.
32:13Die Schreckensgöttin.
32:15Genau wie sie Edgar Lorden beschrieben hatte.
32:17Das schwarze, lange Haar hing in weichen Wellen über ihren ganzen Körper,
32:22der nur an den delikaten Stellen von kleinen, grinsenden, toten Köpfen geschützt war.
32:26Meine erste Frage an dieses teuflisch-göttliche Wesen war reichlich idiotisch, muss ich zugeben.
32:31Schuppen! Wo sind denn die Schuppen, die einem für gewöhnlich hier wachsen?
32:34Ein amüsiertes, zauberhaftes Lächeln spielt um die vollen, blutroten Lippen der dämonischen Schönheit.
32:41Und sonst haben Sie keine Probleme?
32:45Nun, mit Schuppen kann ich Ihnen in diesem Bereich der vierten Dimension nicht dienen.
32:50Ich mag keine Schuppen. Die kratzen so beim Küssen.
32:54Schuppen gibt's nur im Bereich von Irland.
32:56Und wenn Sie in der Nähe von Honolulu das Tor zur vierten Dimension passieren,
33:00dann können Sie sich an einem Baströckchen erfreuen.
33:03Ich habe mit Ihnen andere, viel reizvollere Dinge vor, Mr. Helmer.
33:08Vorfreude ist ja bekanntlich die größte Freude.
33:11Verraten Sie mir doch, welche neckischen Spielereien Sie mit mir planen.
33:16Eigentlich wollte ich Sie ja vorhin schon als Betty vernichten.
33:19Ja?
33:19Aber wenn Sie nun schon einmal hier sind.
33:22Sie gefallen mir, Björn. Sie sehen gut aus.
33:26Ach, was Sie nicht sagen.
33:28Sie könnten Eddie Stille einnehmen. Ich hatte Ihnen sehr gern, den kleinen Eddie.
33:32Aber er ist mir dummerweise entwischt.
33:35Wie? Wie ist Edgar Lorden Ihnen entwischt?
33:39Das möchten Sie gern wissen, was?
33:41Das kann ich mir lebhaft vorstellen.
33:43Ja.
33:43Dabei war es so dumm von Eddie, mich zu verlassen.
33:46Jetzt muss ich ihn nämlich töten.
33:48Eddie hatte, na sagen wir, Glück.
33:51Obwohl er jetzt bestimmt nicht sehr glücklich ist.
33:53In dem Tuwabu, der Machtkämpfe der verschiedenen Herrscher dieses Reiches, ist es Eddie gelungen, zu entwischen.
33:59Ich weiß auch nicht wie.
34:01Ich bedauere es nur sehr.
34:02Das können Sie mir glauben.
34:04Während sich mein reizvolles Gegenüber noch in einigen Ausschweifungen über die Vorzüge von Edgar Lorden verlor,
34:09bemerkte ich, dass ein etwas seltsamer Besucher ohne anzuklopfen in ihren Tempel eingedrungen war.
34:14Er kam zu Pferde.
34:15Aber weder Pferd noch Reiter hatten auch nur die Spur Fleisch auf ihren blanken Knochen.
34:19Sie waren völlig skelettiert.
34:21Als die Schreckensgöttin ihren Besuch auch bemerkte, huschte ein ängstliches Zittern über ihr schönes Gesicht,
34:26was mich unmissverständlich darauf hinwies, dass dieser fremde, skelettierte Reiter kein erwünschter Gast war.
34:32Und dann ging alles sehr schnell.
34:34Zuerst hörte ich nur ihre klappernden Hufe auf dem marmonen Fußboden.
34:37Und dann erblickte ich das Heer von unzähligen, skelettierten Reitern, die in den Tempel der Schreckensgöttin geprescht kamen.
34:44Ein makaberer Kampf zwischen den Untergebenen der Schreckensgöttin und den reitenden Ungeheuren brach los.
34:49Ich sah, dass die Schreckensgöttin fluchtartig ihren Thron verlassen hatte und sich einen Weg durch die kämpfenden Bestien bahnte.
34:54Sie würde sich in die dritte Dimension zurückflüchten. Das war meine Chance.
34:58Ich brauchte ihr nur zu folgen. Sie legte trotz ihrer Verletzung ein gewaltiges Tempo vor.
35:02Ich hatte einige Mühe, Schritt zu halten. Da plötzlich war der Gang zu Ende.
35:05Eine große, weiße Mauer sperrte ihr scheinbar den Fluchtweg.
35:09Aber da berührte sie die Mauer mit ihrer schmalen, blutbefleckten Hand und ging einfach durch sie hindurch.
35:14Eine halbe Sekunde später hatte ich die Mauer auch schon erreicht und warf mich mit meinem ganzen Gewicht dagegen.
35:18Ohne Erfolg. Für mich blieb die Mauer schlicht Mauer.
35:21Und meine Hoffnung auf einen Drinnen aus der vierten Dimension wurde unsanft zerstört.
35:25Mein Kopf war gegen die kalten, harten Steine geprallt und wieder verlor ich die Besinnung.
35:29Mr. Cluster, Sir, was sollen wir denn jetzt machen?
35:48Nun, vielleicht fragen Sie die reizende Miss Brado mal, ob sie zufällig ein paar Würfel dabei hat.
35:53Dann könnten wir ausknobeln, wer von uns dreien diese Brechstange zur Hand nimmt und damit die Tür eindrückt.
35:58Aber wenn Sie den bescheidenen Rat eines Vorgesetzten annehmen wollen,
36:03dann würde ich Ihnen raten, umgehend diese Brechstange hier selbst in Ihre zarten Fingerchen zu nehmen,
36:07bevor sie in Ihrem dicken Hintern steckt.
36:09Los, Paddington, brechen Sie schon die Tür auf.
36:12Ja, Sir. Mr. Cluster, Sir, wenn Sie vielleicht etwas beiseite treten würden.
36:16Ich trete gleich woanders hin, wenn Sie nicht endlich diese gottverdammte Tür einbrechen.
36:21Geht schon los, Sir, bin schon bei der Arbeit.
36:23Oh, war ja ganz leicht, Sir. Hätte ich gar nicht gedacht, Sir.
36:28Na, dass Sie denken können, wäre mir auch neu.
36:32Miss Brado, wenn Sie vielleicht lieber hier draußen warten wollen,
36:34der Geruch, den meine Nasenflügel wittern, lässt auf keinen sehr appetitlichen Fund schließen.
36:40Es riecht verdächtig nach Verwesung.
36:42Ich fürchte mich nicht, Mr. Cluster. Ich muss wissen, wo Björn Hellmark ist.
36:46War Mr. Hellmark mit einem Morgenmantel und einem durchsichtigen Nachttempel kleidet, Madam?
36:51Was schwatzen Sie da für dusseliges Zeug, Paddington?
36:53Wo stecken Sie denn überhaupt?
36:54Immer der Nase nach, Sir, da, wo es am strengsten riecht.
36:58Tja, hat ja einen sonnigen Humor, Ihr Kollege.
37:01Tja, unser Sonny-Boy Paddington.
37:04Lieb, aber mit Verlaub kein geeigneter Nachwuchs für Sherlock Holmes.
37:08Wenn Sie mir eine Bemerkung gestatten, Sir, vielleicht kein Sherlock Holmes,
37:11aber gewiss ein kleiner Dr. Watson, die Leiche, die hier in diesem Schlafzimmer liegt,
37:17ist im Zustande fortgeschrittene Verwesung,
37:20wie Sie unzweifelhaft auch selbst bemerkt haben werden.
37:22Aber ich habe mir erlaubt, vor Ihrem Eintreffen an unserem Einsatzort,
37:28die Bewohner des Hauses Nummer 56 nach der Mieterin dieser Wohnung ein wenig auszufragen.
37:34Noch heute Morgen hatte Miss Betty Rowley eine kleine Auseinandersetzung mit ihrer Vermieterin.
37:39Es ging um eine unbeglichene Mietzahlung.
37:42Nun, Mrs. Heatherfield wird ihre Miete jetzt wohl nie mehr bekommen.
37:47Noch heute Morgen lebt die Betty Rowley
37:49und jetzt liegt ihre Leiche vor unseren ungläubigen Augen
37:52in einem Zustand fortgeschrittener Verwesung.
37:56Mr. Gloucester, Sir, hier geht es nicht mit rechten Dingen zu.
38:01Fassungslos und am Rande der völligen Erschöpfung blickte ich gespannt auf das riesige Segelschiff,
38:16das sich mir lautlos, langsam und gespenstisch näherte.
38:19Als ich nach meinem gescheiterten Fluchtversuch mit brummendem Schädel erwacht war,
38:23hatte ich jegliches Gefühl für die Zeit verloren.
38:25Ich war ziellos durch ein Labyrinth von kalten, erleuchteten Gängen geirrt.
38:30Keine Menschenseele war mir begegnet.
38:32Meine Irrfahrt durch die Welt der vierten Dimension hatte ein abruptes Ende gefunden,
38:36als sich vor mir ein großes, tiefschwarzes Gewässer ausbreitete,
38:40dessen Überquerung mir gänzlich unmöglich schien.
38:43Umso beglückender war daher der Anblick des schwarzen Segelbootes
38:46und die knarrende Stimme, die in schrägen Tönen das alte Shanty vom Home Sweet Home knatterte,
38:52erschien mir als ein wahrer Ohrenschmaus.
38:53Nach Hause, wenigstens mal telefonieren, das war mein sehnlichster Wunsch.
38:57Und ich hielt aufgeregt Ausschau nach dem Steuermann, der sich mir nähernden Segelschiffes.
39:04Ahoi, Landratte! Alles klar zum Entern!
39:07Hast du eine Buddel mit Rum dabei, dann ist für dich eine Koje frei!
39:12Ein kleiner Seemannsscherz!
39:14Komm an Bord, Kamerad! Die Nacht wird kühl!
39:18Das kleine, unscheinbare Männlein schien der einzige Passagier auf dem Schiff zu sein.
39:21Und soweit ich ihn einschätzen konnte, war er nichts weiter als ein armer Irrer,
39:25der selbst als unfreiwilliger Besucher in der Welt der vierten Dimension schon ein paar Tage zu viel verbracht hatte.
39:30Entschlossen kletterte ich auf das Schiff.
39:32Der Mann kam freudestrahlend auf mich zu und drückte seine kleine, knochige Hand gerührt in die meine.
39:37Willkommen an Bord, Matrose!
39:40Du bist seit Monaten der erste Mensch, den meine beglückten Augen sichten.
39:45Berichte, Matrose, wie sieht's in der Heimat aus?
39:48Ja, soweit ich mich erinnern kann, jedenfalls anheimelnder als hier auf diesem gespenstischen Schiff.
39:53Mein Name ist Björn Hellmark und wie ist der Ihre Kaptein?
39:55Kaptein!
39:56Ich sehe, Sie haben Sinn für Humor.
40:01Fräkscher! Jonathan Fräkscher ist mein bescheidener Name.
40:05Ich kombiniere, wir beide werden eine lustige Überfahrt haben, Matrose Björn.
40:10Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön.
40:13Und wo geht die Fahrt hin, Mr. Fräkscher?
40:15Das liegt nicht in unseren Händen, Matrose.
40:18Wir können am Deck in aller Ruhe die Beine ausstrecken und bei einem Schwätzchen unserem unbekannten Ziel entgegenschippern.
40:27Ich zog es vor, zuerst die Gegend ein wenig zu inspizieren.
40:31Aber das Schiff, das inzwischen schon wieder abgelegt hatte, wurde wie von Geisterhand gesteuert.
40:36Kein Wind regte sich, die tiefschwarze See war spiegelglatt und trotzdem machte das Schiff enorme Fahrt.
40:41Ich setzte mich neben Fräkscher in einen komfortablen Liegestuhl und genoss einigermaßen entspannt die neue Lage, in der ich mich befand.
40:48Plötzlich wurde ich hellhörig.
40:51Mr. Hellmark, sagt Ihnen der Name Edgar Lorden etwas?
40:55Und ob mir dieser Name etwas sagt, Fräkscher?
40:59Edgar war mein Freund.
41:01Unsere Freundschaft hat unter sehr merkwürdigen Gegebenheiten ihren Anfang gefunden.
41:06Was ist denn so?
41:06Ja, wir haben uns hier in dieser Welt kennengelernt, aber Edgar ist es gelungen, mit der Hilfe eines gewissen Dr. Lekarim von hier zu entfliehen.
41:16Lekarim?
41:16Ja.
41:17Nur Ajit Lekarim kennt den Schlüssel zum Entrinnen aus dieser Welt.
41:22Er hat eine einzigartige Methode entwickelt, Opfer der schwarzen Priester und Dämonen zurück in ihren Lebensbereich zu befördern.
41:30Er verkleinert sie, lässt sie auf die Größe eines Staubkornes schrumpfen und kann sie auf diese Weise von hier verschwinden lassen.
41:40Wenn Sie recht haben, Fräkscher, dann ist dieser Dr. Lekarim unsere Rettung.
41:45Wir müssen diesen Mann finden.
41:47Solange wir allerdings auf diesem Schiff fest saßen, konnten wir nur tatenlos da sitzen und der Dinge haren, die auf uns zukommen würden.
41:53Und dann, endlich kamen sie auf uns zu, in Form einer Stadt, die Fräkscher durch ein großes Fernrohr erblickt hatte.
42:00Land! Land in Sicht!
42:06Matrose Hellmark, ich gebe uns beiden unbegrenzten Landurlaub, sobald wir den Hafen erreicht haben.
42:11Ahoi! Wir kommen! Werft die Anker, macht euch Landfein, Matrosen! Und dann, kreuz Donnerwetter und Wolkenbruch, entkert das Festland!
42:26Jonathan Fräkscher und ich hatten endlich wieder festen Boden unter den Füßen.
42:30Wir waren in einer Stadt mit dem klangvollen Namen Rapitor gelandet.
42:34Die Bewohner dieser Stadt waren eine Kreuzung aus sämtlichen Lebewesen, die man sich nur vorstellen kann.
42:39Und dementsprechend gaben sie auch ein Kaudelwelsch von sich, dessen Übersetzung selbst meinem alten Freund und Schriftgelehrten Bert Mertus schwergefallen wäre,
42:46der mir bei der Entschlüsselung des Buches der Gesetze hilfreich zur Seite gestanden hatte.
42:51Fräkscher hatte vorgeschlagen, dass wir jeder in verschiedenen Richtungen weiter nach Dr. Lekarim suchen sollten.
42:56Und so hatte ich meinen Weg in südlicher Richtung alleine fortgesetzt.
43:00Dicker, bleiernder Nebel war aufgezogen.
43:03Ich konnte die Hand nicht vor Augen sehen, geschweige denn das tiefe, gallertartige Moor,
43:08das plötzlich den mit seltenen Kräutern und Pflanzen bewachsenen schmalen Pfad, auf dem ich wandelte, je enden ließ.
43:14Bis zu meinen Knien war ich in blitzartiger Geschwindigkeit in dem brodelnden Schlamm versunken.
43:19Es war nur eine Frage von Sekunden, bis mich das Moor bis über beide Ohren mit Haut und Haaren verschlungen hätte.
43:24Kassend griff ich um mich, ein morscher, rissiger Baumstumpf gab meiner Hand einen Halt.
43:28Die gallertartige Brühe war kochend heiß und ich bemerkte, wie in meinem rechten Hosenbein schleimige, glitschige Tierchen langsam emporkrochen.
43:36Sie näherten sich bedrohlich meiner empfindlichsten Stelle.
43:38Ich hatte keine Hand frei, sie daran zu hindern.
43:40Meine Hände krallten sich mit aller Kraft in den Baumstumpf.
43:43Doch so sehr ich mich auch bemühte, es gelang mir keinen Millimeter weit, aus dem Schlamm herauszukommen.
43:48Ich versuchte mich zu konzentrieren.
43:50Makabros musste mir helfen.
43:52Mein Doppelkörper kam als einziger in Betracht, mich vor dem nahen Tod zu bewahren.
43:56Doch die Kräfte in meinem Körper waren zu gering.
43:58So sehr ich mich auch konzentrierte, ich hatte das Gefühl, mein Kopf würde zerspringen.
44:03Meine Kraft reichte nicht aus.
44:06Lebe wohl, Kaminia, mein Engel, dachte ich.
44:09Das war also das Ende.
44:14Mr. Helmer! Mr. Helmer!
44:17Wo sind Sie? Geben Sie mir ein Zeichen!
44:20Fracture? Also Jonathan Fracture?
44:22Aber der war doch in nördliche Richtung weitergegangen, wie um alles in der Welt.
44:26Kann ja jetzt plötzlich hier bei mir sein.
44:28Hier bin ich, Jonathan!
44:29Hier, ganz in Ihrer Nähe!
44:32Geben Sie mir Ihre Hand, Björk.
44:34Ich habe einen sicheren Halt.
44:36Ich ziehe Sie an Land.
44:37Sie, Sie kreuzverfluchte Wasserratte!
44:43Zweifellos, das war John Fracture.
44:45Sein Humor war unverwechselbar und seine Kräfte höchst bemerkenswert.
44:49Ehe ich mich versah, hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen.
44:52Und die Nachricht, die Fracture für mich bereithielt,
44:54ließ meine getrübte Laune von einer Minute auf die andere in eine Bombenstimmung umschlagen.
44:59Ich habe Agit Lecarim ausfindig gemacht, Björn.
45:02Auf, auf zum fröhlichen Verkleinern!
45:05Die Heimat ruft!
45:06Lass uns nicht weilen und schnell zu unserem Retter eilen!
45:11Dr. Lecarim, wenn Sie wüssten, wie erfreut ich bin, endlich Ihre Bekanntschaft zu machen!
45:23Die Freude ist ganz auf meiner Seite, verehrter Herr Hellmark!
45:26Dr., wir dürfen keinen Augenblick versäumen.
45:28Darf ich Sie bitten, sofort mit der Verkleinerung meines Körpers zu beginnen?
45:31Aber selbstverständlich, mein Lieber!
45:34Wenn ich Sie bitten darf, auf diesem Tisch Platz zu nehmen,
45:36steht Ihrer Reise in die Freiheit nichts mehr im Wege.
45:39Perfekt, Sir!
45:40Sind Sie doch bitte so freundlich und stülpen Sie diese große gläserne Kugel
45:44über den Körper des verehrten Herrn Hellmark!
45:47Dr. Lecarim, ich bin Ihnen zu größtem Dank verpflichtet.
45:51Sie sind ein wahrer Freund.
45:52Und als Ihr Freund drücke ich jetzt einen dieser Hebel.
45:56Geben Sie acht, Björn.
45:58Der Prozess hat schon begonnen.
46:00Dr. Lecarim hatte recht.
46:02Millimeter für Millimeter schrumpfte ich regelrecht meiner Rettung entgegen.
46:07Ich sah, dass Lecarim erneut an einem der Hebel hantierte,
46:10die an einer großen, komplizierten Apparatur befestigt waren.
46:14Eine kleine Erschütterung ging durch die Glaskugel.
46:16Dr. Lecarim hatte offensichtlich den Verkleinerungsprozess unterbrochen.
46:20Gibt es irgendwelche Komplikationen, Doktor?
46:23Nein, mein Freund, aber ich habe beschlossen,
46:25Sie zunächst einmal Zeuge einer kleinen Demonstration werden zu lassen.
46:30Satu, reiche mir das Objekt.
46:35Ich sah, dass Jonathan Fräkscher dem Doktor eine kleine Glaskugel reichte
46:38und wunderte mich, dass er protestlos auf den albernen Namen Satu reagiert hatte.
46:43Dr. Lecarim war jetzt ganz nah an meine Kugel herangetreten
46:46und zwischen Zeigefinger und Daumen hielt er die andere Glaskugel,
46:50in der ich ganz deutlich ein ängstliches, kleines Wesen aus Fleisch und Blut erkannte.
46:55Ein winziges Menschlein kauerte in der Kugel und starrte Dr. Lecarim mit stecknadelkopfgroßen,
47:01weit aufgerissenen Augen verzweifelt an.
47:04Was macht er denn für ein betrübtes Gesicht, Doktor?
47:08Hat er vielleicht einen Berg Schulden?
47:10Oder erwartet ihn etwa eine keifende Ehefrau in der dritten Dimension?
47:13Nichts dergleichen, Mr. Hellmark.
47:16Ich glaube, das, was ihn hier erwartet, lässt diesen Mann so ängstlich dreinschauen.
47:22Was nun geschah, konnte ich nicht fassen.
47:25Dr. Ajit Lecarim presste seine Finger einfach mit leichtem Druck aufeinander
47:30und zerquetschte das Leben eines wehrlosen Menschen mit wollüstigem Grinsen auf seinen Lippen.
47:37Ich hörte die Todesschreie, das war wirklich meinst.
47:39Ich sah, wie das Blut aus einem mikroskopisch kleinen Poren quoll.
47:43Die winzigen Knochen barsten mit einem hässlichen Geräusch.
47:46Das Hirn floss über den Daumennagel von Dr. Lecarim.
47:49Mit einem rosa-seidenen Taschentuch wischte der brutale Mörder
47:53die sterblichen Reste des qualvoll dahingeschiedenen einfach von seiner Hand.
47:58Ende der Vorstellung, Hellmark. Und Ende der Maskerade.
48:02Sato, reiß dir den Fetzen von deiner Fratze.
48:05Wir wollen Mr. Hellmark eine doppelte Überraschung bieten.
48:11Die Überraschung war ihm gelungen.
48:14Blitzartig hatten sich Dr. Lecarim und Jonathan Fräkscher
48:17in zwei abstoßend hässliche, unmenschliche Gestalten verwandelt.
48:21Ich bin Quapper Orgepp, der schwarze Priester des Bösen.
48:28Und du bist Cafun, der Namenlose, mein größter Todfeind.
48:33Da Todfeinde einem das Leben für gewöhnlich zur Hölle machen,
48:37muss man sie kurz entschlossen selbst dorthin befördern.
48:41Satu, drücke den Hebel.
48:45Die Hölle wartet auf Björn Hellmark.
48:49Du wirst leben, mein Freund, aber
48:52du wirst dir nichts sehnlicher wünschen als den Tod.
48:57Als mikroskopisch kleiner Mensch werde ich dich allen Gefahren dieser Welt
49:01rücksichtslos ausliefern.
49:03Du wirst leben und leiden.
49:05Wirst dich vielleicht eines Tages die Schuhsohle eines Unachtsamen
49:11unter den höllischen Qualen erlöst.
49:16Quapper Orgepp, der schwarze Priester des Bösen,
49:19hatte mich in die tödliche Falle gelockt.
49:21Tatenlos musste ich zusehen, wie Satu, sein dämonischer Helfer,
49:25die Verkleinerungsapparatur wieder in Gang setzte.
49:27Unaufhaltsam wuchs mir meine Umgebung über den Kopf.
49:31Ich wurde immer kleiner und alles um mich herum vergrößerte sich mit jeder Sekunde.
49:36Quapper Orgepp, ich verbiete dir, Hand an Björn Hellmark zu legen.
49:39Gib ihn frei und ich werde dich mit meinem magischen Stab berühren
49:43und du wirst qualvoll verenden.
49:45Satu, du verfluchtes, idiotisches, hirnloses Stück Dreck.
49:49Warum hast du ihre Fässer nicht fest verschnürt?
49:52Jetzt werden sie dich töten, aber mich kriegen sie nicht.
49:57Dr. Lekarin, Orgepp versucht zu fliehen.
50:00Er hat die Kugel mit Mr. Hellmark an sich genommen.
50:03Er darf uns nicht entkommen, Jonathan.
50:05Wenn ich ihn mit dem magischen Stab berühre, müssen Sie die Kugel aus Glas auffangen.
50:09Sie darf unter keinen Umständen zerbrechen.
50:13Die Kugel, sie ist in tausend Stücke zu sprungen.
50:16Suchen Sie, suchen Sie Björn Hellmark.
50:19Er ist verloren, wenn wir ihn nicht finden.
50:20Aber die Suche von Jonathan Fräkscher und Dr. Ajit Lekarim
50:30nach dem Staubkorn großen Björn Hellmark war vergeblich.
50:35Als die Glaskugel zu Boden gefallen war, glaubte Björn,
50:39dass ein Vulkan direkt über seinem Kopf ausbrechen würde.
50:42Mit einem gewaltigen Stoß wurde er aus der Kugel geschleudert.
50:46Sein winziger Körper hielt den Sog kaum aus,
50:48mit dem er durch die Luft gerissen wurde.
50:51Alles drehte sich vor seinen Augen.
50:53Er verlor die Besinnung.
50:55Unsere Suche ist sinnlos, Fräkscher.
50:57Wir müssen zurück in die dritte Dimension.
51:00Vielleicht haben wir von dort aus eine Chance, Björn Hellmark zu retten.
51:04Dr. Ajit Lekarim
51:06nahm den Verkleinerungsprozess gewissenhaft an Jonathan Fräkscher vor.
51:11Und mit der Anstrengung all seiner Konzentrationskraft
51:15gelang es ihm, das transdimensionale Tor zur dritten Dimension zu durchbrechen.
51:32Langsam kam Björn Hellmark wieder zu sich.
51:34Er hatte Stimmen gehört.
51:39Laute, schrille Frauenstimmen,
51:41deren Worte wie Befehle klangen,
51:44die er aber nicht verstehen konnte.
51:47Noch halb benommen, lächelte er ein wenig
51:49und dachte wieder an seinen Freund Bert Mertus,
51:52der ihm die Stimmen aus seinem Traum gewiss mit Leichtigkeit gedeutet hätte.
51:56Moment mal, ich bin noch wach.
52:06Warum höre ich denn noch immer diese Stimmen?
52:08Du musst fliehen, Björn.
52:10Du bist in größter Gefahr.
52:12Was waren das für Gedanken in seinem Kopf?
52:16War das etwa Al-Nafur, der ihn warnen wollte?
52:20Flucht? Gefahr?
52:22Was hatte das zu bedeuten?
52:26Was hatten diese Frauenstimmen zu bedeuten?
52:28Wo war er überhaupt?
52:31Und wie war er dort hingekommen?
52:35Vorsichtig öffnete Björn seine brennenden Augen
52:37und machte sie gleich wieder zu.
52:41Er kniff sich in den Arm.
52:42Kein Zweifel, er war hellwach.
52:44Das, was er soeben gesehen hatte, war kein Traum.
52:48Und die Stimmen, die er hörte,
52:49waren auch keine traumhaften Sphärenklänge.
52:52Es waren die schneidenden Stimmen von unzähligen Frauen,
52:54die überall um ihn herum
52:56in einer gespenstischen Arena verteilt standen.
53:01Sie trugen lange, schwarzwallende Gewänder.
53:03Ihre Haare glänzten wie frischer Teer.
53:06Ihre Gesichter glühten vor Erregung
53:08und aus ihren Kehlen dröhnte immer wieder
53:11der einstimmige Ruf
53:12Allei, Allei, Taix!
53:16Alle Frauen waren von völlig normaler Gestalt,
53:19wenn man einmal davon absah,
53:21dass ihre Haut ungesund grünlich glänzte.
53:24In der Größe jedoch
53:25unterschieden sie sich nicht im geringsten von Björn.
53:29War er in einer Welt des Mikrokosmos?
53:33Oder hatte er sich nach dem gescheiterten Rettungsversuch
53:37von dem echten Dr. Le Carim
53:38schon wieder in seine ursprüngliche Gestalt zurückverwandelt?
53:42Auf jeden Fall waren die Frauen um ihn herum
53:44in der Überzahl,
53:46was ihn unter anderen Umständen
53:47sicherlich nicht weiter gestört hätte.
53:49Aber hier schien man gar nicht gut
53:51auf ihn zu sprechen zu sein.
53:53Er fühlte sich in dem kleinen Holzwägelchen,
53:55auf dem er sich wiedergefunden hatte,
53:56überaus unbehaglich.
53:58Als er vorsichtig einen Blick
53:59über den Rand des Wagens riskierte,
54:01sah er sie.
54:03Wie Zugpferde waren sie vor die Wagen gekettet,
54:05die an Kampfwagen aus dem alten Rom erinnerten.
54:08In der Mitte eines jeden Wagens
54:10stand eine Frau von faszinierender Gestalt
54:12und hieb mit einer Peitsche auf die Lebewesen ein,
54:15die die Wagen mit ungeheurer Geschwindigkeit
54:17durch die Arena zogen.
54:19Die reptilartigen Wesen hatten einen Kopf
54:21von menschlicher Form,
54:23struppige Haare umrahmten ihre bösartigen Gesichter
54:26und in den Mäulern blitzten scharfe, spitze Zähne.
54:29An den Wagenrädern waren sichelförmige Messer befestigt,
54:34die das jeweilige Opfer,
54:36das von den Gefährten gehetzt wurde,
54:37langsam und qualvoll in mehrere Teile zerschneiden sollten.
54:41Die Beute, auf die sie es jetzt abgesehen hatten,
54:43war ein junger, schmächtiger Mann,
54:45dessen rechter Arm schon zur Hälfte abgerissen
54:47und nur noch an einem blutigen Sehnenfaden hing.
54:57Jörn hatte nicht verstanden,
54:58was die Dame, die soeben mit einem gewaltigen Satz
55:00in sein Holzwägelchen gesprungen war,
55:02ihm sagen wollte.
55:02Aber der Tritt, mit dem sie ihn in die Arena beförderte,
55:05deutete unmissverständlich darauf hin,
55:07dass es so etwas wie
55:08»It's your turn«, Jörn heißen musste.
55:12Dies war also Björns Runde,
55:14sein Horrortrip,
55:16durch die von blutigen Gliedmaßen
55:17und verstümmelten Leibern ganz und gar übersäte Arena.
55:20Weglaufen schien ihm zwecklos.
55:23Ihm blieb nur die Flucht nach vorn.
55:26Blindwütig sprang er auf einen der vorbeirasenden Wagen,
55:29riss der völlig verdutzten Lenkeren die Peitsche aus der Hand,
55:32gab ihr einen Stoß,
55:32sodass sie in hohem Bogen in die Arena stürzte.
55:35Um ihn herum brach ein Orkan von mörderischen Schreien los.
55:40Dicht gefolgt von unzähligen Wagen
55:42gab Jörn seinen Zugwesen die Peitsche
55:44und sprengte durch ein Tor in der Arena.
55:46Die Bestien vor seinem Wagen gehorchten ihm
55:49und die Peitsche in seiner Hand,
55:50die er mit aller Gewalt auf ihre nackten Rücken fahren ließ,
55:53trug ihr Übriges dazu bei.
55:54Er hatte seine Verfolger abgehängt
55:56und raste ohne Ziel
55:58durch eine ihm gänzlich unbekannte Welt
56:00von Höhlen und Schluchten und schillernden Gewässern,
56:02die in tausend Farben blitzten
56:04und seine Augen so stark blendeten,
56:07dass er nichts mehr sehen konnte.
56:09Als er seine Augen endlich wieder öffnen konnte,
56:13sah er ihn.
56:14Den Mann, der ihm das Leben gerettet hatte.
56:19Rani Mahai.
56:20Und der von diesen Tagen an sein treuester Freund
56:23und ergebenster Gefährte
56:25im Kampf gegen die schwarzen Mächte sein sollte.
56:28Monsieur Hellmark,
56:31ich bitte um Vergebung.
56:33Ich musste Sie ein wenig roh angreifen,
56:35um Sie aus dem rasenden Wagen hier zu mir
56:38in dieses kleine Gefährt zu katapultieren,
56:40das aber den Vorzug hat,
56:42uns auf direktem Wege
56:43in die Welt der dritten Dimension zurückzuführen.
56:48Halten Sie sich gut fest.
56:50Unsere Reise kann beginnen.
56:53Nicht so ungeduldig, Mr. Hellmark.
56:59Gönnen Sie mir doch für ein paar Momente meines Lebens
57:02die Illusion, ein großer Mann zu sein.
57:05Ich werde Sie dann noch gleich
57:06auf Ihre beneidenswerten
57:071,87 Meter zurückvergrößern.
57:10Größe hat nichts mit Zentimetern zu tun,
57:12Dr. Lecarim.
57:14Sie sind ein großer Mann.
57:15Unzähligen Menschen haben Sie unter Einsatz
57:17Ihres eigenen Lebens zur Flucht aus der Welt
57:19der vierten Dimension verholfen.
57:20Und auch ich gehöre zu den Glücklichen,
57:23die Ihnen Ihr Leben verdanken.
57:25Wir haben Glück gehabt, Björn.
57:27Großes Glück.
57:28Ich hatte überhaupt keine Vorstellung davon,
57:30wie ich Sie aufspüren konnte.
57:31Wo sollte ich mit der Suche beginnen?
57:34Ich wusste mir keinen Rat.
57:36Aber dank einer wunderbaren Fügung
57:38wurde ich mit Rani Mahai bekannt.
57:41Er hatte in seiner magischen Kugel,
57:43ohne zu wissen, welche Bedeutung es hat,
57:45die Stelle gesehen,
57:46an der Sie unglücklicherweise
57:48aus der Glaskugel herausgeschleudert waren.
57:51Mr. Mahai hatte auch mich in seiner Kugel gesehen.
57:54Und weil er ein sehr kluger, weiser Mensch ist,
57:57spürte er die Bedeutung seiner Entdeckung.
58:00Er hat mich aufgesucht
58:01und hat mir von der roten Wiese
58:03und den zwei goldenen Steinen erzählt.
58:05Die Stelle, wo wir ihre Spur verloren hatten.
58:08Björn.
58:09Zusammen mit Mr. Mahai
58:10bin ich zurück in die vierte Dimension gereist
58:12und habe an der bewussten Stelle
58:14einen kleinen, hölzernen Wagen
58:16auf die rote Wiese gesetzt.
58:18Mr. Mahai hat auf dem Wagen Platz genommen.
58:21Ich habe eine große, gläserne Kugel über ihn gestülpt
58:24und ihn dann mitsamt dem Wagen
58:26dem Verkleinerungsprozess ausgesetzt.
58:28Auf diese Weise
58:29ist er genau an der Stelle
58:31im Mikrokosmos angelangt,
58:33wo Sie seine Hilfe so dringend bedurften.
58:36Sie sind gerettet, Björn Hellmark.
58:38Und mit Ihnen kann die Hoffnung
58:40auf die Wiedervereinigung Xantilons
58:42in uns weiterleben.
58:45Sie haben zwei Freunde gefunden,
58:46die Ihren Kampf
58:47und Ihren Weg teilen werden.
58:49Aber es gibt etwas auf dieser Welt,
58:52was Sie mit Sicherheit nicht
58:53mit uns beiden rauen Burschen teilen wollen.
58:58Was meinte er damit?
58:59Alles, alles würde ich
59:00mit diesen wertvollen Freunden teilen,
59:02die mir so selbstlos
59:03mein Leben gerettet hatten.
59:05Alles.
59:06Das freche Zwinkern
59:07in Dr. Lekarims guten Augen
59:09ließ mich stürzen.
59:10Was war ich doch für ein Trottel.
59:12Wie konnte ich sie nur vergessen?
59:15Kaminia.
59:16Meine geliebte, kleine Kaminia.
59:19Kannst du mir noch einmal verzeihen.
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